Warum gibt es keine Menschenarten?

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Die klassische Artdefinition als in sich geschlossene Fortpflanzungsgemeinschaft ist überholt. Wie genau man eine Art jetzt definieren soll, wo lokale Variation aufhört und Unterart beginnt und wo Unterart aufhört und Art beginnt, ist nicht allgemeingültig definiert. Bei sehr variantenreichen Gruppen wie Vögeln und Fischen wird zum Teil erbittert um den Artstatus gestritten und deswegen ist auch völlig unklar, wie viele Vogel- und Fischarten es wirklich gibt. Je nach Definition unterscheiden sich die Zahlen um tausende Arten.

Im Wesentlichen wird der Artstatus heute aufgrund von Vergleichen des Erbguts entschieden. Unterscheidet sich das Erbgut zweier Individuen nahezu nicht, gehören beide zur gleichen Art. Bei Menschen ist das einfach. Trotz aller Unterschiede im Erscheinungsbild und trotz deutlich unterschiedlich großer Reste von Genen mehrerer ausgestorbener (oder assimilierter) Menschenarten (Neanderthaler, Denisova, mehrere noch namenlose Geisterpopulationen), ist die genetische Vielfalt von Menschen sehr klein. Alle Menschen gehören zweifellos zur selben Art.

Die genetischen Unterschiede, die zu einem unterschiedlichen Erscheinungsbild z.B. der Hautfarbe oder Gesichtszüge führen, beschränken sich auf ganz wenige jeweils typische Allele. Diese Unterschiede sind wirklich winzig.

Der Verzicht auf den Rassebegriff bei Menschen hängt hauptsächlich damit zusammen, dass man als Rassen nur (noch) durch züchterische Arbeit erzeugte Formvarianten bezeichnet. Bei Wildtieren gibt es auch keine Rassen. Ein weiterer Grund ist, dass der Rassebegriff bei Menschen zu oft und mit furchtbaren Folgen missbraucht wurde und immernoch missbraucht wird.

eraser279 
Fragesteller
 26.03.2024, 22:53

Vielen Dank, ehrlich

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Man kann auch Menschen nicht in "Arten" unterteilen, denn verschiedene Arten können anscheinend sich nicht kreuzen, aber der dunkelhäutige und der hellhäutige Mensch kann es ja. Jedoch sind Tiger und Löwen verschiedene Tierarten und können sich doch in Ligern oder Töwen trotzdem weiter vermehren. Dieser Widerspruch beschäftigt mich nun. Habe ich etwas falsch verstanden?

Die Diskussion um den Artbegriff ist ein echt weites Feld. Das fängt damit an, dass es nicht nur ein Artkonzept gibt, sondern unzählige. Allein ein gutes Dutzend davon wird häufiger benutzt und alle haben so ihre Vor- und Nachteile.

Das gebräuchlichste ist nach wie vor das biologische Artkonzept. Es definiert eine Art als Fortpflanzungsgemeinschaft. Zu einer Art gehören demnach alle Individuen, die sich untereinander uneingeschränkt (Ausnahme: bei getrenntgeschlechtlichen Organismen müssen es natürlich ein Weibchen und ein Männchen sein) und erfolgreich fortpflanzen können. Erfolgreich meint dabei, dass die Nachkommen sich wiederum uneingeschränkt fortpflanzen können müssen.

Löwe und Tiger können zwar miteinander gekreuzt werden, aber die Nachkommen sind unfruchtbar. Deshalb müssen beide nach dem Biospezieskonzept als getrennte Arten gelten.

Der größte Nachteil des biologischen Artbkonzepts ist, dass es bei Arten, die sich nicht sexuell vermehren, nicht angewendet werden kann, etwa bei Bakterien. Hier müssen daher andere Artkonzepte ran, etwa das physiologische Artkonzept oder das phylogenetische Artkonzept - aber das weiter auszuführen, würde den Rahmen hier sprengen.

Auf Menschen kann das biologische Artkonzept zum Glück angewendet werden. Und für die Fortpflanzung spielt die Hautfarbe einfach keine Rolle. Alle Menschen bilden eine Fortpflanzungsgemeinschaft, ergo gehören alle zur selben Art.

Deswegen würde es doch Sinn ergeben, Menschen biologisch zu unterscheiden ohne dabei welche über andere stellen zu müssen.

Es würde Sinn ergeben, wenn eine solche Unterscheidung möglich wäre. Tatsächlich aber gibt es keine biologische Begründung dafür.

