Ich kann Bedürfnisse nicht unterscheiden?
Wenn ich mit einem anderen Wesen (Mensch/Tier) eine engere Verbindung eingehe, scheint es so als könne ich nicht mehr unterscheiden, ob Bedürfnisse von mir oder vom anderen ausgehen. Ich spüre einen Wunsch/ein Bedürfnis als Ungleichgewicht und ich habe das unbedingte Bedürfnis dieses Ungleichgewicht wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Das macht mir dann so lange Druck, bis das Ungleichgewicht aufgelöst ist. Dann ist für mich alles wieder in Ordnung.
Mal ein Beispiel: wenn mein Kater das Bedürfnis hat, in meiner Nähe zu sein und mich morgens um 4 Uhr zu wecken, dann spüre ich diesen Wunsch auch dann, wenn ich ihn ausgesperrt habe um in Ruhe schlafen zu können. Selbst wenn ich ihn nicht hören kann, "weiß" ich, was er will und bin dann sozusagen sein Wunscherfüller. Ich MUSS auf ihn reagieren und wache wunschgemäß auf.
Bei Menschen ist es genauso. Angenommen ich hab zu jemanden einen näheren Kontakt aufgebaut und dieser hat nun den Wunsch mir auch körperlich näher zu kommen, dann gehe ich praktisch automatisch auf diesen Wunsch ein. Das geht sogar so weit, dass ich mir einbilde, dass ICH diesen Wunsch habe (was ich mit etwas mehr Abstand nicht unbedingt so sehe).
Das führt dann oft zu einem Widerspruch in mir: ich will die Wünsche des anderen erfüllen, damit es ihm gut geht (das ist für mich sehr wichtig und auch eine Art Befriedigung/Frieden). Gleichzeitig verdränge ich aber dabei meine eigenen Wünsche oder Vorlieben. Sie sind nicht mehr wichtig. Das führt dazu, dass ich innerlich immer gestresster oder trauriger werde und irgendwann die Schuld dem anderen gebe, obwohl es ja eigentlich MEIN Problem ist, wenn ich mich nicht abgrenze und dem anderen nicht sagen/zeigen kann, was ICH eigentlich will.
Jetzt frage ich mich: habe ich überhaupt eigene Bedürfnisse...oder ist mein einziges Bedürfnis, es immer meinem Gegenüber recht zu machen?
Ist das bei mir vielleicht so, weil ich Opfer von emotionalem/geistigen Mißbrauch war und in meiner Kindheit nur gelernt habe mich anzupassen (keine eigene Persönlichkeit zu haben)?
Was könnte ich tun um endlich meine eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen?
3 Antworten
Es hat mit deiner Erziehung in Kindheit zu tun . Du hast gelernt es anderen Recht zu machen nur nicht dir selber. Über deine Frage freue ich mich denn ich habe dieses Thema nie so in Worte fassen können sondern nur gefühlt erkannt und mich gefragt warum und wie ändern . Es ist dein Gewissen was dich quält, wenn du wieder für dich entschieden hast und nun dich schlecht fühlst Anderen gegenüber. Wenn du dir eingestehst und zugestehst, das du es wert bist, dann ist das eine hilfe mal für sich zu entscheiden und sich dabei gut zu fühlen bzw es geniessen können. ich habe es verdient... ich bin es mir wert ... stelle dich auf eine ebene mit den anderen und nicht hintenan, es sei dir ein Bedürfnis anderen zu helfen - genauso wie dir selbst, denn ohne dass du dir selbst helfen kannst, kannst du auch anderen nicht helfen. du hast ein recht darauf dich ebenso wichtig zu nehmen ohne gedanken zu machen. und tue es bevor du dich verlierst. am besten du schreibst es auf wann du zweifel bekommst und dich selbst verleugnest dann kannst du erkennen ob es besser wird und wo du dich mehr annehmen kannst als du es tust.
Gerne geschehen und ich freue mich wenn dir durch meine schlechten Erfahrungen und daraus entstandenen Einsichten geholfen werden kann. Mir erging es nicht anders und irgendwie arbeitet man an diesen Fakt eigentlich immer gegen seine eigene erworbene Art und deshalb kann es auch dauern - aber es lohnt sich um deiner selbst willen. Du hast bestimmt den gleichen willen wie ich und du wirst es schaffen habe geduld mit dir und liebe auch deine Fehler - sie bringen dich voran , wenn du bereit bist an ihnen zu wachsen und das bist du. Freut mich riesig für dich. Falls noch nötig helfe ich gerne weiter. Sonst alles Gute!
Ist das bei mir vielleicht so, weil ich Opfer von emotionalem/geistigen Mißbrauch war und in meiner Kindheit nur gelernt habe mich anzupassen (keine eigene Persönlichkeit zu haben)?
