Warum ist in Deutschland nicht die Feuerwehr den Rettungsdienst zuständig?

10 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Weil es sich in Deutschland und auch in vielen anderen Ländern seit geraumer Zeit so etbliert hat. Der Träger des Rettungsdienstes ist zwar in der Regel der jeweilige Landkreis, allerdings führt dieser den Rettungsdienst in den allerwenigsten Fällen selber durch sondern beauftragt verschiedene Leistungserbringer (Hilfsorganisationen wie DRK, JUH, ASB, MHD und auch private Rettungsdienstunternehmen) mit dessen Durchführung.

Es gibt manche Städte, in denen die Berufsfeuerwehr in den Regel- Rettungsdienst eingebunden ist und ganz normal mit Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeugen zu Notfalleinsätzen ausrückt, dies ist bundesweit allerdings nur in wenigen Städten der Fall. Manche Berufsfeuerwehren haben auch eigene RTW's, die in aller erster Linie der Absicherung der eigenen Feuerwehr- Kameraden bei Einsätzen der Feuerwehr dienen. Manche Feuerwehr- Einsätze dauern viele Stunden und dann ist es eben besser, wenn diese über ihren eigenen RTW verfügt wie dass ein RTW des Regel- Rettungsdienstes stundenlang an der Einsatzstelle verbringt und in dieser Zeit für Notfalleinsätze nicht abkömmlich ist.

Ein weiterer Grund, warum der reguläre Rettungsdienst nur selten von der Feuerwehr durchgeführt wird, ist natürlich die Ausbildung. Die Angehörigen der Berufsfeuerwehren, haben in erster Linie natürlich eine feuerwehrtechnische Ausbildung genossen, hierin ist im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst in den meisten Bundesländern die mindestens 520 stündige Qualifikation zum Rettungssanitäter enthalten. Die verantwortliche Fachperson auf dem Rettungswagen, muss mittlerweile jedoch Notfallsanitäter*in sein. Dies ist eine 2014 eingeführte, dreijährige Berufsausbildung mit staatlicher Prüfung. Leute die bei der Berufsfeuerwehr in beiden Bereichen eingesetzt werden, brauchen logischerweise die fachliche Qualifikation für beides und kommen somit auf eine fünfjährige Ausbildungsdauer zusammengesetzt aus zwei Jahren Ausbildung zum Brandmeister und 3 Jahren Ausbildung zum Notfallsanitäter. Da es in der Feuerwehr gerne gesehen und häufig sogar gesetzliche Pflicht ist, zuvor eine handwerkliche Ausbildung abgeschlossen zu haben, kämen sie insgesamt auf acht Jahre Berufsausbildung. Zudem hat gar nicht jeder der gerne zur Feuerwehr gehen möchte Bock auf den Rettungsdienst und umgekehrt auch nicht. Da diese Berufe nicht nur ein Beruf sondern eine BERUFUNG sein sollten, würde dass keinen Sinn ergeben.

Abschließend kann man sagen, dass sich die Hilfsorganisationen als Leistungserbringer im Rettungsdienst eben von Anfang an etabliert haben und dass gar nicht jede Stadt über eine Berufsfeuerwehr verfügt. Der Großteil des Feuerwehrwesens ist immer noch ehrenamtlich, eine Berufsfeuerwehr ist beispielsweise in Baden- Württemberg erst in Städten ab 100.000 Einwohnern oder mit besonderem Gefahrenpotenzial (z.B. durch ansässige Industrie) verpflichtend.

Mfg

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.
janinaruettiger 
Fragesteller
 28.10.2021, 21:38

Danke für deine hilfreiche Antwort <3.

Du bist/Sie sind ein Vorbild für mich, will später mal auf jeden Fall in den Rettungsdienst, bereite mich bereits mit Praktika und so vor <3

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Lariiithebunny  03.12.2023, 05:08

DAs ist eine der besten Erklärungen die ich gesehen habe, ich selbst bei der Feuerwehr hätte es nicht besser beschreiben können!

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Brandschutz, Hilfeleistung und Katastrophenschutz sowie das Rettungswesen fallen hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz den Ländern zu, daher gibt es 16 Rechtslagen.

