Blickwechsel 22. März 2023
Deine Fragen an eine psychisch kranke Erzieherin im Arbeitsleben
Alles zum Blickwechsel

Wieso arbeitest du mit Kindern (Vorbildfunktion)?

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo,

ich bin eine Erzieherin. Eine. Die KInder lernen in der Kita nicht nur mich kennen. Zu sagen, "Sollen die Kinder werden wie du?" finde ich sehr sehr sehr unrealistisch. Denn ich wurde psychisch krank aufgrund von Missbrauch, Vergewaltigung und Prügel. Also nein, die Kinder sollen bitte nicht wie ich werden! Sie sollen sowas nicht erleben!

Vorbildfunktion bedeutet auch, dass die Kinder erleben, dass ich mal traurig oder wütend oder gestresst bin - und wie ich damit umgehe. Wenn ich krank bin, dann gehe ich zum Arzt. Das alleine ist schon Vorbildfunktion. Und als die psychische Erkrankung bei mir dann "ausgebrochen" ist, habe ich mir Hilfe geholt und habe mich auch relativ schnell krankschreiben lassen, weil ich das Gefühl hatte, dass ich der Verantwortung nicht mehr gerecht werden kann. Ich habe mich reflektiert und habe mir Hilfe geholt und meine Grenzen akzeptiert. Also sollen die Kinder werden wie ich? Eigenständige, reflektierte, selbstständige Menschen? Ja, das wünsche ich mir.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Staatlich anerkannte Erzieherin
Satiharu 
Fragesteller
 23.03.2023, 08:14

Hallo

Danke für deine Antwort. Tut mir Leid, für was du erlebtest.

Wie du mit deiner "Wut", "Stress" & "Trauer" umgehst, ist wohl aber nicht wirklich gut / gesund (psychische Störung = Unfähigkeit, dies zu verarbeiten) (?)

Was ich aber nun denke, ist, dass du einen kleinen gewissen Vorteil mit dir bringst; du kennst Missbrauch, insofern würdest du bei einem Kind vielleicht Missbrauch erkennen, was sehr wohl ein Vorteil ist, aber wiederum ein Nachteil wäre, wenn du ihn dort erkennst, wo keiner ist (kann ja sein, durch Vorbelastung). Naja.

Ich hoffe, und wünsche dir, dass auch du deine Vergangenheit verarbeitest, sie annimmst, und in etwas Gutes transformierst.

Durch eigene Erfahrungen weiss ich, dass Leid auch Positives mit sich bringt. Man stellt sich Fragen, die man sich sonst nicht stellen würde, insofern kann man dadurch enorm wachsen.

Liebe Grüsse und alles Gute

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EmelyEinhorn  23.03.2023, 08:22
@Satiharu

In der Kita ist mein Umgang mit Gefühlen ein anderer als zu Hause. Aber ich trinke z.B. weder Alkohol noch habe ich Wunden von selbstverletzendem Verhalten oder sowas. Deswegen denke ich, dass ich meiner Vorbildfunktion gerecht werde. Tue ich das nicht, arbeite ich nicht.

Es gibt Vorteile und Nachteile, das sehe ich auch so. Was Du konkret ansprichst, nämlich ich z.B. Missbrauch sehe wo keiner ist - dafür ist das Team da. Sowas wird besprochen, da schauen mehrere drauf. Also in der letzten Kita gab es ein Kinderschutzkonzept und das hat klar vorgegeben, was passiert, wenn man einen Verdacht hat. Nur weil ich das erlebt habe reiße ich das Kind nicht wie KingKong an mich und verbarrikadiere mich mit dem Kind. Ich bin professionell genug und kann damit umgehen.

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Ich weiß nicht was Du Dir unter psychisch krank vorstellst, wenn Du so etwas fragst. Aber am Ende kann jeder Erzieher ein gutes oder schlechtes Vorbild sein.

Letzten Endes hat aber Emily aus meiner Sicht Recht, wenn sie scheibt, dass es darum nicht wirklich in der Kita geht. Nachahmen tun Kinder in erster Linie die Eltern und deren Verhalten ist wirklich entscheidend.

Ergänzung

Was mir nochmal wichtig ist zu sagen: Du vermittelst den Eindruck, dass Erzieher mit einer psychischen Erkrankung für den Beruf nicht geeignet sind. Ich glaube dagegen, dass Menschen wie Emilyeinhorn sogar besser geeignet sind, einfach, weil sie gelernt haben, sich und ihr Verhalten zu reflektieren. Dagegen gibt es sicher viele Menschen (und auch Erzieher), die zwar "psychisch gesund" sind, aber nicht gelernt haben, ihr Verhalten auch mal kritisch zu hinterfragen und ggf. nach anderen Lösungswegen zu suchen. Und wenn jemand davon ausgeht, dass er per se das Richtige tut, dann ist er aus meiner Sicht bedeutend weniger für den Beruf mit Kindern geeignet.

