Was Steckt hinter dem Lied Reue von Leipa?
Hallo, an alle Metal/ Leipa Fans welche Personen oder welche Geschichte seht ihr in dem Song Reue ? Ihr könnt frei Interpretieren und eure Geschichte erzählen. Es würde mich sehr interessieren was für ein Typ Mensch und welches Schicksal ihr denkt das Noise dort damit zur Schau stellen will. Bzw. Welche Bedeutung der Song in euren Augen hat.
1 Antwort
Grundsätzlich beschäftigt sich ja das gesamte Album mit existenziellen Krisen, Depressionen und Sinnlosigkeit.
Für mich ist das Album insgesamt ein existenzialistisches Werk - also vordergründig ein philosophisches. Es thematisiert die psychische aber auch körperliche Erkenntnis des Sinnlosen und des Absurden.
In „Reue“ geht es, wie es der Name sagt, um das innere Gefühl der Reue und des Unwohlseins. Noise beschreibt, wie sich Reue anfühlt und wie widersprüchlich und sinnlos es ist, vor ihr davonzulaufen.
Verschwendet und Verloren
Zieht jeder Tag ins Land
Verblendet und betrogen
Gefangen im Stillstand
Thema Vergänglichkeit, innerer Stillstand, Erschöpfung und Apathie. Zeit ist als Element der Ewigkeit und ewigen Stille verkommen.
Flieh mit mir
Wir fliehen vor der Zeit
Versink in ihr
Bis nichts mehr von dir bleibt
Hier geht es um die beschriebene Flucht vor der Wahrheit und der Konfrontation. Wer vor Verantwortung und Konfrontation mit Reue und Vergänglichkeit flieht, der verliert sich selbst.
Ein Schritt nach vorn
Folgt einem Schritt zurück
Es ist die Zeit
Die das Leben aus dir drückt
Diese Flucht sorgt dafür, dass man mit jedem Schritt nach vorn in die Vergangenheit zurück katapultiert wird und eigentlich nie davon kommt. Das Leben holt einen absolut immer ein. Vor allem jene Dinge, von denen wir glauben, dass wir sie vergraben können.
Bereust du nichts
Bereust du keine Taten
Die Schritte, die du nie gelaufen
Die Fragen, die dich plagen
Da bin ich nicht sicher, ob Noise eine Frage in den Raum wirft oder nur eine Aussage tätigt. Die Zeile „Bereust du nichts, bereust du keine Taten“ könnte man auch als rhetorische Frage verstehen. Als fragt einen das Gewissen, ob man sich wirklich sicher ist, nicht vielleicht doch einige Entscheidungen getroffen zu haben, die man innerlich bereut und die man rückgängig machen wollen würde. In jedem Fall wird so eine Erfahrung immer von plagenden Fragen und Ungewissheit begleitet. Stoßen wir eine unumkehrbare Tür auf, folgen weitere, bis wir uns in der Flut an Möglichkeiten und Gründen verlieren und nicht mehr wissen, warum wieso und weshalb.
Bist du ein guter Mensch
Hast du dich selbst verraten
Da spielt er wahrscheinlich darauf an, dass der Glaube an „den guten“ Menschen illusorisch ist und der Glaube an Reinheit und Vollkommenheit sowie Güte selbstverräterisch ist, da der Mensch aus der Gewalt und Zerstörung geschaffen wird und in ihr untergeht. Absolut jeder Mensch trägt bereits durch die kleinsten Entscheidungen zum Unheil der Welt bei.
Du kannst es besser machen
Du darfst nur nicht warten
Hier wird er erstmals etwas positiver und optimistischer. Auch wenn uns Schuldgefühle und falsche Entscheidungen plagen und niederreißen, bedeutet das nicht, dass wir nicht die Chance auf Wiedergutmachung oder Verbesserung haben. Deshalb kommt es im Leben darauf an, trotz aller Fehltritte stets nach Wiedergutmachung und neuen Chancen zu streben, um das Gute aus den Dingen herauszuholen oder sie zumindest abzudämpfen.
Und bist du soweit
Zum Sterben bereit
Deine letzte Stunde ist nah
Und blickst du zurück
In Freude und Glück
Oder gehst du mit Reue in dein Grab
Hier macht er klar, dass uns der Tod als letzter Begleiter unwiderruflich mit unserer Vergangenheit konfrontiert und die Frage stellt, ob man mit Glück oder Verachtung auf das eigene Leben zurückschaut, wenn man diese Welt verlässt. Und statt zu sagen „du musst dies und das tun, um glücklich und zufrieden zu sein“ stellt er nur die rhetorische Frage „wenn du heute oder irgendwann anders stirbst und mit deiner Vergangenheit konfrontiert wirst, willst du mit Zufriedenheit oder mit Enttäuschung zurückschauen? Entscheide selbst im Hier und Jetzt, wie du auf dein Leben eines Tages zurückschauen wirst.“
Ich finde das gesamte Album durchgehend fantastisch, weil es die ernsten und düsteren Fragen des Lebens stellt und gleichzeitig eben die eigene existenzielle Erfahrung beschreibt, in der der Mensch die Sinnlosigkeit der Existenz erkennt und sie verarbeitet. Und das spannende ist, dass es nicht nur um Gedanken wie Trauer, Reue oder Enttäuschung geht, sondern auch um körperliche Erfahrungen. Wer mal eine existenzielle Erfahrung gemacht oder Krise erlebt hat - zum Beispiel ein traumatisches Erlebnis oder schweren Liebeskummer - der erlebt Trauer und Verzweiflung nicht nur gedanklich, sondern auch körperlich und existenziell. Schwere, innere Ängste, Ekel vor sich selbst, Übelkeit, Verachtung gegenüber sich selbst und anderen, die Überforderung mit dem eigenen Körper und der äußeren Hülle, die Entfremdung von sich selbst und die konstante geistige Abwesenheit.
All diese Gefühle und Erlebnisse verarbeitet Noise in diesem Album. Besonders passend zu dem Thema des existenziellen Erlebens ist für mich der Song „Fremdkörper“, bei dem vor allem die körperliche, physische Erfahrung im Vordergrund steht.