Nachstehend richte ich mich ausschließlich nach der in NRW gültigen Rechtslage:

Der Rettungsdienst wird von den Kreisen und den kreisfreien Städten getragen (§ 6 Abs. 1 RettG NRW); die Träger müssen die Leitstelle unterhalten (einheitliche Leitstelle; §§ 7 Abs. 1 S. 1 RettG NRW, 3 Abs. 7, 4 Abs. 4, 28 BHKG).

Träger der Rettungswachen sind (§ 6 Abs. 2 RettG NRW) auch die Kreise und die kreisfreien Städte, außerdem die großen kreisangehörigen Städte sowie - soweit das im Rettungsdienstbedarfsplan festgelegt ist - die mittleren kreisangehörigen Städte.

Das Personal wird von den Rettungswachen gestellt (§ 9 Abs. 1 S. 1 RettG NRW). Im Prinzip bedeutet das: die kreisfreien Städte, die Kreis, die großen und ggf. mittleren kreisangehörigen Städte stellen das Rettungsdienstpersonal, so ist es zum Beispiel im Kreis Soest. Das rettungsdienstliche Personal ist im Wesentlichen bei der Kreisverwaltung beschäftigt.

§ 13 Abs. 1 RettG NRW gestattet die Mitwirkung von anerkannten Hilfsorganisationen oder anderen Leistungserbringern durch öffentlich-rechtlichen Vertrag, sprich: die Gebietskörperschaft lässt andere Organisationen das Personal (und ggf. die Fahrzeuge) stellen und die Einsätze ausführen. So ist es zum Beispiel in vielen kreisfreien Städten der Fall. Die Stadt Düsseldorf besetzt elf Rettungswagen durch die Feuerwehr selbst und elf Rettungswagen durch Hilfsorganisationen.
Wieder andere Städte (in meinem Beispiel Ratingen und Heiligenhaus (Kreis Mettmann)) betreiben den Rettungsdienst gemeinsam und holen sich kein Personal aus der Kreisverwaltung.

In kreisfreien Städten ist es oft der Fall, dass die RTW der Feuerwehr selbst vor allem zur Eigensicherung dienen. Da fährt dann zum Zimmerbrand neben dem Rettungsdienst für die Patienten ein weiterer RTW zusammen mit dem Löschzug raus, um das feuerwehrtechnische Personal und ggf. die Angehörigen der FF bei einem Unfall schnellstmöglich zu versorgen.

Zuletzt noch

nur ein kleiner Teil von der Feuerwehr?

Die meisten Feuerwehren sind rein ehrenamtlich organisiert; Berufsfeuerwehren oder Feuerwehren mit hauptamtlichen Kräften sind recht rar gesät. Da ist es für die Gemeinde attraktiver und einfacher, auf HiOrgs zu setzen (oder eben die Durchführung des Rettungsdienstes dem Kreis zu überlassen, ein Beispiel ist der Kreis Kleve: keine einzige hauptamtliche Feuerwehr).

Da der Rettungsdienst Ländersache ist, beziehe ich mich hier mangels exakter Fragestellung auf NRW.

Warum ist in Deutschland nicht die Feuerwehr den Rettungsdienst zuständig?

Doch, das ist sie. Die Trägerschaft des Rettungsdienstes obliegt immer einer Behörde, in kreisfreien Städten automatisch der Feuerwehr, in Landkreisen kann sie dem Landkreis oder der Feuerwehr einer mittleren oder großen kreisangehörigen Stadt obliegen.

Ich zitiere hierzu beispielsweise das RettG NRW:

§ 6 (Fn  8 )
Aufgabe des Rettungsdienstes, Träger
(1) Die Kreise und kreisfreien Städte sind als Träger des Rettungsdienstes verpflichtet, die bedarfsgerechte und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Leistungen der Notfallrettung einschließlich der notärztlichen Versorgung im Rettungsdienst und des Krankentransports sicherzustellen. Beide Aufgabenbereiche bilden eine medizinisch-organisatorische Einheit der Gesundheitsvorsorge und Gefahrenabwehr.
(2) Neben den Kreisen und kreisfreien Städten sind die Großen kreisangehörigen Städte Träger von Rettungswachen. Mittlere kreisangehörige Städte sind Träger von Rettungswachen, soweit sie aufgrund des Bedarfsplanes Aufgaben nach § 9 Abs. 1 wahrnehmen. Die Großen und Mittleren kreisangehörigen Städte sind insoweit neben den Kreisen und kreisfreien Städten Träger rettungsdienstlicher Aufgaben.
(3) Die Kreise und Gemeinden nehmen die Aufgaben nach diesem Gesetz als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahr.

