Warum liest heute keiner mehr Karl May?

29 Antworten

Hi, ich war als junges Mädchen großer Winnetou-Fan und habe auch viel Karl-May gelesen. Das war sozusagen meine "Einstiegsdroge". Ich hatte Poster von Pierre Brice an den Wänden und habe Indianer gespielt.

Indianer sind cool und haben so wunderbare Kulturen, von denen wir uns viel abschauen können. Ich wollte sie besser kennen lernen und habe immer mehr anderer Bücher gelesen als Karl-May. Je mehr ich mich ernsthaft mit den Natives beschäftigte, desto uninteressanter wurde Karl May und die Winnetou-Filme, weil sie ja doch wenig authentisch sind. Auch der moderne Winnetou-Mehrteiler vor kurzem ist grausam.

Ich finde halt nicht mehr zeitgerecht, die alten Klischees zu beleben und ich finde es den Indigenen gegenüber auch respektlos. Ich finde es viel spannender mich mit der Realität auseinanderzusetzen

* "Indianer"-Kostüme sind für mich ein No Go, denn die Indigenen emfinden sie als respektlos

* Die meisten Indigenen trugen keine Haarbänder (im Gegensatz zu den Hollywood-Schauspielern, damit ihre Perücken besser hielten)

* Sie haben Ihre Kinder nicht geschlagen

* Den Frauen gehörte bei den Lakota das Tipi samt Besitz und sie konnte ihren Mann rauswerfen, wenn sie sich von ihm trennen wollte.

* Homosexualität und Transvestitet gehörten einfach dazu

* Die Tante von Crazy Horse war Jägerin und brachte ihm das Schießen mit Pfeil und Bogen bei (soviel zur devoten "Suaw")

* Sqaw ist ein Schimpfwort und bedeutet "Lampe mit Sch davor", wird aber im deutschen Sprachraum munter weiter benutzt. 

Usw usf. Karl May ist schlichtweg nicht mehr zeitgemäß. Es gibt so viele authentischere Bücher, dabei schätze ich besonders solche von nativen Authoren wie Sherman Alexie, Joseph Marshall III, Mary Crowdog, Dennis Banks, Vine Deloria ......

Hallo, ich bin ein 17 jähriger Junge und lese Karl May.

Wie bin ich dazu gekommen? Wir waren vor vielen Jahren im Sommerurlaub bei den Karl May Spielen in Bad Segeberg. "Der Schatz im Silbersee". Danach sind mein Bruder und ich den ganzen Sommer als Winnetou und Old Shatterhand rumgelaufen. (Ich war Winnetou) Zu Weihnachten haben wir dann die Filme geschenkt bekommen. Und irgendwann hat der Vater meiner damaligen besten Freundin, der ein Karl May Sammler war (Das heißt; er hat eigentlich allgemein alles gesammelt, was man sammeln kann 😅), einige Bücher aussortiert und sie mir geschenkt.

Und somit war "Der Schatz im Silbersee" das erste richtige Buch, das ich in meinem Leben gelesen habe. (Erst in der 3. Klasse!!) Allerdings war ich anfangs schon enttäuscht, dass alles anders war als in den Filmen. (Mein Bruder hat sich nie für die Bücher interessiert. Für ihn war nur Lex Barker der richtige Old Shatterhand.)

Wieso liest fast niemand mehr Karl May?

Ich glaube, da gibt es u.a. zwei große Ursachen.

1. Der Karl May Verlag wehrt sich seit Jahrzehnten dogmatisch gegen jedwede Erneuerung der Texte. (Man könnte sagen, der Vatikan ist eher zu Reformen bereit, als der Karl May Verlag) Der Verlag möchte jeden Satz genauso behalten wie vor 150 Jahren. Doch die skurrile Erzählweise Karl Mays kommt heute nicht mehr an. Diese ganzen Witzfiguren wie "Hobble-Frank", "Tante Droll", usw. haben mich schon immer aufgeregt. Sie bringen in keinster Weise die Geschichte voran und machen alles nur komplizierter. Dieser Humor wirkt heute einfach nur peinlich und nimmt den Geschichten die Spannung und das Feuer.

2. Die literarische Bildung der Deutschen ist seit langem auf dem Rückmarsch. Früher galt Karl May als Kinder- und Jugendliteratur. Heute ist er sogar den Erwachsenen zu anspruchsvoll. Ja es gibt sogar Kinder, die verstehen Erich Kästner und Ottfried Preußler nicht, weil die Sprache so anspruchsvoll sei. Und anstatt, dass man gute Bücher auf den Markt bringt, biedert man sich dieser sprachlichen Inkompetenz auch noch an. Da werden Jugendbücher mit Kindergarten-Sprachniveau heraus gebracht. Wenn man Bücher der Drei Fragezeichen von früher und heute vergleicht, merkt man den sprachlichen Verfall deutlich. Wir müssen endlich Maßnahmen ergreifen, um diese Bewegung aufzuhalten und die Kinder wieder an niveauvolle Sprache zu gewöhnen. Solange sich Kinder schwertun, den Räuber Hotzenplotz zu verstehen, werden sie erst Recht keinen Karl May verstehen können.

