Effi Briest.

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Nach der These von Bachtin ist ein „polyphoner“ (polyperspektivischer) Roman durch Dialogizität und Mehrdeutigkeit gekennzeichnet. D.H. die Meinung des Autors wird nicht deutlich bzw. der Autor identifiziert sich nicht mit einer bestimmten Ansicht, sondern lässt verschiedene, durchaus schlüssige Meinungen wertungsfrei zur Geltung kommen. Deutlich könnte das im 27. Kapitel werden: Instetten und Wüllersdorf diskutieren das „tyrannische Gesellschafts-Etwas“, gemeint ist der Ehrenkultus. Verschiedene Ansichten werden vor allem von Wüllersdorf vorgebracht (die Liebe zur Frau, die lange zurückliegende Zeit des Ehebruchs „wie ein Geschehnis auf einem anderen Stern“; dann der Hinweis auf die Verjährungstheorie – Wüllersdorf weiß nicht, ob diese Theorie anwendbar ist; außerdem versichert er, „es ruht alles in mir wie in einem Grabe“. Doch Instetten äußert ein Gegenargument: “...wenn meine Frau von Treue spricht....., geht ein Lächeln über Ihr (Wüllersdorfs) Gesicht...“). Auch die Meinung von Instetten, man habe auf das Ganze – die gesellschaftlichen Regeln, z.B. den Ehrenkultus – Rücksicht zu nehmen, lässt Wüllersdorf nicht vorbehaltlos gelten; zweimal sagt er: „Ich weiß doch nicht, Instetten... “ - Alle diese gegensätzlichen Argumente könnten für sich genommen einen durchaus vernünftigen Standpunkt bilden. Welchen der Autor gut heißt, weiß man zwar nicht genau, es ist aber zu vermuten, dass Fontane zur „menschlichen“ Ansicht neigt: d.h. kein Duell, sondern Verzeihen! Nicht umsonst lässt er so ausführlich diese „menschlichen“ Argumente Wüllersdorfs zur Geltung kommen. Dass sich schließlich Instettens Beharren auf dem Ehrenkultus zwischen den beiden durchsetzt, wird mit eindeutigen Wertungen bedacht, die der Autor seinen Diskutanten in den Mund legt: „Ich finde es furchtbar, dass Sie recht haben.“ Und den Ehrenkultus lässt er als „tyrannisches -Gesellschafts-Etwas“ bzw. als „Götzendienst“ oder als „Götzen“ bezeichnen. Für mich ist klar, dass Fontane hier Stellung bezieht, durch die Aussagen der handelnden Personen. Da zudem seine Sympathien bei Effi Briest sind, ist dieser Roman nicht wertungsfrei. Es handelt sich deshalb wohl nicht um einen „polyphonen“ Roman, sondern um einen Roman mit personaler (ständig wechselnder) Erzählperspektive. – Auf den ersten Seiten wird erst recht deutlich, dass es sich um keinen polyphonen Roman handelt. Die Auffassung des Autors wird auf Seite 7 (Goldmann-Ausgabe) geradezu überdeutlich: „.....die dritte junge Dame war... langweilig und eingebildet....mit etwas vorspringenden, blöden Augen“. Das meint der Autor, während Effi nur der Ansicht des Husaren Klitzing zuneigt: “Sieht sie nicht aus, als erwarte sie jeden Augenblick den Engel Gabriel?“

Randallflags 
Fragesteller
 22.12.2013, 21:50

Ich danke dir ganz herzlich für deine Hilfe :) Ich war echt verzweifelt ... So ist alles viel klarer geworden !

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