Ist Nachhaltigkeit als Maßnahme zur CO2-Einsparung von der Regierung bewusst zu wenig beleuchtet?

Avicenna89  05.12.2023, 13:28

Hast du Beispiele für diese Frage? Welche Maßnahmen genau kurbeln die Wirtschaft an und blockieren langfristige Nutzungen?

ColleenChambers 
Fragesteller
 05.12.2023, 13:52

Die Beispiele sind eigentlich bekannt:

Verbrenner -> E-Autos, vorhandene Heizungen -> Wärmepumpen,
Vorschriften bei Sanierungen / Umbaumaßnahmen...

um nur einige zu nennen.

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die Regierung macht was die großen Parteispender von ihr verlangen. Die größten Parteispender in Deutschland sind Autokonzerne, Energiekonzerne und Lebensmittelkonzerne. Denen tut niemand weh.

Deutsche Autohersteller jammern, dass sie mit kleinen Autos kein Geld verdienen und deswegen Vorstadtpanzer bauen müssen? Ok, machen wir ein Steuersystem das schweren Autos überproportional mehr Schadstoffausstoß erlaubt, um die Kleinwagen aus dem Markt zu drängen. Hallo? Wenn die deutschen Hersteller zu dumm sind und die Ausländer es können, dann haben die deutschen Hersteller halt ihre Daseinsbereichtigung verpennt. Nachhaltig ist, die Kundennachfrage auf kleine, leichte Fahrzeuge zu lenken. Geht aber nicht, wenn Hersteller geschützt werden, die zu dumm sind solche Autos gewinnbringend zu bauen.

Als in den 90ern Photovoltaik und Windkraft erschwinglich wurden, wurde sofort gebremst, damit den Energiekonzernen nicht die Kunden weglaufen. Das EEG ist im Kern ein Konzernschutzgesetz. Es ging bei der Regulierung zunächst primär darum die Entwicklung zu verzögern bis die Energiekonzerne selbst Geschäftsmodelle entwickelt hatten, die von der neuen Technik profitieren.

Es macht hinsichtlich Nachhaltigkeit Sinn, weniger Fleisch und mehr Bio zu essen. Die einzige Regulierung die in den Startlöchern steht ist eine Zuckersteuer, die auch vegetarische Bioprodukte betrifft. Gleichzeitig darf ein Getränk in Deutschland nicht Limonade heißen, wenn es zu wenig Zucker enthält. Und deutschen Bauern wird weiterhin Schweinequälen in Kastenständen erlaubt, um die Preise unten zu halten. Eine Regulierung, die durch deutlich bessere, teurere Haltungsbedingungen automatisch die Fleischpreise erhöht und Billigimporte aus Ländern mit deutlich schlechteren Haltungsbedingungen mit einer Zollschranke belegt, ist nicht geplant. Stattdessen wir hier und da von einer Fleischsteuer fantasiert, die die Bauern zu noch billigerer Produktion verleitet. Den großen Lebensmittelkonzernen ist die aktzuelle Situation gerade recht, die wehren sich erfolgreich gegen jede Regulierung. Eine Fleischsteuer wäre ihnen lieber als Vorschriften für bessere Tierhaltung.

Jahrzehntelang gab es in Deutschland die Verpackungsverordnung, die für eine ganze Reihe von Konsumgütern die Verpackungsgrößen vorgeschrieben hat. Diese Verordnung wurde als unerlaubter Eingriff in den Markt abgeschafft. Seitdem werden Verpackungsinhalte immer kleiner und es wird immer mehr Luft in immer mehr Plastik verpackt. Das ist verbraucherschädlich und umweltschädlich, es steht klar im Widerspruch zu Nachhaltigkeit.