Trägerschaft bedeutet: Dienstaufsicht, Stellung einer ärztlichen Leitung, Abrechnung, Verwaltung, etc.

Nur weil mancherorts einzelne Leistungen von Hilfsorganisationen und privaten durchgeführt werden, sagt das nichts über die Trägerschaft aus. Der Rettungsdienst wird (kann, muss nicht) alle fünf Jahre neu ausgeschrieben werden und dann können sich die sog. Leistungserbringer auf verschiedene Leistungen (also Betrieb von Rettungswachen oder einzelnen Fahrzeugen) bewerben. Die Stadt oder der Landkreis kann den Rettungsdienst aber auch komplett in der eignen Hand behalten. Dann steht auf den Rettungswagen z.B. "Rettungsdienst Hochsauerlandkreis" oder "Stadt Schwerte".

Siehe hierzu erneut RettG NRW:

§ 13 (Fn  3)
Mitwirkung anerkannter Hilfsorganisationen und anderer Leistungserbringer
(1) Der Träger rettungsdienstlicher Aufgaben kann die Durchführung des Rettungsdienstes unter Beachtung der Absätze 2 bis 5 auf anerkannte Hilfsorganisationen und andere Leistungserbringer durch öffentlich-rechtlichen Vertrag übertragen.
Und warum hat die Feuerwehr überhaupt Feuerwehr-RTWs?

Eben weil die Feuerwehr als darauf ausgerichtetes Amt des Trägers (de jure die jeweilige Gebietskörperschaft, de facto die Feuerwehr) zur Erbringung von Rettungsdienstleistungen verpflichtet ist.

Den gesamten Gesetztestext kannst du dir hier ansehen:

https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=10000000000000000325

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Weil Feuerwehr und Rettungsdienst grundsätzlich erst einmal zwei völlig verschiedene Dinge sind. Man könnte also auch fragen, warum die Feuerwehren nicht gleichzeitig auch Bauhof der Städte und Gemeinden sind oder warum nicht die Polizei den Rettungsdienst stellt.

Hinzu kommt einerseits die rechtliche Lage (verschiedene Zuständigkeiten für Feuerwehr und Rettungsdienst - Feuerwehr als kommunale Einrichtung und Rettungsdienst als Einrichtung der Landkreise und kreisfreien Städte) - und andererseits auch die geschichtliche Entwicklung (Feuerwehren gibt es bereits seit dem Mittelalter, der Rettungsdienst ist eine relativ neue Entwicklung, der sich erst in den 1960er Jahren vom reinen Krankentransport hin zu der heute bekannten Notfallmedizin entwickelt hat).

Grundsätzlich ist wie gesagt auf Basis der Landesgesetze der Landkreis oder eben die kreisfreie Stadt für die Durchführung des Rettungsdienstes verantwortlich. Wie der Landkreis dies tut, ist ihm selbst überlassen. Einige Landkreise haben einen eigenen Rettungsdienst, d.h. der Kreis schafft die Fahrzeuge an und stellt entsprechendes Rettungsdienst-Fachpersonal ein. Oder aber der Landkreis beauftragt einen Fremdanbieter mit dieser Aufgabe - das kann dann entweder ein gewerbliches Unternehmen sein oder auch ein Verein.

Kreisfreie Städte übernehmen ja quasi die Funktion von Kommune und Landkreis. Und sofern diese Stadt über eine hauptamtliche Feuerwehr (Berufsfeuerwehr oder Freiwillige Feuerwehr mit hauptamtlicher Wachabteilung) verfügt, kann sie die Stadt dann die Aufgabe des Rettungsdienstes natürlich auch an sich selbst bzw. bzw. die Feuerwehr übertragen. Deshalb stellen viele Berufsfeuerwehren in ihrem Bereich auch den Rettungsdienst. Das ist dann einfach eine wirtschaftliche Entscheidung der Stadt, die sich durch die Kombination von Feuerwehr und Rettungsdienst Vorteile erhofft z.B. durch gemeinsame Wachen, gemeinsame Logistik, gemeinsame Führungsstrukturen, einen größeren Personalpool, eine bessere Zusammenarbeit durch den engeren Kontakt von FW und RD bzw. idealerweise die Doppelfunktion (und -Ausbildung) der Kollegen als Feuerwehrmann und Nofallsanitäter usw.).