Das spielt sicher eine Rolle. Hol dir psychologische Hilfe, denn was du schilderst, ist sehr ungewöhnlich und sicher auch extrem belastend für dich.
Ja, ist echt extrem, weil ich praktisch zu wenig ICH sein kann...
Es ist dein gutes Recht Du selbst zu sein. Es ist sogar nicht nur dein Recht, sondern sogar deine "Pflicht".
"Seien Sie einmal im Leben Egoist: Wenn es um Ihre eigene Gesundheit geht." Bruno Gröning
"Wer nicht hilft, benachteiligt andere, wer hilft, benachteiligt sich selbst. Ist man sich dieses Dilemmas nicht bewusst, stirbt die Seele. Hat man sich davon befreit, ist sie unsterblich." Anthony de Mello
Die meisten Menschen befinden sich mehr oder weniger noch in diesem Dilemma. Der erste Schritt ist, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln und dann den oberen Satz anzuwenden: Alles was ich für meine eigene Gesundheit brauche, geht vor.
Also:
Um vier Uhr morgens brauche ich Schlaf, und da hat mein Kater nichts in meinem Bett zu suchen.
Körperliche oder emotionale Nähe lasse ich nur zu, wenn es auch gut für mich ist.
Handelst du dem zuwider, schadest du dir selbst und dem anderen.
Danke für diesen Kommentar. Das hilft mir sehr!
Meinst du, dass helfen grundsätzlich schlecht ist? Schadet denn jedes Helfen?
Im Gegenteil: Helfen ist etwas Wunderbares.
Man soll sich nur zuerst um seine eigene körperliche und seelische Gesundheit kümmern, um dann umso mehr helfen zu können.
Wenn man seine eigenen Bedürfnisse übergeht, ist Helfen kraftlos. Es laugt dich aus und macht den anderen abhängig von dir.
Du bist dann wie eine Puppe für den anderen, die dafür da ist, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Damit tust du dir selbst und dem anderen Unrecht. Du lässt zu, dass du ausgesaugt wirst und du verhinderst gleichzeitig die Entwicklung des anderen, weil du ihm immer nur gibst, was er will und nicht, was er wirklich braucht.
Du hilfst dann in Wirklichkeit nicht, um dem anderen zu helfen, sondern nur, damit du ihn "zufrieden" siehst, und er dich weiterhin braucht. Das ist ungefähr so, wie wenn du einem Alkoholiker "hilfst", in dem du ihm Bier besorgst. Du machst dich dann im Moment zwar beliebt, aber eigentlich haltest du diesen Menschen in der Alkoholabhängigkeit fest, weil es für dich der "einfachste" Weg ist. Du sicherst dir die "Zuneigung" eines Menschen, in dem du die Sucht bedienst. Du brauchst nichts zu tun, außer für genug Alkohol zu sorgen und schon "mag" er dich.
Echte Hilfe ist viel anstrengender: Du musst dafür auf billig erkaufte "Zuneigung" verzichten. Du müsstest dem anderen unmissverständlich klar machen, dass du ihn nicht mehr länger in der Sucht unterstützt. Damit riskierst du natürlich, seine Zuneigung zu verlieren.
Und genau das ist das Schlimmste für jemanden, der seine eigenen Bedürfnisse vernachlässigt. Er saugt den anderen genauso aus, wie er selbst benutzt wird.
In den Büchern des Psychologen Hans-Joachim Maaz sind diese Mechanismen sehr gut beschrieben.
Also: Uneigennütziges Helfen ist das Größte, was ein Mensch tun kann. Aber das gelingt nur, wenn es einem selbst gut geht. Dafür muss man seine eigenen Bedürfnisse erkennen und ernst nehmen. Sonst ist das nur ein gegenseitiges Aussaugen des anderen.
Liebe Grüße :)
Wow...das was du da schreibst ist so weise. Ich danke dir sehr dafür. Man merkt, dass du dich selbst intensiv damit auseinander gesetzt hast.
Wir können dir natürlich tipps und tricks geben aber das klingt eher nach etwas, was stark in deiner psyche verankert ist. Sprich bitte mit einem psychologen darüber. Der kann dir sicherlich helfen. Das ist echt ein Problem denn Menschen werden dich ausnutzen sobald sie merken dass du nur gibts und nie nimmst
Vielen Dank für deine Antwort! Ja, es stimmt. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich egoistisch für mich entscheide statt es dem anderen recht zu machen. Das ist nicht leicht sich da umzugewöhnen, aber ich bleibe dran. Die Idee mit dem Aufschreiben finde ich gut.