Wenn es um Produktlebensdauer und Reparierbarkeit geht, beschränkt sich die Regierung auch auf schlaue Reden. Passieren tut nichts, weil die Konzerne es nicht wollen. Heute nimmt die Lebensdauer aller Produkte ab. Darunter auch sehr teure, mit sehr großen Ressourceneinsatz hergestellte Produkte. Obwohl sie im Sinne von Nachhaltigkeit zunehmen müsste.

Durch diese legale Korruption wird die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als Ganzes untergraben. Immer mehr Menschen verlieren das Vertrauen ins sichtbar dysfunktionale System und werden bereit Parteien zu wählen, die aus ganz anderen Gründen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit abschaffen wollen. Politiker aller demokratischen Parteien müssten angesichts der Lage eigentlich aufschreien und etwas unternehmen. Tun sie aber nicht, so lange die Kasse so schön klingelt. Es ist bequemer, Korruption und Demokratiedefizite im Ausland anzuprangern. Jeder denkt nur an die eigene Generation, so lang wird es schon noch gut gehen. Aus dem Altersdurchschnitt von Landes- und Bundespolitikern kann man direkt ableiten, wie weit sie in die Zukunft planen. Norbert Blüms Rente war bis zu seinem Lebensende sicher.

ColleenChambers 
Fragesteller
 05.12.2023, 10:44

Das nenne ich mal eine ausführliche, differenzierte und tiefgehende Antwort!

Danke, Respekt + Stern!

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Bezugnehmend auf deine Antwort auf meine Rückfrage:

Die Beispiele sind eigentlich bekannt:
Verbrenner -> E-Autos, vorhandene Heizungen -> Wärmepumpen,
Vorschriften bei Sanierungen / Umbaumaßnahmen...
um nur einige zu nennen.

ist eigentlich bekannt, dass Nachhaltigkeit in den entsprechenden Gesetzen eine wesentliche Rolle spielt: Bei Regelungen von Verbrennern und Heizungen geht es ja ausschließlich um komplette Neuanschaffungen, also ein komplett neues Auto, wenn man das alte ersetzen will oder eine komplett neue Heizung, wenn die alte havariert ist. Solange die alten Systeme noch nutzbar sind, macht der Gesetzgeber keine Vorschriften und ermutigt daher zum Erhalt und eben nicht zum Überkonsum.

Bei Sanierungen und Umbaumaßnahmen bin ich zu wenig in der rechtlichen Materie. Allerdings werden auch hier ja erst Investitionen in bessere Klimafreundlichkeit vorgeschrieben, wenn sowieso die Entscheidung zur Sanierung gefallen ist. Natürlich kann man auch in einer Bruchbude weiterwohnen, aus der man zum Fenster rausheizt. Im Grunde geht's ja auch da nur darum, Klimaschutz dort einzubauen, wo die Verbraucher sowieso schon investieren, um bspw. Heizkosten zu sparen.

ColleenChambers 
Fragesteller
 05.12.2023, 15:53

ermutigen zum Erhalt...?

Das ist mit nicht bekannt.

Man könnte es bestenfalls so ausdrücken, dass Neuanschaffungen (Autos/Heizungen) so dermaßen teuer sind, dass viele Bürger ihre alten
Fahrzeuge und Heizungen zu Tode reparieren, weil es finanziell nicht anders geht.
Und selbst das ist oftmals teuer und (weil) mit Auflagen behaftet.

Bei Heizungsanlagen sind klare Grenzen gesetzt, welche Geräte ab welchem Baujahr (abwärts) raus müssen. Ob sie noch funktionieren und gute Werte bringen oder nicht.

Parallel werden auch gleich die Ersatzteile für ältere Anlagen vom Markt genommen. Wer das GEG studiert (und verstanden ) hat, erkennt die vom Staat gewünschte Richtungsvorgabe.

Ob sinnvoll, durchführbar oder bezahlbar - egal.

Das Motto heißt Umwelt, der "zufällige Nebeneffekt" sind Einnahmen.