Da die Feuerwehren in Deutschland zu 95% aus Freiwilligen Feuerwehren und diese zu 99% aus FF ohne hauptamtliches Personal oder ausschließlich technischem Personal (hauptamtliche Gerätewarte o.ä.) bestehen, kann auch nur eine verhältnismäßig kleine Anzahl an Feuerwehren überhaupt die Leistung des Regelrettungsdienstes erbringen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Stv. Wehrführer und Zugführer bei der Freiwilligen Feuerwehr

Rettungsdienst ist tatsächlich eine recht komplizierte Sache. Manche Gesetze, die den Rettungsdienst betreffen, liegen in der Verantwortung des Bundes, z.b. das Gesetz für die Ausbildung von Notfallsanitätern. Die eigentlichen Rettungsdienstgesetze werden auf Länderebene beschlossen. Die praktische Organisation des Rettungsdienstes wiederum liegt in den Händen der Landkreise und der kreisfreien Städte. Diese sind Träger des Rettungsdienstes vor Ort und müssen ihn gemäß den Gesetzen der Länder organisieren.

Wie sie nun das organisieren, liegt in ihrer Hand. Entweder wird ein eigener Rettungsdienst etabliert, der also vom Kreis bezahlt wird und dessen Mitarbeiter Landkreis-Angestellte sind. Andere Landkreise schreiben die Besetzung des Rettungsdienstes aus und auf diese Ausschreibungen können sich diverse Organisationen und Anbieter bewerben. Das ist tatsächlich in vielen Regionen der Fall, so wie ich es erlebe hauptsächlich im ländlichen Bereich. Hier ist der Aufwand bei geringer Bevölkerungsdichte und nicht allzu vielen Rettungswachen vermutlich relativ groß, wenn man eigene Leute einstellen und ein komplettes Abrechnungswesen schaffen möchte. Da kann es möglicherweise einfacher sein, das Ganze an externe Anbieter zu vergeben, die bereits eine landesweit organisierte Struktur haben. Das ist aber nur meine persönliche Einschätzung, vielleicht ist es auch einfach aus anderen Gründen finanziell vorteilhaft, den Rettungsdienst an einen externen Anbieter weiterzugeben - die öffentliche Hand müsste z.B. nach TVÖD bezahlen, private Anbieter leihen oft darunter. Ein anderes Modell, wie es z.B. besonders in Nordrhein-Westfalen gelebt wird sieht vor, dass ehrenamtliche Feuerwehren eine hauptamtliche Wachabteilung haben, das bedeutet: relativ wenige Angestellte bei der Feuerwehr, die eine Grundbesatzung sowie den Rettungsdienst betreiben können, während für größere Feuerwehreinsätze dann weiterhin freiwillige Kräfte herangezogen werden. Und zu guter Letzt gibt es tatsächlich in den Bereichen, wo eine Berufsfeuerwehr zwingend erforderlich ist (also größere Städte) den Rettungsdienst, der in der Regel dort angesiedelt ist. Hier gibt es ja Sinn-es muss ohnehin eine kostspielige Hilfe Leistungsstruktur vorgehalten werden, die den Rettungsdienst problemlos mitmachen kann. Es gibt also etliche Modelle, die in der Bundesrepublik für die Besetzung des Rettungsdienstes genutzt werden. Träger bleiben aber in jedem Fall die Kreise und kreisfreien Städte.

Entsprechend gibt es auch Feuerwehr-RTW. Diese können Bestandteil des Regelrettungsdienstes sein. Aber natürlich gibt es auch große Werkfeuerwehren, die RTW betreiben, um ihre eigenen Leute im Einsatz abzusichern, die aber nicht oder vielleicht nur ausnahmsweise am öffentlichen Rettungsdienst teilnehmen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
janinaruettiger 
Fragesteller
 28.10.2021, 21:35

Danke für deine Antwort, du hast mir tatsächlich sehr geholfen. Im übrigen bist auch ein Vorbild für mich, will später mal auf jeden Fall in den Rettungsdienst. Hab schon 2 Praktika hinter mir <3

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