Woher ich das weiß:Hobby
ichbinich2000 
Fragesteller
 26.01.2019, 15:44

Danke für die ausführliche Antwort ;-)

Ich finde aber auch, dass man daran nichts ändern sollte. Diese Witzfiguren sind zwar oftmals für den Leser nicht mehr nachvollziehbar witzig, tragen aber zur Geschichte so einiges bei, finde ich. Zumal damit ja auch irgendwie erreicht wird, dass man diese Witzfiguren nicht unterschätzt, denn sie leisten dafür auf anderen Gebieten ziemlich viel. Das Bild, das May damit zeichnet, zeigt mir sehr deutlich, wie sehr wir andere nach Aussehen und Verhalten beurteilen und sie damit oftmals deutlich unterschätzen. Diese Überheblichkeit macht die Geschichten ebenso realistisch wie diese bunt zusammengewürfelte Truppe aus aller Herren Länder und Kulturen. Aber gut, das ist natürlich immer Geschmackssache.

Ich würde eine Erneuerung und Modernisierung der Texte beinahe als eine Beleidigung gegenüber dem Andenken Karl Mays empfinden. Und es ich fürchte, dass wenn man an seiner Erzählweise rumpfuschen würde, es wirken würde wie heute bei einem Buch und dem zugehörigen Film: Es würde viel von der Stimmung verloren gehen, vermutlich auch viel von den moralischen Lehren, die er immer wieder eingebaut hat.

Ich hab, als ich noch in die Schule gegangen bin, mal versucht ihn als Klassenlektüre vorzuschlagen, weil wir in Deutsch ohnehin diese Zeit behandelt haben. Aber man muss lieber so stinklangweilige Sachen wie Faust, Effi Briest und Maria Stuart lesen, statt so etwas... Seh ich auch nicht unbedingt einen Sinn dahinter...

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Hessen001  26.01.2019, 15:52
@ichbinich2000

Ich habe mit ein paar "Gleichgesinnten" sogar mal einen Brief an den hessischen Kultusminister geschrieben, zwecks Karl May als Schulliteratur.

Die Antwort war halt mehr oder weniger ein Musterschreiben:

Dass man sich über das Interesse freue und die Idee gar nicht so schlecht sei, dass aber die Werte, die Karl May vermittelt sowieso schon den Schülern beigebracht würden und dass es jedem frei stünde, die Bücher privat zu lesen und dass ich mich ruhig weiter für diese Literatur einsetzen sollte.

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ichbinich2000 
Fragesteller
 26.01.2019, 15:55
@Hessen001

Schon schade, ja... diese Lektüre würde jedenfalls bessere Werte vermitteln als Faust... :(

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krivor  27.11.2020, 12:41
@ichbinich2000

Aber hallo! Oder was man sonst für einen Schrott liest, vor allem in den Teeniejahren, "um die Kinder da abzuholen, wo sie stehen" (Verdorbener Müll)

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krivor  14.05.2022, 12:09
Doch die skurrile Erzählweise Karl Mays kommt heute nicht mehr an.

Ein 16-jähriges Mädchen sagte mir: hallo, das ist doch gerade das beste an Karl May!

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krivor  14.05.2022, 12:12

Diese Maßnahmen wird keiner ergreifen, denn der Verfall wurde künstlich herbeigeführt durch die Rechtschreibreform und das Verbot an die damaligen Eltern von Erstlesern, ihnen keine alte Literatur zu geben.

Ich bin damals los in die Bücherei und habe einen Stapel Bücher mit neuer RS für meine Kinder geholt - und nach eigenem Durchlesen sofort wieder weggebracht, weil es nur um Beziehungen ging, darum, wie man repektlos gegenüber Erwachsenen ist, wie man selber unflätige Psrache benutzt ... überhaupt kein gutes Vorbild!

Da muss man wirklich sagen, das Ziel der Frankfurter Schule, die Gesellschaft von allen alten Werten zu befreien, hat durch die RS einen Riesensprung nach vorne gemacht.

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Ich habe in einer Jugend diese Bücher zu hauf gelesen, die Filme angesehen und im Wald Winntou mit meinen Freunden und Freundinnen gespielt; am liebsten stilecht mit Ponys.

Heute bin ich aus dem Alter raus. Unter der heutigen Jugend findet man Karl May Leser am ehesten in sehr konservativen Elternhäusern. Anderweitig geht schon die Erziehung dahin, immer dem neuseten Trend am besten noch zuvor zu kommen. 

Und da ist Coolness, Phantasie, Aktion, Star wars und dergleichen gefragt. Salbungsvolle Reden werden berachtet, man brüstet sich bereits im Kindergarten mit Krafzausdrücken, Fäkalsprache und Anspielungen, deren Sinn die Kids nicht mal recht verstehen.

