Astronomie: heliozentrisches & geozentrisches Weltbild?

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Hallo Becca22,

das geozentrische System ist erst einmal das intuitive. Denn wir spüren ja die Bewegung der Erde nicht.

Es ist also logisch, so anzufangen.

Das Problem beim geozentrischen System sind die Bewegungen der Planeten.

Die Planeten vollführen vor dem Hintergrund der Sterne im Jahresverlauf nämlich merkwürdige Schleifen. Sie bewegen sich erst vorwärts zwischen den Fixsternen, dann halten sie an, laufen eine zeitlang rückwärts, drehen dann wieder um und laufen vorwärts weiter.

Im heliozentrischen System verstehen wir diese Schleifen: Das sind die "Überholvorgänge", wenn die Erde auf ihrer Bahn einen der langsameren äußeren Planeten überholt. (Hier erklärt: https://de.wikipedia.org/wiki/Planetenschleife#/media/File:Mars_Loop.gif)

Nun gab es auber auch im geozentrischen Modell eine Erklärung für diese Schleifenbewegungen: Die Epizykeltheorie.

Die Leute waren damals ja nicht dümmer. Oder mathematisch unbegabt. Natürlich hat man auch das geozentrische Modell an den Beobachtungsdaten geprüft.

In der Epizykeltheorie stand die Erde in der Mitte. Die Gestirne umlaufen sie auf Kreisen - und zwar sitzen sie dabei nicht genau auf der Kreisbahn, sondern aufzusätzlichen Kreisen. Ein Himmelskörper würde also quasi um seine Bahn "spiralen".

Mit der Wahl geeigneter solcher Zusatzkreise ("Epizykel") konnte man die beobachteten Planetenbahnen recht gut berechnen. Man konnte auch recht gut voras rechnen, wo ein Planet wann zu sehen sein würde.

Der Witz war: Mit diesen Epizykeln konnte man das sogar besser als im kopernikanischen Modell. Denn Kopernikus stellte zwar die Sonne ins Zentrum, die Planeten setzte er jedoch auf Kreisbahnen. Und das stimmt nicht. Die Planeten laufen auf Ellipsen.

Man war nach Kopernikus also an einem Punkt, dass man mit dem geozentrischen Modell die Planetenbahnen besser beschreiben konnte als mit dem heliozentrischen.

Das ist auch nicht wirklich erstaunlich: Letztendlich ist es nichts anderes als eine Koordinatentransformation, was wir da machen. Wir können auch heute - wenn wir denn wollen - alle Bewegungen im Sonnensystem noch immer in Koordinaten ausdrücken, bei denen die Erde im Zentrum steht. Die Bewegungen werden dann nur ungleich komplizierter. Man kann aber zeigen, dass die in der Antike entwickelte Epizykeltheorie so etwas wie eine mathematische Näherung einer solchen Koordinatentransformation ist.

Erst Galileis Beobachtungen der Jupitermonde im Fernrohr und Johannes Keplers Gesetze, die die Ellipsennatur der Planetenbahn aufzeigten, brachten das heliozentrische Weltbild auf den Weg: Mit den Ellipsen vereinfachten sich die angenommenen Bewegungen im Sonnensystem gegenüber den komplizierten Epizyklen. Und erstmals ließen sich auch so im neuen Modell die Positionen der Planeten vergleichbar gut berechnen.

Den Durchbruch hatte das heliozentrische Modell aber erst mit Newton: Mit seiner Schwerkraft-Formel konnte er nicht nur die Keplergesetze herleiten, er lieferte mit der Schwerkraft auch erstmals eine Begründung für das heliozentrische Weltbild.

Man darf hier nicht vergessen: Ohne Schwerkraft gibt es keinen Grund, den schwersten Körper in die Mitte zu setzen.

Das macht es vielleicht verständlich, warum erst das Zutreffen von Newtons Formeln für die Bewegungen am Himmel dafür sorgte, dass man vom intuitiven geozentrischen Modell abwich.

Grüße

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU

Auf gut Deutsch, weil die Menschen es einfach nicht besser wussten.

Ich meine, das klingt jetzt vielleicht krass, aber es war so. Der einfache Bürger hatte keine Möglichkeit die Stimmigkeit des geozentrischen Weltbildes zu überprüfen und höchstwahrscheinlich auch gar kein Interesse daran. Außerdem war das doch eigentlich ganz logisch. Die Menschen sind davon ausgegangen, dass sie die von Gott begnadeten waren, also die Spezies, die am höchsten entwickelt ist, warum also sollten sie nicht im Mittelpunkt des Universums stehen, wo doch alles nach Gottes Ansichten gerichtet ist.

Und durchgesetzt hat sich das ganze aus zwei Gründen nicht:

1. Kirche

2. Keinen normalen Menschen hat es interessiert und es war ja auch nicht so einfach, dass den Laien zu erklären.

Ich hoffe, ich konnte dir damit weiterhelfen. Und ehrlichgesagt, war das jetzt alles 100 prozentig meinem Geist entsprungen. Ich hatte dieses Thema in der Schule auch noch nicht, aber so würde ich mir das erklären. (Natürlich ist das nur an der Oberfläche gekratzt.)

LG