Geschlechter?

6 Antworten

Der Begriff "Geschlecht" hat verschiedene Bedeutungen. Davon wird es abhängen, wieviele es davon gibt.

Biologisches Geschlecht

Das ist die Art von Geschlecht, die in Aussagen wie den folgenden vorkommt.

  • Ein Hahn ist ein männliches Huhn
  • Die geschlechtliche Fortpflanzung macht Arten anpassungsfähiger
  • Ein erwachsener, männlicher Mensch ist ein Mann
  • Bei Seepferdchen werden die Männchen trächtig
  • Clownfische können ihr Geschlecht von männlich zu weiblich ändern
  • Marihuana wird aus Blüten der weiblichen Hanfpflanze gewonnen.
  • Die meisten anderen Blütenpflanzen sind allerdings Zwitter. Das heißt, eine einzige Pflanze trägt sowohl weibliche als auch männliche Blüten.

Worauf sich das Geschlecht in allen diesen Aussagen bezieht, das sind (Größen)unterschiede in den Keimzellen der Organismen (Anisogamie). Hiebei werden die Organismen, welche darauf angelegt sind, die kleineren Keimzellen (Spermien, Pollen) produzieren männlich genannt. Diejenigen Organismen, welche darauf angelegt sind, die größeren Keimzellen (Eizellen) produzieren, weiblich genannt:

To a biologist, "male" means making small gametes, and "female" means making large gametes. Period! By definition, the smaller of the two gametes is called a sperm, and the larger an egg. Beyond gamete size, biologists don't recognize any other universal difference between male and female.

Roughgarden, J. (2013). Sex versus Gender. In Evolution’s Rainbow: Diversity, Gender, and Sexuality in Nature and People. University of California Press.

Joan Roughgarden ist Prof. em. für Biologie, Editorin mehrerer Fachjournale für Biologie und selbst eine Trans-Frau. Das zitierte Buch von ihr beschäftigt sich über 500 Seiten mit der Vielfalt der Geschlechter in Tier- und Pflanzenwelt sowie der menschlichen Gesellschaft.

Es gibt also innerhalb einer Art immer nur zwei Geschlechter. Wobei bei vielen Arten ein Organismus beide Geschlechter hat. Eine einzelne Wassermelonenpflanze beispielsweise bildet zugleich männliche und weibliche Blüten aus.

Dieses und andere Probleme, die biologischen Geschlechter zu definieren werden in diesem Artikel dargestellt:

Rifkin, Maximiliana Jewett & Garson, Justin (2023). Sex by design: a new account of the animal sexes. Biology and Philosophy 38 (2):1-17.

Grammatikalisches Geschlecht

Englisch "gender", deutsch "Genus"

Im deutschen und englischen werden drei Genus unterschieden: weiblich, männlich, neutral (she, he, it / die, der, das). Im Spanischen zwei (el, la)

Im deutschen geht es dabei allerdings ziemlich durcheinander und biologisches und grammatikalisches Geschlecht stimmen regelmäßig nicht überein: Die Frau, der Mann, das Mädchen, die Person, der Mensch, das Individuum, der Tisch, der Mond, die Sonne… Der Diminutiv ist immer neutral: Das Männchen, das Weibchen, das Knäblein, das Tischlein…

Personenstandsregister

Dort gibt es drei mögliche Geschlechtseinträge: weiblich, männlich, divers. Außerdem besteht die Möglichkeit, den Eintrag leer zu lassen. Divers ist nicht mit "intersexuell" gleichzusetzen. Siehe dazu auch weiter unten.

Geschlechtsmerkmale

Primäre Geschlechtsmerkmale sind diejenigen Unterschiede zwischen den zwei (biologischen) Geschlechtern einer Art, welche direkt der Fortpflanzung dienen. Beim Menschen sind dies Eierstöcke, Eileiter, Gebärmutter, oberer Anteil der Scheide, Vulva bzw. Hoden, Nebenhoden, Samenleiter, Bläschendrüse, Prostata, Penis. Diese sind, wenn keine DSD (disorder of sex development / Störung der Geschlechtsentwicklung) vorliegt eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen.

Sekundäre und tertiäre Geschlechtsmerkmale dienen nicht unmittelbar der Fortpflanzung oder sind unbedeutend für die Fortpflanzung. Beispiele sind die Brustdrüse, Beckenform, Knochendichte, Körpergröße, Lungenvolumen, Verhalten, Behaarung. In diesen Merkmalen gibt es zwar statistische Unterschiede zwischen den zwei Geschlechtern. Es gibt aber keine scharfe Trennung zwischen den Geschlechtern in der Merkmalsausprägung: Männer sind im Durchschnitt größer als Frauen. Es gibt auch Frauen, die größer als 180cm sind und Männer, die kleiner als 160cm sind.