Die Menschen sehen zwar sehr unterschiedlich aus. Diese Unterschiede sind aber nicht diskret, sondern graduell und deshalb ist eine eindeutige Unterteilung nicht möglich. Zwischen der schwarzen und der weißen Hautfarbe gibt es beispielsweise alle möglichen Zeischenschattierungen.

Und auch genetisch können wir den Menschen nicht in verschiedene Rassen teilen. Einmal ist der Mensch ohnehin genetisch extrem uniform: 99.9 % des Erbguts sind bei allen Menschen gleich. Um das mal zu vergleichen: bei Schimpansen ist der genetische Unterschied schon bei Mitgliedern, die in derselben Gruppe leben, größer.

Zum anderen ist die genetische Variabilität des Menschen innerhalb der Populationen größer als zwischen den Populationen. Heißt: die Individuen einer Population unterscheiden sich genetisch stärker voneinander als die Populationen sich voneinander unterscheiden. Als anschauliches Beispiel: in einem Dorf gibt es Blonde, Dunkelhaarige, Große, Kleine usw. Die Bewohner eines Dorfs sind also sehr verschieden. In einem anderen Dorf gibt es aber auch Blonde, Dunkelhaarige, Große, Kleine, ... sodass der Unterschied zwischen den Dörfern sehr klein ist.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Verschiedene nah verwandte Arten lassen sich zwar kreuzen, aber nicht fruchtbar kreuzen, d.h. die Nachkommen sind mehr oder weniger in ihrer Fruchtbarkeit eingeschränkt.

Die Artbildung ist auch, wie andere evolutionäre Vorgänge auch, ein allmählicher Prozess. Bei der Aufspaltung sind zuerst unfruchtbare Nachkommen zwischen verschiedenen Unterarten eine seltene Ausnahme, im weiteren Verlauf der Trennung wird das die Regel, fruchtbare Nachkommen werden zur Ausnahme.

Es gibt auch sog. Ringarten, die den Prozess verdeutlichen. Als Beispiel sind von 4 Unterarten A,B,C,D die Unterarten A mit B kreuzbar, auch B mit C und C mit D, aber nicht D mit A.

Du merkst, dass ich von Unterarten schreibe. Das ist der Begriff für Wildtiere, bei denen eine Art in deutlich unterscheidbare Populationen zerfällt. Das wäre auch, der Begriff, der auf Menschen anzuwenden wäre, wenn eine solche Einteilung angebracht wäre.

Die genetischen Unterschiede zwischen den Menschen sind aber zu gering, um von Unterarten zu sprechen. Außerdem spiegelt die klassische Rasseneinteilung keineswegs die Verwandtschaft wider. Man hat sich einfach ein Merkmal rausgepickt, die Pigmentierung, weil zu den Absichten passte.

Naja, früher hat es mal andere Arten der Gattung Homo gegeben, diese sind bis auf Homo sapiens ausgestorben. Das kommt gar nicht mal so selten vor, auch z.B. das Erdferkel ist der einzige Vertreter seiner Gattung (Orycteropus), in diesem Fall ist es sogar so, dass es der einzige Vertreter seiner Ordnung (Röhrenzähner) ist. Wir haben immerhin noch Arten, die einigermaßen eng mit uns verwandt sind - etwa Schimpansen und Bonobos.

Früher gab es noch "Kollegen" des Erdferkels, nämlich O. djourabensis und O. crassidens (diese beiden Arten sind aber ausgestorben).

Es gab mal unterschiedliche Menschenarten. Die sind aber alle Ausgestorben.

Heutige Menschen sind unglaublich eng genetisch miteinander verwandt und die Unterschiede minimal.

Die wenigen Merkmale, nach denen Du sortieren kannst gruppieren sich nicht gut genug. Also ja, es gibt eine Häufung von Laktoseintoleranz im asiatischen Raum und dunkler pigmentierter Hautfarbe im afrikanischen. Aber Du kannst nicht vom einen auf das andere schließen, es gibt laktose-intolerante dunkelhäutige Menschen, es gibt hellhäutige Menschen in Afrika die keine Milch vertragen, usw. eben weil die Merkmale in den Gruppen so divers verteilt sind und man keine eindeutigen Unterarten bilden kann... schon gar nicht über Artdefinitionen wie Fortpflanzung.

Und Rasse... gibt es schon mal gar nicht, daß ist ein Begriff aus der Tierzucht, nicht aus der modernen Biologie.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung