Erreicht ein Kaffee jemals Raumtemperatur?

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Mit dieser Frage berührst du die theoretischen bzw. wissenschaftsphilosophischen Grundlagen der Physik und daher muss ich für die Beantwortung etwas ausholen.

Zunächst mal ist es so, dass in der Wirklichkeit des Universums alles mit allem zusammenhängt und sich viele unterschiedliche physikalische Effekte überlagern. Niemals wären wir mit unserem beschränkten Geist bzw. auch durch die prinzipiellen Grenzen der Erkenntnisfähigkeit in der Lage, die Wirklichkeit vollständig und absolut exakt zu erfassen. Wir können immer nur Ausschnitte der Wirklichkeit betrachten, indem wir uns ein Modell bauen, das einen bestimmten Ausschnitt hinreichend genau beschreibt. Jede Modellbildung geht dabei von einer vom Universum isolierten Betrachtungsweise aus, indem Effekte, die keine wesentliche Rolle spielen, vernachlässigt werden.

Einfaches Beispiel für eine solche Modellbildung ist der freie Fall. Mit dem Modell des freien Falls können wir bestimmte Vorgänge hinreichend genau mathematisch beschreiben. Dabei betrachten wir einen fallenden Körper isoliert von anderen Einflüssen als der Schwerkraft der Erde und es werden z.B. der Luftwiderstand oder der gravitative Einfluss des restlichen Universums vernachlässigt. Bei jeder Modellbildung muss man daher auch überlegen, ob die Faktoren, die man bei der Betrachtung ausschließt, auch wirklich klein genug sind, um sie vernachlässigen zu dürfen. Betrachten wir z.B. den Fall einer Feder oder eine Eisenkugel bei extrem hohen Geschwindigkeiten, stößt das Modell des freien Falls schon an seine Grenzen und es darf nicht mehr angewendet werden. Innerhalb eines jeden Modells muss, angewendet auf die Wirklichkeit, also immer die Frage nach den Grenzen der Anwendbarkeit und letztlich auch die Frage der Messgenauigkeit gestellt werden. Liegt der Einfluss der ausgeschlossenen, also vernachlässigten Faktoren, unterhalb der Messgenauigkeit, spricht nichts dagegen, mit diesem Modell zu arbeiten. Machen sich jedoch die ausgeschlossenen Faktoren im Messergebnis bemerkbar, muss man sich fragen, mit welcher Näherung bzw. Ungenauigkeit man leben will und kann. Überschreiten die Ungenauigkeiten die Grenze, die man bereit ist zu tolerieren, bleibt einem nichts anderes übrig, als das angewendete Modell zu erweitern oder zu verfeinern.

Nun konkret zur Temperatur. „Temperatur“ ist eine Modellbildung, die aufgrund ihrer Definition nur auf Systeme angewendet werden darf. Diese Systeme müssen groß genug sein, dass das Prinzip der großen Zahl nach Ludwig Boltzmann zutrifft. Das Prinzip der großen Zahl sagt aus, dass wenn ein System groß genug ist, die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Teilchen in einem System sich im statistischen Mittel ausgleichen, sodass sich auf der makroskopischen Ebene ein einheitlicher konstanter Wert messen lässt, den wir Temperatur nennen.

Thermodynamisch ist „Temperatur“ definiert als:

„Zwei Systeme im thermodynamischen Gleichgewicht haben dieselbe Temperatur. Systeme, die sich nicht im thermodynamischen Gleichgewicht stehen, haben verschiedene Temperaturen.“

„Thermodynamisches Gleichgewicht“ bedeutet dabei, dass keine Energie zwischen den beiden Systemen, die man vergleicht, ausgetauscht wird. Um Temperatur zu messen, braucht man also zwei Systeme. Das eine System ist das zu messende System, also z.B. die Kaffeetasse oder der Raum, in dem sie steht, das zweite System ist ein Thermometer. Sobald am Thermometer keine Veränderung seines Energiegehaltes mehr gemessen werden kann, befindet er sich im thermodynamischen Gleichgewicht mit der Kaffeetasse bzw. dem Raum. Misst man also in der Praxis mit einem bestimmten Thermometer dieselbe und unveränderte Temperatur im Raum und in der Kaffeetasse, haben sie per Definitionem auch dieselbe Temperatur.