Störungen der Geschlechtsentwicklung

Oft werden irrtümlicherweise Störungen der Geschlechtsentwicklung angeführt als Beispiel dafür, dass es auch Menschen gäbe, die keinem bzw. einem dritten biologischen Geschlecht zuzuordnen wären. Oft wird hierfür der veraltete und irreführende Begriff "Intersexualität" gebraucht. Siehe hierzu das Consensus Statement der Lawson Wilkins Pediatric Endocrine Society und der European Society for Paediatric Endocrinology aus 2006:

Advances in identification of molecular genetic causes of abnormal sex with heightened awareness of ethical issues and patient advocacy concerns necessitate a re-examination of nomenclature. Terms such as intersex, pseudohermaphroditism, hermaphroditism, sex reversal, and gender based diagnostic labels are particularly controversial. These terms are perceived as potentially pejorative by patients, and can be confusing to practitioners and parents alike.

Der Begriff "intersex" suggeriert, betroffene Menschen wären inter, also zwischen den Geschlechtern, einzuordnen. Dies trifft in manchen Fällen tatsächlich auf einige Geschlechtsmerkmale zu, betrifft jedoch nie das eigentliche biologische Geschlecht, also die Keimdrüsen (Gonaden) oder Keimzellen, wie auch diese wissenschaftliche Stellungnahme der endocrine society betont:

The classical biological definition of the 2 sexes is that females have ovaries and make larger female gametes (eggs), whereas males have testes and make smaller male gametes (sperm); the 2 gametes fertilize to form the zygote, which has the potential to become a new individual. The advantage of this simple definition is first that it can be applied universally to any species of sexually reproducing organism. Second, it is a bedrock concept of evolution, …

Bhargava A, Arnold AP, Bangasser DA, Denton KM, Gupta A, Hilliard Krause LM, Mayer EA, McCarthy M, Miller WL, Raznahan A, Verma R. Considering Sex as a Biological Variable in Basic and Clinical Studies: An Endocrine Society Scientific Statement. Endocr Rev. 2021 May 25;42(3):219-258.

Die endocrine society ist Fachgesellschaft für Endokrinologie, also ein medizinisches Fachgebiet, welches besonders mit DSDs / "Intersexualität" beschäftigt.

Betroffene Menschen selbst sehen sich ebenfalls fast immer als männlich oder weiblich und nicht als "zwischen den Geschlechtern". Nicht immer entspricht diese Selbsteinordnung (gerechtfertigterweise) dem eigentlichen biologischen Geschlecht. Gerade für diese Menschen ist es sehr hilfreich, dass auf der Geburtsurkunde bzw. auf dem Pass auch eine dritte Option "divers" möglich ist, die keine Festlegung auf ein Geschlecht erfordert.

Gender / soziales Geschlecht

Der Begriff Gender wird häufig als Gegenstück zum biologischen Geschlecht gebraucht und soll ein soziales Geschlecht bezeichnen. Hierunter fällt ein weites Spektrum an geschlechtsbezogenen Verhaltensweisen (Geschlechterrollen, Geschlechtspräsentation wie Kleidung, Frisur, Makeup, …), geschlechtsbezogene Erwartungen, Geschlechtsidentität, geschlechtsbezogene Prägungen, geschlechtsbezogene Diskriminierung, …

Was in diesem Kontext geschlechtsbezogen heißt oder heißen sollte ist Gegenstand aktueller akademischer Arbeiten und öffentlicher Diskussion. Hiervon wird es letztlich abhängen, wie viele verschiedene "Gender" es gibt.

Einen Überblick über Arbeiten zu dem Thema gibt Bogardus, Tomas (2022). Why the Trans Inclusion Problem cannot be Solved. Philosophia 50 (4):1639-1664.

Insbesondere der Begriff Gender, aber auch Geschlecht, Mann, Frau, sind inzwischen so umstritten, dass man mit ihnen nicht mehr verständlich kommunizieren kann. Sie sollten gemieden werden und stattdessen klar definierte Begriffe wie biologisches Geschlecht, Geschlechtspräsentation, -rolle, -merkmale, -identität, Männchen, Weibchen, … verwendet werden.

Wieviele Geschlechter gibt es nun also?

Ich halte mich an das biologische Geschlecht im engen Sinne. Das ist klar definiert, verständlich und für viele Fragen im sozialen Zusammenleben irrelevant: Ob sich jemand Rock oder Hosen anzieht, auf die Männer- oder Damentoilette geht, sich Sara, Paul oder Robin nennt, das hat alles nichts mit den Keimzellen zu tun, die er produziert. Hier gibt es zwei Geschlechter. Alles, was darüber hinausgeht, ist sozial / kulturell konstruiert und es gibt folglich auch keine allgemeingültige richtige oder falsche Antwort.

Bitte die Suchfunktion nutzen, diese Frage wird gefühlt ein dutzend mal pro Tag gestellt.

