Ein Mann hat Angst vor Hunden?

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Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hi,

die Angst des Mannes vor Hunden ist eine gelernte emotionale Reaktion. Das Lernen geschieht durch "sich berühren" zweier Reize (Kontinguität), von denen einer ein Signalcharakter bekommt.

Aber schauen wir uns das mal genauer an. Ein Mann, der (noch) keine Angst vor Hunden hat, zeigt beim Anblick eines Hundes keine Reaktion. Der Hund ist für ihn ein neutraler Reiz. Ein Tier, welches den Mann hingegen beißt, fügt ihm Verletzung und Schmerz zu, infolgedessen hat der Mann vor so einem Tier künftig Angst. Die Reaktion auf ein schmerzhaftes gebissen werden, ist Angst.

Fassen wir also zusammen:

Reiz 1: Sehen eines Hundes → keine Reaktion

Reiz 2: Gebissen werden von einem Tier → negative Emotion, Angst

Nun kommt es zur klassischen Konditionierung, nämlich des sich räumlich-zeitlichen Berührens der beiden Reize (1+2) und die Übertragung von Reiz 1, als künftiger Auslöser der von Reiz 2 ausgelösten Reaktion. Vermutlich hat der Mann mal schlechte Erfahrungen mit Hunden gemacht, ist z.B. von einem gebissen worden. In der Situation wirkten Reiz 1 und Reiz 2 in einer engen Reihenfolge auf ihn ein: ein Hund, der beißt und es kommt zum Reizersatz: Reiz 1 ist künftig in der Lage, die negative Emotion (Angst) auszulösen. Reiz 1 bekommt einen Signalcharakter und kann künftig, auch ohne dass der Mann gebissen wird, die gleiche oder eine ähnliche Angst auslösen, wie Reiz 2. Das ist Lernen durch klassische Konditionierung. Der Hund, den er sieht, hat mit beißen (wahrscheinlich) gar nichts zu tun, aber er hat gelernt, vor ihm Angst zu haben, ohne dass er ihn beißen muss. LG


SarahProf123 
Fragesteller
 20.03.2022, 19:31

Vielen Dank, für die ausführliche Erklärung!

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SarahProf123 
Fragesteller
 20.03.2022, 19:34
@CliffBaxter

Kann ich mich dann bei weiter Fragen bzgl. dieses Themas an dich wenden? Wäre sehr dankbar!

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CliffBaxter  20.03.2022, 19:42
@SarahProf123

das ist kein Problem. Hier ist noch ein anderes Beispiel: Ein Kind schreit im Supermarkt, wie am Spieß, weil ein Angestellter an ihm vorbeiging. Die Mutter ist ratlos.

https://workupload.com/file/tNT9hjATUBg

Das Kind war neulich beim Zahnarzt. Dieser gab ihm eine schmerzhafte Spritze (S2). Das Geben der Spritze löste beim Kind negative Emotionen (Angst) aus. Der Zahnarzt trug einen weißen Kittel (S1). Das sich berühren (Kontinguität) der beiden Reize, überträgt S1 als möglichen Auslöser der Reaktion auf S2. S1 bekommt Signalcharakter und kann nun alleine, ohne dass das Kind gespritzt wird, die Angst auslösen. Mitarbeiter eines Supermarktes tragen oft weiße Kittel (S1). Allein dieser Anblick löst bei dem Kind die durch klassische Konditionierung erlernte Reaktion, Angst zu empfinden, aus. Obwohl der Mitarbeiter im Supermarkt vermutlich ganz harmlos ist und mit Spritzen nichts zu tun hat.

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SarahProf123 
Fragesteller
 20.03.2022, 19:54
@CliffBaxter

Also beim Kind wurde bei der Spritze des Arztes, der einen weißen Kittel trug, Angst ausgelöst. Als sie dann wieder mit dem weißen Kittel des Mitarbeiters konfrontiert wurde, löste das wieder Angst aus, weil sie dieses Ereignis mit einem weißen Kittel assoziieret. Oder?

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CliffBaxter  21.03.2022, 00:12
@SarahProf123

ja genau, der weiße Kittel wurde von einem neutralen Reiz zu einem "bedingten Reiz", so nennt man das bei der Konditionierung. Zu einem erlernten auslösenden Reiz der Angst, weil er in zeitlicher Nähe zu dem eigentlichen angstauslösenden Reiz vorhanden war (die Spritze).

Noch ein Beispiel: Sirenen lösen vielleicht erhöhte Aufmerksamkeit aus oder dass man sich fragt, was da vor sich geht, wenn es nicht eine verabredete Reaktion darauf gibt, wie sich in Sicherheit bringen z.B. Bei Leuten, die den Krieg erlebt haben, folgten unmittelbar darauf Luftangriffe, Beschuss, Explosionen, Feuer, Bombeneinschläge, Panik, Todesangst. Immer in zeitlicher Abfolge auf das Ertönen von Sirenen.

https://workupload.com/file/bReBgXHDRav

Auch hier kann man eine klassische Konditionierung ausmachen. Das Ertönen von Sirenen hat Reiz 2, den eigentlichen, angstauslösenden Reiz, ersetzt und Signalcharakter bekommen. Reiz 1, die Sirenen, können nun auch alleine die Angst auslösen. Viele Ukrainer werden bis an ihr Lebensende klassisch konditioniert sein. Manche ältere Leute, Großeltern z.B., haben bei dem Erklingen von Sirenen, wenn z.B. ein Test stattfand, wie ihn die Feuerwehr manchmal mit Katastrophenschutzsirenen durchspielt, Herzrasen bekommen, Zittern und Angstschweiß, obwohl der 2. Weltkrieg längst Jahrzehnte vorbei war. Es folgte darauf kein Luftangriff, es waren Friedenszeiten. Solche Konditionierungen halten unter Umständen ewig.

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SarahProf123 
Fragesteller
 24.03.2022, 19:22

Ist dann Reiz 1 der unkonditionierte Reiz und Reiz 2 der neutrale Reiz?

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