Satiharu 
Fragesteller
 23.03.2023, 08:16

Ich habe selber in Kitas gearbeitet, und so leicht ist das nicht, wie du das beschriebst

Es kann sein, dass sich Kinder ein anderes Vorbild aussuchen, als EmelyEinhorn, aber besonders bei introvertierten Kindern wird sie, höchstwahrscheinlich, der Favorit sein (weil umgekehrt).

LG

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LEA1ooo  23.03.2023, 09:22
@Satiharu

Vielleicht verstehen wir was verschiedenes in dem Zusammenhang unter Vorbildfunktion. Ich habe daran gedacht, dass Kinder sehr viel von ihren Eltern übernehmen, sie beobachten sie und ahmen es nach. Das ist ja anfangs eine wesentliche Art des Lernens bei Kindern.

Erziehern kann man natürlich auch eine Vorbildfunktion zuschreiben. Dadurch, dass die Kinder mit anderen Kindern interagieren, können Erzieher da natürlich ganz anders Einfluss nehmen. Indem sie z. B. den Kindern vermitteln, wie man sich möglichst bei Streit verhält, was man tun kann und was besser nicht. Das sind aber vorgelebte Verhaltensweisen, die Menschen wie Emilyeinhorn genauso den Kindern nahe bringen kann. Das hat also nicht direkt was mit ihrer Gefühlslage zu tun.

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Warum sollte sie nicht mit Kindern arbeiten?

Die Reaktionen eines depressiven Menschen sind wesentlich empathischer, ruhiger und gelassener.

Schon allein der Kontext deiner Frage „wie willst du ein psychisch krankes Vorbild sein?“ ist unverständlich. Warum sollte jemand ein psychisch krankes Vorbild sein wollen?

Wer sagt dir, dass ein depressiver Mensch sein Leben nicht um Griff haben kann, was mit der Schwere der Depression im Zusammenhang steht?!

Hast du dir mal die Frage gestellt, ob wesentlich empathischere Menschen, die durch eine Therapie u. U. ein ganz anderes Verhalten an den Tag legen können, nicht vielleicht genau das fehlende Puzzleteil einer gut funktionierenden Gruppe sein können?

Deine Frage wirkt sehr aggressiv, denunzierend, voreingenommen, so dass du offensichtlich über sehr viel Meinung, jedoch über sehr wenig Wissen diese Krankheit betreffend verfügst.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit 34 Jahren an Depression und Dysthymia erkrankt.
Satiharu 
Fragesteller
 23.03.2023, 08:20

Naja, sie hat sich ausgesucht, trotzdem ein Vorbild zu sein.

Natürlich hat ein depressiver Mensch sein Leben nicht im Griff. Sich selbst nicht im Griff = Depression

Die Unfähigkeit, mit dem Leben umzugehen.

Ja, sobald sie sich wieder gefunden hat, ist sie bestimmt eine Bereicherung, auch ihre Erfahrungen werden eine Bereicherung sein, aber solange sie nicht gesund ist, ist sie, meiner Meinung nach, eher Betreute, als Betreuerin.

Ich hatte selbst einst Depressionen (und sie geheilt - waren bei mir aber teils andere Umstände), und habe mit einer depressiven Mutter zusammengelebt.

Die Frage mag aggressiv erscheinen, denn mir sind Kinder sehr wichtig, und ich habe nicht gewusst, wie ich sie anders formulieren sollte. Bin froh, wurde sie dennoch beantwortet

LG

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EmelyEinhorn  23.03.2023, 08:24
@Satiharu

Ich bin aktuell arbeitsunfähig, weil ich nicht stabil genug bin. Ich hab da auch Grenzen und mir sind Kinder ebenso wichtig. Als jemanden, der unter Hochfunktionaler Depression leidet, habe ich mein Leben auch "im Griff", wenn ich schwer depressiv bin. Depression ist nicht gleich Depression.

Wie gesagt, ich verstehe Deine Sorge. Ich hatte auch eine depressive Kollegin, die das wirklich so sichtbar nach außen getragen hat, dass sie emotionslos und still im Krippenraum auf dem Boden saß - wochenlang. Aber ich bin nicht diese Form der Depression.

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Ramboline  23.03.2023, 08:39
@Satiharu

Deine Ausführungen kann ich nicht bestätigen!

Es gibt zahlreiche unterschiedliche Depressionen! Das größte Problem bei vielen Depressiven ist die Erschöpfung und die Antriebslosigkeit. Ihr Denken entspricht dem Denken eines gesunden Menschen, nur sind sie nicht mehr so belastbar, sind u. U. mit ihrem Denken und Handeln etwas langsamer.

In meinem Fall ist es so, dass ich z. B. ganz genau weiß, dass ich mir vorliegende Rechnungen begleichen muss, allerdings muss ich erst mal die Kraft dazu haben, um zur Bank fahren zu können, um die Rechnungsbeträge überhaupt zur Anweisung zu bringen, was ein durch die Depression ausgelöstes physisches Problem ist.

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Satiharu 
Fragesteller
 23.03.2023, 08:39
@EmelyEinhorn

Hm, aber unter Leben verstehe ich nicht bloss den physischen Haushalt, sondern vorallem den psychischen Haushalt, sowas. Wir sind Leben.