Ich zitiere mal aus einer alten Antwort:

Also, zum einen solltest du zwischen sozialen (gender) und biologischen (sex) Geschlecht unterscheiden, um das Problem näher zu betrachten und beim biologischen Geschlecht müsstest du zudem zwischen Genetik (also der Gonosom Kombination) und biologischen Geschlecht (die körperlichee Ausprägung) unterscheiden.
Um es ganz kurz zu machen, gender ist ein psychologische und soziales Phänomen, es gibt Theorien, die hier mit mehr Geschlechtern als bei dem binären Konzept arbeiten.
In der Genetik existieren mehrere Gonosom Kombinationen (tatsächlich sind sogar Embryos ohne Gonosom lebensfähig) und es ist auch möglich, dass eine Person mehr als zwei Gonosomen hat, manchen dieser Kombinationen ist ein spezifisches Krankheitsbild zugeordnet (z.B. Klinefelter-Syndrom oder Turner Syndrom). Grundsätzlich lässt sich sagen: Nur XX und XY können potentiell fertile Nachkommen erzeugen es existiert aber eine Vielzahl an möglichen und lebensfähigen Kombinationen. Die Geschlechterausprägung ist ebenfalls bedingt unabhängig, Existiert ein Y-Chromosom wird die Person männliche Geschlechtsteile ausprägen, sonst weibliche.
Beim biologischen Geschlecht (also der körperlichen Ausprägung) existieren im Prinzip nur zwei Geschlechter: Weibliche und männliche Ausprägung, es kann jedoch zu auch Pseudo-Hermaphroditismus kommen, dieser hat erstmal nichts mit Geschlechter-Chromosomen zu tun. Hier hat die Person Ausprägungen, die äußerlich an beide Geschlechter erinnern (tatsächlich ist von den inneren Organen aber nur ein Geschlecht ausgeprägt).
Zu deiner eigentlichen Frage:
Es existieren grundsätzlich zwei Betrachtungsweisen: Die erste besagt, dass irreguläre Abweichung Krankheitsbilder sind und nicht die binäre Definition erweitern. Dazu gibt es auch Analogien: Die wenigsten Menschen würden z.B. sagen, dass die Anzahl der Finger und Zehen ein Spektrum sind. Es sind fünf.
Tatsächlich gibt es aber die Polydaktylie Anomalie, bei der Menschen mehrere Glieder haben (meist sechs) und diese kommt sogar häufiger vor als Pseudo-Hermaphroditismus oder das Klinefelter-Syndrom, d.h. hier betrachten wir die Abweichung als Störung oder Krankheit.
Die zweite Betrachtungsweise ist, dass jede Abweichung Teil der biologischen und genetischen Vielfalt ist, nur halt sehr selten. Diese Betrachtungsweise schützt v.a. betroffene Individuen vor dem Stigmata der Anomalie.
Welche Betrachtungsweise du vorziehst ist dein Bier aber man sollte zumindest wissen, dass beide existieren und was die biologischen Hintergründe dafür sind. Und ein schlichtes 'stimmt nicht' ist in jeden Fall falsch.

Mayahuel  08.05.2023, 17:32
diese Frage wird gefühlt ein dutzend mal pro Tag gestellt.

Ja.

Aber man will die Antwort nicht für sich selbst, sondern das Thema immer wieder hochbringen.

2
Osbejriekfbkf  08.05.2023, 17:48
diese Frage wird gefühlt ein dutzend mal pro Tag gestellt.

Wie groß ist euer Penis *hust *hust

1

2: Männlein und weiblein

Wenn man Zwitter noch zählen lässt: 3

Guten Tag TomStiefel,

biologisch gesehen gibt es 2 Geschlechter und zwar Mann und Frau. Geschlechtliche Fortpflanzung: Eizelle (weiblich) + Spermium (männlich) = neuer Mensch.

Dann gibt es da noch eine ganz kleine Minderheit, bei der eine eindeutige biologische Zuordnung nicht möglich ist. Diese Menschen nennt man Intersexuelle. Intersexuelle Menschen sind Menschen mit fehlgebildeten Geschlechtsorganen. Sie stellen eine Mischung aus männlich und weiblich dar. Da diese Menschen nicht zwangsoperiert und zwangsangepasst werden sollen, haben deutsche Intersexuelle seit einigen Jahren das Recht im Pass für ihr Geschlecht die 3. OPTION auszuwählen. Der deutsche Gesetzgeber spricht aber NICHT von einem "3. Geschlecht". Dieser Begriff des "3. Geschlechts" ist inhaltlich falsch.

Neben dem biologischen Geschlecht hat jeder Mensch auch ein soziales Geschlecht (Gender). Das Thema des sozialen Geschlechts ist etwas komplizierter und umfangreicher als das des biologischen Geschlechts. Bei den meisten Menschen stimmen das soziale und das biologische Geschlecht überein und bilden so eine Einheit, die von anderen als eindeutig männlich oder eindeutig weiblich wahrgenommen werden. Wenn das soziale Geschlecht vom biologischen Geschlecht abweicht, kann Transsexualität vorliegen.

Mit freundlichen Grüßen

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich kenne mich aus. ⚖️