Da "spart" der Hausbesitzer ein paar hundert Euro im Jahr und muss u.U. trotz Ausschöpfung aller möglichen Förderungen mehrere Zehntausend dafür berappen.

Und auch die CO² Ersparnis ist äußerst fragwürdig.

Selbst eine nicht-neue Gasheizung hat unter der Berücksichtigung "wo kommt der Strom her?" eine weitaus bessere CO² Bilanz als eine an der Steckdose klemmende Wärmepumpe...

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Avicenna89  05.12.2023, 16:11
@ColleenChambers

Hm, es ist längst bewiesen, dass unterm Strich "Autos/Heizungen" weit, weit innerhalb der typischen Nutzungsdauern immer kostengünstiger sind als alte Technologien. Klar gibt es viele Leute, die bereits jetzt ihre Autos und Heizungen künstlich am Leben erhalten, weil eine Reparatur von 2000 €, die vom Restwert her schon ein wirtschaftlicher Totalschaden wäre, trotzdem billiger ist als eine Neuanschaffung. Aber das gab's ja immer schon. Es kann sich ja auch jetzt schon nicht jeder ein neues Auto leisten... Es wäre völlig falsch, einen solchen Umstand jetzt hervorzukramen, um gegen innovative, bessere Technologien Polemik zu machen.

Und klar - wenn man Biogas anzapft, ist eine Gasheizung klimafreundlicher als eine Wärmepumpe, die noch zur Hälfte fossil betrieben wird. Fakt ist aber - ich schau' mich ja gerade selbst nach einer Wohnung zum Kaufen um - dass oftmals in modernen Mehrfamilienhäusern die Wärmepumpen komplett durch die hauseigene PV-Anlage betrieben werden. Da kann man das Gas drehen und wenden wie man will, es kann nicht mithalten.

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ColleenChambers 
Fragesteller
 05.12.2023, 17:07
@Avicenna89

Hat mit Biogas nichts zu tun.

Wo keine PV auf dem Dach ist (selbst DIE schafft es an wolkigen Wintertagen nicht, genügend Strom bereitzustellen), sondern die Wärmepumpe aus der Steckdose speist, ist die CO² Bilanz deutlich schlechter als die einer Gastherme.

Grund sind die Verluste bei der Produktion und dem Transport von Strom.

Die Regierung baut ein Dutzend neuer Gaskraftwerke, um den Defizit der nun nicht mehr liefernden AKWs aufzufangen.

Der grüne Gedanke trifft leider nicht immer ins Schwarze...

Wenn Du auf der Suche bist (ich drücke die Daumen!^^), dann schau, dass die PV auch über einen ausreichenden Akku verfügt.
Und natürlich über eine brauchbare WP mit entsprechend guter COP / JAZ.

DANN ist heizen in der Tat günstig!

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Avicenna89  06.12.2023, 08:31
@ColleenChambers

Auch beim momentanen Energiemix (420 g CO2 / kWh) ist die Wärmepumpe besser in der Klimabilanz als Gas (200 g CO2 / kWh). Selbst wenn ein Haus schlecht für den Einsatz einer Wärmepumpe geeignet ist (Jahresarbeitszahl von 2,5 anstelle von ca. 5 bei gut geeigneten Häusern), spart man zwischen 15 und 20 Prozent CO2.

Jede Wattsekunde, die dann noch aus einer eigenen PV-Anlage kommt (die in einem Neubau übrigens auch als mini-25 m² Ausführung am kürzesten, auch noch zufällig stark bewölkten Tag des Jahres in der nördlichsten Stadt Deutschlands ein Viertel der von der Wärmepumpe benötigten Heizenergie bereitstellen könnte) reduziert ja den CO2-Bedarf weiter.

