Ist ein verlangsamter Stoffwechsel (Hungerstoffwechsel) am Blutbild erkennbar?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Im BB (Blutbild) gar nicht. Aber es lässt sich anhand von anderen Blutwerten "erkennen".

Sobald sich der Hungerstoffwechsel eingestellt hat, muss der Körper ja die Energie aus Fetten (und auch aus Proteinen) gewinnen. Blut ist ein Transportmittel. Folglich erhöht sich der Fettsäurewert. Ab einem bestimmten Punkt werden darüber hinaus Ketonkörper gebildet, deren Konzentration dann natürlich auch erhöht ist. Die Ketonkörper senken übrigens den pH-Wert des Blutes (es wird "sauer"). Dadurch kann es sogar zu einer Ketoazidose kommen. Des weiteren sinkt oftmals der Blutzuckerwert. Das alles kann man durchaus messen.

Vermutlich verändern sich auch noch diverse Leberwerte => zentrales Stoffwechselorgan. Da bin ich mir jetzt aber nicht 100%ig sicher.

Solltest du längere Zeit hungern und dabei zu wenig Fleisch, Obst, Gemüse, Nüsse, etc. zu dir nehmen, dann bekommst du natürlich auch Mangelerscheinungen und/oder der Hb (Hämoglobin) sinkt (Anämie => weitere Werte könnten dann zur Diagnostik bestimmt werden).

Kurz gesagt: Ja, es ist erkannbar. Aber nicht im BB, sondern an anderen Blutwerten!

Ein BB enthält übrigens folgende Werte:

Kleines BB:

Zellzahlen der

  • Thrombozyten
  • Erythrozyten
  • Leukozyten

Hämoglobin

Hämatokrit

MCV

MCH

MCHC

Großes BB:

Kleines BB + Differenzierung der Zellen (Aussehen, Form, Spezialfärbungen, etc.)

stairwaytohell 
Fragesteller
 08.07.2020, 13:57

Wow, das nenne ich mal eine ausführliche, informative und qualifizierte Antwort! Vielen lieben Dank, dass du dir die Mühe gemacht hast, ich weiß das wahnsinnig zu schätzen! :-)

Ich befinde mich derzeit in den Anfängen einer Essstörung (etwa 5 Monate), mein Essverhalten ist seither relativ stark restriktiv. Ich habe allerdings erkannt, dass dieses Verhalten meinem Körper schadet (Ausbleiben der Periode, etc.) und möchte da wieder raus, bevor er größeren Schaden nimmt. Ich habe deshalb eine Ärztin konsultiert, die bei mir eine Blutuntersuchung durchgeführt hat - bis auf einen ganz leicht erniedrigten Eiweißwert und eine leicht verringerte Menge weißer Blutkörperchen ist bisher noch alles in Ordnung.

Bedeutet das, dass mein Körper bisher möglicherweise noch nicht allzu stark geschädigt wurde und eine Erhöhung der Nahrungsaufnahme das meiste "retten" kann? "Befinde" ich mich im Hungerstoffwechsel oder würden die Blutwerte dann anders aussehen?

0
MisterIXI  08.07.2020, 17:30
@stairwaytohell

Wo soll ich da nur anfangen...

1) Es ist gut, dass du deine Essstörung erkannt hast und dir auch Hilfe suchst.

2) Die leicht verminderten Werte deuten darauf hin, dass du zu wenig Protein (Eiweiß) zu dir genommen hast. Das ist jetzt erst einmal nicht so dramatisch, aber es ist auch nicht gerade gesund...

3) Wie stark dein Körper bereits unter dem Nahrungsmangel gelitten hat, kann ich dir pauschal nicht sagen. Weder kenne ich deine Blutwerte, noch habe ich deinen Körper gesehen. So kann ich natürlich keine Aussage darüber machen (will ich aber auch gar nicht). Des Weiteren bin ich zwar im Labor tätig, also "vom Fach", aber kein Arzt.

Die ausbleibende Periode ist aber durchaus bedenklich. Dies deutet darauf hin, dass dein Körper bereits erste Schäden genommen hat. Außerdem werden dir vermutlich noch andere Nährstoffe und Vitamine fehlen. Auch, wenn du jetzt noch keine allzu starken Symptome aufweist, musst du dringend anfangen etwas zu unternehmen! Sonst drohen wesentlich schlimmere Folgeschäden (entsprechende Seiten habe ich dir verlinkt).

4) Ja, ich denke, dass man deinen Körper noch "retten" kann. Aber du musst eine Therapie in Angriff nehmen. Das Problem bei einer Essstörung ist nicht nur der Körper, sondern auch die Psyche. Da du dein Problem alleine erkannt hast und dir darüber hinaus sogar bereits Hilfe gesucht hast, denke ich, dass man in deinem Fall noch sehr gut intervenieren kann. Aber du solltest schnellstmöglich damit anfangen. Je länger deine Essstörung unbehandelt bleibt, desto größer ist die Gefahr, dass sie später immer Stärker wird (Stichwort: Realitätsverlust/Körperschemastörung).

5) Meine persönliche Empfehlung wäre, dass du eine Therapie machst. Deine Ärztin kann dir ggf. mithilfe einer Überweisung weiterhelfen. Schlimmstenfalls gäbe es auch noch spezielle Kliniken für Patienten/Patientinnen mit einer Essstörung. Zusätzlich wäre über eine Ernährungsberatung nachzudenken. Zusätzlich zu der Therapie wohlgemerkt; nicht ausschließlich!

Links:

https://www.allgemeinarzt-online.de/a/anorexie-bulimie-binge-eating-zeitbombe-essstoerungen-1861241#:~:text=Hyponatriämie%20ist%20zumeist%20Zeichen%20einer,normaler%20Natriumzufuhr%20über%20die%20Ernährung.&text=Häufige%20pathologische%20Laborbefunde%20bei%20Magersucht,Blutbildveränderungen%20(am%20häufigsten%20Leukopenie)

https://www.netdoktor.de/krankheiten/magersucht/

https://www.netdoktor.at/krankheit/anorexie-magersucht-7456

usw.

Viel Erfolg und gute Besserung.

1
stairwaytohell 
Fragesteller
 09.07.2020, 12:03
@MisterIXI

Vielen vielen Dank! Es ist selten, dass man eine so ausführliche Antwort und Hilfestellung erhält. Danke dafür.

0