Warum zerfällt das Halbacetal nicht, welches aus einer Reaktion von Methanal und Wasser entsteht?
Hallo, meine Frage steht eigentlich schon im Titel. Ich frage mich warum das Halbacetal nicht zerfällt, welches aus einer Reaktion von Methanal und Wasser entsteht? Das Produkt enthält ja zwei OH-Gruppen am selben C-Atom. Ich dachte, das dies nach der Erlenmayer-Regel nicht möglich wäre und wieder in Methanal und Wasser zerfällt?
3 Antworten
Carbonyl-Gruppen sind reaktiv, weil der Kohlenstoff δ⁺-polarisiert ist, deshalb können Nukleophile dort angeifen und sich irgendwie an die C=O-Doppelbindung addieren. Je stärker das δ⁺ am C-Atom ist, desto leichter reagiert die Carbonylgruppe in nucleophilen Additionsreaktionen.
In Ketonen R₁–CO–R₂ hängen zwei Alkylreste am Carbonyl-C. Die schieben eher Elektronen (+I) als daß sie sie ziehen, also vermindern sie das δ⁺ und machen die Carbonylgruppe tendenziell unreaktiv. Bei Aldehyden R–CO–H hat der Wasserstoff keinen +I-Effekt und bedingt höhere Reaktivität. Und letztlich beim Methanal haben wir keine Alkylgruppen, sondern zwei Wasserstoffe, also steigt die Reaktivität der Carbonylgruppe nochmals — sie ist so reaktiv, daß sie selbst mit dem eher lausigen Nucleophil OH¯ tanzen will, zumindest annähernd (Methandiol liegt ja nur in wäßriger Lösung vor und läßt sich nicht als Substanz isolieren).
Natürlich gibt es auch andere Methoden, CO-Gruppen so reaktiv zu gestalten, daß sie mit Wasser zum Diol reagieren. Trichlorethanal CCl₃–CO–H („Chloral“) reagiert mit H₂O glatt zu „Chloralhydrat“ CCl₃–CH(OH)₂, und das ist ein lagerfähiger Festkörper, der erst bei knapp 100 °C wieder zu Chloral und Wasser zerfällt. Schuld daran ist natürlich der starke −I-Effekt einer Trichlormethylgruppe, der die Carbonylgruppe besonders stark aktiviert.
Autsch, Du hast recht. Da habe ich wohl mit einem Körperteil gedacht, den die Evolution eher zum Sitzen als zum Denken optimiert hat.
Ich denke, der Punkt ist, daß +I der Grund ist. Alkylgruppen schieben Elektronen mehr als Wasserstoff, obwohl C elektronegativer als H ist und obwohl der induktive Effekt normalerweise mit Elektronegativität korreliert. Aber der Wasserstoff kann keine Elektronen schieben weil er keine hat, Elektronegativität hin oder her.
Ich werde das etwas defensiver umformulieren, damit kein Unsinn in der Antwort steht. Danke für den Hinweis!
Verstehe, danke für Deine Erläuterung! Mir ging es nicht um Formulierung, nur um persönliches Verständnis. Alkylgruppen schieben mehr als Wasserstoffe, Wäre auch intuitiv meine Vermutung gewesen. Nochmals Danke!
Ein Halbacetal entsteht als Zwischenprodukt durch säurekatalysierte Reaktion eines Aldehyds (oder Ketons) mit einem Alkohol. Die Addition von Wasser an Methanal führt nicht zu einem Halbacetal. Ich wüsste auch nicht, dass diese Reaktion in nennenswertem Umfang stattfände.
Nach dem Kommentar von ThomasJNewton muss ich korrigieren. Das Methandiol ist sehr wohl ein bevorzugtes Reaktionsprodukt der Addition von Wasser an Formaldehyd. "Die Gleichgewichtskonstante für die Hydratation wird auf 103 geschätzt".
Das mit dem Acetal hab ich doch glatt überlesen, weil aus Methanal und Wasser gar keines entsteht.
Allerdings ist Methanal das Paradebeispiel eines Verstoßes gegen die Erlenmeyer-Regel. War auch verblüfft, als ich das erste mal davon las. Der Anteil des Hydrats ist. m.W. > 90 %.
Stimmt, in verdünnten Lösungen überwiegt Methandiol, in konzentrierten bilden sich Oligomere. Hatte ich aber nicht mehr auf dem Schirm und musste erst recherchieren.
Nein, das ist ein Hydrat.
Im Übrigen war es mehr ein Scherz, es so zu nennen, statt Methanalhydrat. Trotzdem hat die englische Wikipedia einen Beitrag dazu, https://en.wikipedia.org/wiki/Methanediol.
Ein Halbacetal liegt vor, wenn sich ein Alkohol (oder eine OH-Gruppe) an ein Aldehyd anlagert. Das ist z.B. bei der Ringform von Zuckern der Fall.
Es ist halt die Erlenmeyer-Regel, nicht das Erlenmeyer-Gesetz.
Warum nun gerade Methanal (oder Methandiol) so krass gegen die Regel verstößt, da kann ich nur spekulieren. Vielleicht ist es die Tatsache, dass die beiden H-Atome so klein sind und den beiden OH-Gruppen so Platz lassen. Zudem gibt es keinen I-Effekt, der die positive Teilladung am C-Atom zum Teil ausgleicht und so einen nukleophilen Angriff erschwert.
Das ist unzweifelhaft korrekt.
Beim "elektronegativeren" Wasserstoff habe ich jedoch ein Verständnisproblem. Üblicherweise ordnet man doch bei C-H-Bindungen dem Wasserstoff den positiven Anteil der Bindungselektronen zu: EN H = 2,2, EN C = 2,55 Wieso sollte dann hier ein Alkylrest wenig erstark elektronenziehend sein als ein Wasserstoffatom? Liegt es vielleicht auch an der Tatsache, dass ein H per se nur über ein Elektron verfügt? Andererseits zeigen Wasserstoffe ja meist eine ausgeprägte Tendenz, ihr Elektron abzugeben. Wie gesagt, es ist mir nicht so recht plausibel.