Die Ursache des Problems liegt in den späten 1950er Jahren. Damals war die Eisenbahn dringend reformbedürftig, die Nebenbahnen waren seit 1870 nicht mehr schneller geworden und das Auto wurde zur übermächtigen Konkurrenz. In diese Situation hat die Autoindustrie mit Lobbyismus und Parteispenden ( = legale Korruption) hineingegrätscht. Eine Reform des Bahnbetriebs und notwendige Investitionen wurden verhindert, stattdessen wurden während der 1960er Jahre weite Teile des Nebenbahnnetzes stillgelegt, entwidmet, verkauft und überbaut und riesige Summen in den Straßenbau investiert.
Nach der Wende wurde das Gleiche in den neuen Bundesländern wiederholt. Man war mitten in der sogenannten Bahnreform, zu deren Vorbereitungen in Westdeutschland in den 1980ern schon eine weitere Stilllegungswelle gehört hatte. An entscheidenden Stellen saßen Leute die von Eisenbahn keine Ahnung hatten, ihr Traum war eine Fluggesellschaft auf Schienen, die sich auf schnelle Punkt zu Punkt Verbindungen konzentrieren sollte. Man hat damals völlig übersehen, dass Fernverkehrspassagiere in der Regel nicht erst mit dem Auto zum Bahnhof in der nächsten Großstadt fahren wollen. Die Bedeutung der Nebenbahnen als Zubringer zum Fernverkehr wurde einfach ignoriert und dadurch auch das Wachstumspotenmtial des Fernverkehrs beschnitten. Die Autoindustrie freut sich natürlich auch darüber.
Den Straßenbahnen ging es sogar noch schlechter. Vielerorts sind sie komplett verschwunden, um Platz für Autos zu schaffen. Das hatte in Deutschland zwar nicht andeutungsweise die Dimensionen der großen Straßenbahnverschwörung in den USA, wo Autokonzerne nachweislich ganze Liniennetze aufgekauft haben nur um sie stillzulegen und durch ihre Busse und Autos zu ersetzen, die Abbauwelle war aber trotzdem verheerend genug. Die medienwirksam als Ersatz gebauten U-Bahnen waren nie als vollwertiger Ersatz geeignet, weil es aus Kostengründen überhaupt nicht möglich ist, ein gleich dichtes Netz unterirdisch zu bauen. Sinnvoller wäre es gewesen das viele Geld in einen weiteren Ausbau des Straßenbahnnetzes, unterirdische Tiefgaragen und große Park&Ride Parkhäuser am Stadtrand zu investieren. So hätte man die Notwendigkeit mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren und das Parkplatzproblem deutlich reduzieren können. Das klappt aber bis heute nicht.
Warum die Busnetze nicht richtig funktionieren, ist nicht so einfach zu erklären. Wir haben es da mit einer Mischung aus Unfähigkeit und Eifersüchteleien zu tun. Kommunalpolitiker behindern sich gegenseitig und konkurrieren um Geld statt zusammenzuarbeiten. Das Ergebnis ist, dass wir keine richtigen Busnetze haben, sondern Sterne mit einer großen Stadt in der Mitte. Querverbindungen von Dorf zu Dorf auf dem Land fehlen. Oft kommt man völlig problemlos 20km weit in die nächste Stadt, aber ins 2km entfernte Nachbardorf, das nicht auf einem Strahl des Sterns liegt, muss man mit dem Auto fahren, weil es dort hin überhaupt keinen Bus gibt und die schmale Landstraße mit dem Fahrrad zu gefährlich ist. Die Überlandbusse fahren dummerweise auch bis in die Innenstadt der Großstädte rein, statt am Stadtrand zentrale Umsteigepunkte zum Straßenbahn- und Stadtbusnetz einzurichten. In den meisten Großstädten hat der Busverkehr eine Dichte erreicht, die weitere Kapazitätssteigerungen unmöglich macht. Würde man die Überlandbusse und die Autopendler am Stadtrand abfertigen, könnte man den Busverkehr innerhalb der Stadt besser koordinieren und die vorhandene Infrastruktur für mehr Stadtbusse nutzen.
In letzter Zeit kommt ein weiterer Faktor dazu: Der Lastenrad-Wahn. Für die Politik sind die Dinger sehr attraktiv, weil sie versprechen alte Probleme zu lösen, ohne in Infrastruktur investieren zu müssen. Das funktioniert aber nicht. Sie sind teuer, groß und schwer, nur für Kurzstreckenverkehr geeignet und bei Eis und Schneee nicht einsetzbar. An klassischen Fahrradständern belegen sie 3-4 Stellplätze und Mitnehmen ins Gebäude ist meist nicht möglich.
Auch die Idee, Autofahren möglichst unangenehm zu machen und so einen Wechsel auf andere Vermehrsmittel zu erzwingen funktioniert in der Praxis nicht. Autofahren ist schon lange kein Vergnügen mehr, der Autoverkehr wird trotzdem immer mehr. Auch absichtliche Hindernisse wie 30er Zonen, künstlich erzeugter Stau durch Fahrbahnsperrungen und unbrauchbare Ampelschaltungen, künstliche Parkplatzverknappung und über dem Busticketpreis liegende Parkgebühren haben daran nichts geändert. Noch mehr Beweis dafür, dass notgedrungen und nicht freiwillig Auto gefahren wird, ist kaum noch möglich. Das liegt daran, dass es viel zu oft keine auch nur annähernd alltagstaugliche Alternative gibt.
Selbst wenn es gelingt im ÖPNV Fortschritte zu erzielen, werden sie durch ständig längere Pendlerwege wieder aufgefressen. Arbeitsplätze sind immer mehr auf die großen Städte konzentriert, Homeoffice ist aktuell sogar wieder rückläufig. Gleichzeitig steigen sowohl die Kaufpreise als auch die Mieten in den großen Städten ins Unermessliche und zwingen zum Pendeln. Eine Lösung ist nicht in Sicht, ganz im Gegenteil.
Viele kleinere Kommunen denken auch bei der Anlage von Neubaugebieten nicht an den ÖPNV, geschweige denn an den Güterverkehr. Sowohl neue Gewerbegebiete, als auch neue Wohngebiete werden viel zu oft so abseitig angelegt, dass die bestehenden Buslinien und die mancherorts noch vorhandenen Bahnlinien für sie nutzlos sind und eine Integration den Bus zu einem langen Umweg zwingt. Gewerbegebiete werden oft so angelegt, dass die Topographie einen Bahnanschluss völlig unmöglich macht, teilweise einfach auf der falschen Seite der Stadt.