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Satiharu 
Fragesteller
 23.03.2023, 08:43
@Ramboline

Hm

Kenne ja nur meine Weise, aber ich denke, dass man antrieblos ist, damit man sich mit sich selbst auseinander setzt.

Das "Denken" ist nicht gesund, bzw es wird viel zu viel Fokus auf destruktive Gedanken gelegt, vielleicht identifiziert man sich sogar mit diesen Gedanken.

Du könntest deine Reise zur Bank mit einem Spaziergang vereinen, mit einem leckeren Wassereis oder so, oder was auch immer dich überzeugt.

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EmelyEinhorn  23.03.2023, 08:48
@Satiharu

Verstehe ich absolut🙂. Aber bei mir tickt die Depression da etwas anders.

Schönen Tag noch 🌈ich bin jetzt unterwegs😊

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Ramboline  23.03.2023, 09:09
@Satiharu

Antriebslos zu sein, ist nur ein Symptom einer Depression, unter dem sehr viele Depressive leiden. Die Depression lähmt den Körper, zumindest in meinem Fall, da ich 24/7 über Jahre hinweg unter Stress ohne jede Pause stand. Mein Körper zeigt mir dadurch, dass ihm jede Belastung, abhängig von meiner Tagesform, einfach zu viel ist. Dies hat nichts mit „sich selbst auseinander setzt“ zu tun.

Das „Denken“, was eigentlich ein Grübeln über seine eigene Vergangenheit ist, hat nichts damit zu tun, dass ein depressiver Mensch psychisch nicht in der Lage ist, sein Leben im Griff zu haben. Natürlich gibt es auch Arten von Depressionen, bei denen auch das Denken eingeschränkt ist, aber „diese Depressiven“ stehen überwiegend unter Betreuung bzw. halten sich in Psychiatrien auf.

Dein letzter Passus ist ein schöner Gedanke. Aber 8 km bis zur Bank zu laufen, ist mir dann doch zu viel.

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Satiharu 
Fragesteller
 24.03.2023, 08:33
@Ramboline

Naja, ich habe diese Erfahrung gemacht. Ich denke, Depression ist eine Art Symptom. Etwas, was die Genesung voran bringt. Wie Fieber bei der Grippe beispielsweise. Ist nicht der Feind. Versucht lediglich dir die Möglichkeit zu nehmen, das Leben weiterhin "falsch" zu leben. Beispielsweise nicht einem Beruf nachzugehen, der einem (oder zumindest derzeit) mehr schadet als zu Glück verhilft.

Für mich heisst, Leben im Griff haben = glücklich sein

(Langfristiges) Glück ist der Indikator, ob jemand sein Leben "richtig" lebt oder nicht. Gibt es nicht rein deshalb überhaupt das Gefühl?

LG

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Ramboline  24.03.2023, 08:52
@Satiharu

Deine Argumentation kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen!

Was hat eine Krankheit mit Gefühlen zu tun?

Depression ist eine schwere psychische Krankheit und hat nichts damit zu tun, dass z. B. das Gefühl des Hungers auftritt.

Du vergleichst Äpfel mit Birnen, was mir zeigt, dass du von psychischen Erkrankungen keine Ahnung hast und sie als solches nicht akzeptierst, was sie sind, nämlich eine Krankheit und kein Gefühl.

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Satiharu 
Fragesteller
 24.03.2023, 09:03
@Ramboline

Ich rede vom Glückgefühl. Ist "Glücklichsein" kein Gefühl?

Wenn ich unglücklich bin, dann weil ich das Leben nicht sinnvoll lebe. Und wenn sich das häuft, dann kann es zur Depression werden. DAMIT sich das eben ändert.

Wenn man sich selber nicht gesund entfalten kann, weil man Ansprüchen anderer gerecht werden will (auch wenn man meint, so sei eben das Leben).

Ich hatte Depressionen und dies umgewandelt. Vielleicht habe ich weniger Erfahrungen mit der Krankheit selbst, als du, aber nicht keine.

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Ramboline  24.03.2023, 09:13
@Satiharu

Wenn du selbst an Depressionen erkrankt warst, dann wundern mich deine Kommentare noch mehr, denn du vergleichst eine Krankheit mit Gefühlen.

Es gibt hier so viele User, die behaupten, dass sie Depressionen hatten/haben, fragt man dann nach der Art der Depression, nach dem medikamentösen wie auch psychotherapeutischen Behandlungsweg, kommen dann solche Antworten „ich habe mich selbst geheilt oder selbst aus den Depressionen geholt“. Fragt man dann noch nach einer fachärztliche oder psychotherapeutischen Diagnose, ist meistens „die Luft ganz raus“.

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Satiharu 
Fragesteller
 24.03.2023, 09:24
@Ramboline

Tja, musst du nicht glauben. Heute bin ich zufrieden, mit mir im Reinen. Und das wünsche ich dir auch für deine nahe Zukunft.

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