Auch sind die Bücher alt, allein der Stil der Satzbildung ist so komplex, dass die SMS - Jugend kaum mehr fähig ist, den Inhalt zu verstehen. Zudem hat kaum novh jemand Muße, so dicke Bücher zu lesen. Das Smartphone hält jeden in Schach. Hinzu kommt, dass es wohl kaum Exemplare mit neuer Rechtschreibung gibt, was für viele Eltern schon Grund genug ist, so etwas ihren Kindern nicht in die Hand zu drücken, weil sie dies überbewerten.

krivor  14.05.2022, 12:02

Ganz genau das wurde mit der RS-Reform beabsichtigt!

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Urlewas  14.05.2022, 13:29
@krivor

Was? Dass die Kinder überhaupt nicht mehr lesen war das Ziel der Reform? Ne, das kann ich nun doch nicht glauben. Aber egal. Unser Gedankenaustausch ändert ohnehin nix dran.

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krivor  14.05.2022, 16:46
@Urlewas
Hinzu kommt, dass es wohl kaum Exemplare mit neuer Rechtschreibung gibt, was für viele Eltern schon Grund genug ist, so etwas ihren Kindern nicht in die Hand zu drücken, weil sie dies überbewerten.

Ich habe das "überbewerten" in bezug auf die zur Zeit richtige Rechtschreibung verstanden.

Ziel der Reform war u. a. das Vernichten der alten Werte. Tabula rasa mit den angeblich veralteten Ideen und das rasche Einführen der neuen.

Auch, ein Keil zwischen Eltern und Kinder zu schieben.

Ein anderes Ziel fällt mir momentan nicht ein. Die RS zu verbessern, kann es nicht sein.

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Ich weiß ja nicht, welcher Generation du dich angehörig fühlst, aber ich kann dich wirklich gut verstehen. Ich liebe seine Bücher auch und mich regt es jedes Mal wieder auf, wenn er von irgendwelchen Leuten, die vermutlich nicht mal drei Sätze von ihm gelesen haben, als Rassist und Chauvinist bezeichnet wird. Das war er nicht (wurde ja hier auch schon gesagt), im Gegenteil, in Puncto Weltoffenheit war er seiner Zeit wirklich voraus! Und nur, weil er seinem Vaterland und seinem Glauben treu war, macht ihn das nicht zu einem Rassisten. Oder? Naja, auf jeden Fall ist es gut zu Wissen, dass es noch andere Leute gibt, die seine Bücher so gerne lesen, in meinem Freundeskreis kenne ich da nämlich auch niemanden...

ichbinich2000 
Fragesteller
 07.10.2017, 18:04

Ich bin 16 Jahre alt, hab aber schon mit 10 oder 11 damit angefangen, Karl May zu lesen. Ich seh das genauso wie du, er war kein Rassist, nur weil seine Helden eben oft Deutsche waren. Aber eben dass es auch Helden anderer Nationalitäten gibt, zeigt, dass er nicht rassistisch war. Betrachte Bob, den Ne ger, der für seine Tapferkeit und Treue bekannt ist. Nimm Winnetou als Indiander. Ich versteh nicht, wie man May als Rassisten bezeichnen kann.

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krivor  27.11.2020, 12:44

Ich weiß erst durch Karl May, dass die Völker typische Eigenschaften haben. Idiotisch, wenn man diese wegdiskutieren will.

Wo wäre die westliche Welt, wenn die schwerfälligen Deutschen nicht treu ihre Arbeit verrichten würden?

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Ich gebe dir vollkommen recht.
Ich habe so ziemlich alles von Karl May gelesen, nicht nur die Winnetou-Bände und Reiseerzählungen, auch die Heimatgeschichten ("Das Buschgespenst" u. a.), Kolportageromane ("Deutsche Herzen, deutsche Helden"), usw.


Viele Karl May Leser wissen gar nicht, das er auch einen tieferen Hintergrund hatte, der vor allem in den späteren Werken zutage tritt.
Ich denke hier z. B. an die "Fortsetzung" der Winnetou-Reihe auch bekannt als "Winnetou IV", die " Ardistan und Dschinistan"-Erzählungen und Figuren wie Marah Durimeh, die in fast allen Werken auftauchen.


Aber trotz aller Schwärmerei muss man festhalten, dass sich der Zeitgeist geändert hat und die Geschichten heute eher kindlich und naiv wirken.
Aber wer weiß, vielleicht kommen sie ja eines Tages wieder in Mode...




silbe955silben  03.03.2020, 01:41

Karl May war der erste deutsche Fantasy-Autor, nur schade, dass es zu seiner Zeit dieses Genre eben noch nicht gab. Natürlich darf man seine Schilderungen nicht als authentische Darstellung von Indianern, oder, wie man heute sagt, native americans ansehen. Immerhin ist es seinen Büchern zu verdanken, dass die Indianer und die ihnen widerfahrene Ungerechtigkeit den Lesern ins Bewusstsein gebracht wurde.

Als Kind war ich begeisterte Karl-May-Leserin und habe Szenen aus seinen Büchern im angrenzenden Wald mit Freunden nachgespielt. Die Winnetou-Filme liebe ich noch heute, sehe sie aber eben als Fantasy mit klar festgelegten Charakteren für Gut und Böse❤

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