Viele der momentan geplanten Gaskraftwerksprojekte ruhen aktuell, da Gas die erste Technologie ist, die bei niedrigen Börsenpreisen aus dem Markt fällt. Es ist günstiger für Deutschland, regenerativen Strom aus den skandinavischen Ländern (Dänemark ist Hauptimporteur, 75 Prozent Erneuerbare, gefolgt von Norwegen mit über 80 Prozent Wasserkraft und Schweden mit immerhin 60 Prozent Erneuerbaren) zu importieren als die eigenen Gaskraftwerksprojekte weiter voranzutreiben. Betriebswirtschaftlich schlauer wäre es, den Ausbau der Erneuerbaren voranzutreiben, wenn man an der Börse mit unseren nördlichen Nachbarn auch nur im Geringsten mithalten will.

Danke für deine Tipps, die berücksichtige ich selbstverständlich.

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ColleenChambers 
Fragesteller
 06.12.2023, 10:25
@Avicenna89

Bei JAZ 2,5 könnte es allerdings sein, dass die Förderung kippt.

Die Bafa schüttet die Förderung ja nicht "einfach so" aus, sondern möchte dafür eine effiziente Anlage erstellt haben.

Die COP ist ja lediglich - weißt Du sicherlich - lediglich die Werksangabe, ein Laborwert. Zwar kann man anhand der COP die Geräte untereinander vergleichen, aber viel mehr auch nicht.

Die JAZ hingegen ist der abgelesene Wert am Jahresende, den ich vorlegen muss.

Habe ich eine andere Perfomance im Vertrag vereinbart / angegeben, dann kann die Bafa darauf bestehen und die Unterschreitung der JAZ als Nichterfüllung werten.

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Wenn eine PV den Strom bereitstellt, dann wird es vielfach technisch "einfach" gelöst, indem der Heizstab im Pufferspeicher von den Solarmodulen gespeist wird.

Ohne Akku muss das Ausgangssignal der PV programmierbar sein, weil sonst "jede Wolke" Schwankungen bei der Speicherladung verursacht und die WP taktet - was dann dem gewünschten Spar-Effekt entgegenwirkt.

Ist eine große PV vorhanden, die dann die gesamte Stromversorgung übernimmt, sollte die Leistung in etwa doppelt so hoch sein wie die WP-Leistung.
Also 6 kW WP -> ca. 12 kW PV.

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Die Info "Gaskraftwerke - Planung tw. auf Eis" hatte ich noch nicht mitbekommen, danke dafür! Klingt plausibel...

Wie ich gehört habe, ist Schweden allerdings auch auf nuklearer Ebene sehr aktiv und plant 6 (?) AKWs zu bauen.

Bin mal gespannt, wie das sich alles entwickelt, welcher Strom, wie erzeugt, woher kriegen...

Für Deine fundierten und interessanten Infos : vielen Dank!!

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Avicenna89  06.12.2023, 11:11
@ColleenChambers

Scho' richtig mit der JAZ. WIe geschrieben, das war so 'ne Art "Worst Case" und wurde vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme in einer Studie an Altbauten ermittelt, die bis zu 170 Jahre alt waren. Moderne Gebäude sind ja in der Regel über 4,5. Die COP habe ich gar nicht erst bemüht.

Bei AKWs, insbesondere den in Schweden teilweise geplanten SMRs gibt es interessante Entwicklungen. Die USA haben ja vor kurzem eigene SMR-Projekte abgewürgt, weil sie nicht wettbewerbsfähig gegen die Regenerativen waren.

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Avicenna89  06.12.2023, 11:18
@Avicenna89

btw, eine Solaranlage würde ich immer puffern. Geht ja auch um etwa nachts benötigten Strom. Zwar ist es clever, mit einer PV dann auch viele Verbraucher tagsüber laufen zu lassen (Waschmaschine, Trockner, Spülmaschine, Wasserboiler,...), aber gänzlich verzichten kann man nach Einbruch der Dunkelheit eben auch nicht auf Verbraucher. Also auch, wenn man damit hauptsächlich seine WP füttert, wird man für die Peaks eine Batterie im Haus installieren.

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