Nun gehen wir gedanklich einen Schritt weiter und lösen uns von der Temperatur, die mittels eines Systems „Thermometer“ gemessen wird, und lassen somit auch das Prinzip der großen Zahl hinter uns. Dann können wir uns fragen, ob es irgendwann einen Zustand gibt, bei dem die Kaffeetasse keine Energie mehr an die Umgebung abgibt, ihr Energiegehalt also konstant bleibt? Dann könnte man theoretisch auch von einer „exakt“ gleichen Temperatur reden unabhängig davon, ob sie sich auch messen lässt oder nicht.

Dazu müssen wir nun den Energieaustausch zwischen Kaffeetasse und Raum betrachten. Die e-Funktion der Abkühlung beruht auf dem Modell, dass wir ausschließlich den Energietransport durch die Wärmeübertragung von der Kaffeetasse zur Raumluft betrachten. Ist der Temperaturunterschied zwischen beiden groß genug, ist das auch zulässig. Andere Faktoren können vernachlässigt werden. Dieses Modell findet aber seine Grenzen, wenn die Temperaturunterschiede sehr klein werden. Dann ist es nicht mehr zulässig, diese e-Kurve bis auf 0 weiterzudenken, weil dann andere physikalische Vorgänge aus dem Bereich der Quantenphysik die Wärmeübertragung merkbar überlagen.

Neben einer Energieabgabe durch Wärmeübergang findet stets auch eine Energieabgabe durch die Plancksche Strahlung statt. Die Tasse gibt Wärmestrahlung im Infrarotbereich ab. Würde sie sich im freien Universum im Vakuum befinden, fände überhaupt kein Wärmeübergang mehr statt, die e-Kurve wäre völlig hinfällig. Sie würde dann solange Wärmestrahlung ins Universum abgeben, bis sie sich auf die Temperatur der Hintergrundstrahlung von rund 2,7 Kelvin abgekühlt hätte. Das aber auch nur, wenn sie gegen jegliche Wärmestrahlung irgendwelcher Sonnen abgeschirmt ist, denn deren Wärmestrahlung würde sie aufnehmen und dementsprechend etwas wärmer werden.

Wenn die Tasse aber in einem Raum steht, spielt die Temperatur der Raumluft für die Wärmestrahlung keine Rolle, dann ist für den Energieaustausch die Temperatur der umgebenden Raumwände maßgeblich. Der Wärmestrom Q(punkt), den die Tasse dann abgibt berechnet sich nach dem Planckschen Strahlungsgesetz zu:

Q(punkt) = ε * σ * A * (T1^4 - T2^4)

ε = Emissionsgrad, der von der Oberfläche der Tasse abhängt und zwischen 0 und 1 liegt

σ: Stefan-Boltzmann-Konstante

A: Oberfläche der Tasse

T1: Temperatur der Tasse

T2: Temperatur der Raumwände

Mit dieser Funktion kann man sozusagen eine neue Abkühlungskurve aufgrund der Wärmestrahlung erstellen, die die Abkühlungskurver des Wärmeüberganges überlagert. Aber auch die darf man nicht bis auf 0 weiterdenken. Jetzt kommt nämlich die Quantelung der Energie ins Spiel.

Energie kann nur in Energieportionen übertragen werden, den sogenannten Quanten. Energie lässt sich also nicht beliebig teilen, spätestens wenn die zu übertragende Energie den Wert eines Quantums erreicht, ist mit der weiteren Unterteilung Schluss. Die Größe eines Quantums hängt von der Frequenz der Strahlung ab und die Frequenz der Wärmestrahlung hängt wiederum von der Temperatur des Strahlers, also der Kaffeetasse ab. Es gilt für die Berechnung eines Quantums, also der kleinstmöglichen durch Strahlung übertragbaren Energieportion ΔE:

ΔE = h * f

f = Frequenz der Wärmestrahlung

h = Plancksches Wirkungsquantum

Sobald sich die Kaffeetasse also soweit abgekühlt hat, dass nach obiger Formel Q(punkt) kleiner als ΔE wird, ist mit einer weiteren Abkühlung Schluss. Dann gibt sie genauso viele Quanten an die Raumwände ab, wie sie von den Raumwänden durch Strahlung aufnimmt. Ihre Temperatur schwingt dann ständig, je nachdem, wie die Quanten gerade hin und her springen (Quantenfluktuation) um einen extrem kleinen Betrag um den Temperaturwert herum, der der Temperatur der Raumwände entspricht, die aber ebenfalls im Bereich der Quantelung nicht konstant sind. Wenn wir zusätzlich davon ausgehen, dass die Lufttemperatur der Wandtemperatur entspricht, kann man also feststellen, es wird defintiv in endlicher Zeit ein Zustand erreicht, wo sich die Kaffeetasse im thermodynamischen Gleichgewicht mit dem umgebenden Raum befindet, da die Energieniveaus im Rahmen der Quantelung ausgeglichen sind. Die Tasse gibt keine weitere Energie mehr ab. Thermodynamisches Gleichgewicht bedeutet aber laut Definition ganz oben, sie haben auch dieselbe Temperatur.

Wann dieser Zeitpunkt erreicht ist, ließe sich mit obigen Formel ausrechnen. Man bräuchte zusätzlich nur noch den Energiegehalt der Tasse nach der Formel

ΔU = m * c * ΔT zu ermitteln. Dann kann man ansetzen:

ΔU = Q(punkt) * t für ΔU > ΔE

Das ganze ergäbe ein Gleichungssystem von Differentialgleichungen, das aber lösbar wäre.

Zusammenfassung: Durch die Quantelung der Energie ergibt sich in endlicher Zeit ein Zustand, bei dem die Temperaturen von Tasse und Raum dieselben sind, da die Summe aller hin und her übertragenen Quanten = 0 ist.

Der Theorie nach nein.

Der Praxis nach ja, denn es wird irgendwann kein Unterschied mehr Messbar sein.

Jeder Prozess in der Natur wird von einem Rauschen beeinflusst. Die Temperatur selbst ist ja nur ein Maß für die Mittlere Teilchenenergie einer Substanz. Durch das Rauschen kann es aber zB sein, dass sich immer kleine Temperaturschwankungen im Raum ausbreiten, obwohl von außen weder Energie zu noch abgeführt wird.

Selbiges gilt auch für den Kaffee, es wird immer kurzeitig etwas Wärme Punkte geben als andere, man kann also sagen die Temperatur ist angeglichen wenn die Unterschiede der Temperatur in der Größenordnung dieses natürlichen Rauschen sind.

Sollte man jetzt an die Temperatur als Mittelwert im gesamten Kaffee denken, so muss ma bedenken, dass die Mittelwertbildung das Rauschen erst eliminieren kann wenn unendlich viele Werte gemittelt werden. Um unendlich viele Momentanwerte zu mitteln würde man aber auch unendlich lange warten müssen. In so fern muss man sich einfach damit abfinden, dass jeder Wert immer einer gewissen Unsicherheit unterliegt.

Thermodynamische Zustände schwanken sowieso immer ein bisschen. Der Kaffee erreicht irgendwann etwa die Raumtemperatur, er ist dann immer zufällig ein bisschen drüber oder drunter, Temperatur an sich wird ja durch chaotische Vorgänge (Teilchenbewegung) charakterisiert.

Bei Kaffee aus Arabica Bohnen wird nach ca. einer Stunde die exakte Raumtemperatur erreicht, hingegen hat Kaffe aus Robusta Bohnen die Eigenart immer die Temperatur des Pausenraums der Rösterei zu erreichen in der die Bohnen geröstet wurden. Wie es sich bei Mischungen verhält wurde noch nicht ausreichend erforscht.


Orange1805  09.01.2018, 23:28

hahahahah ich glaube das ist totaler Bullshit. Chemisch betrachtet ist Kaffee Kaffee oder nicht?

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hehennator  09.01.2018, 23:37

von der temperatur des pausenraums der rösterei , aha die rösten allso auch im pausenraum troll levl -20

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theoretisch nein - wenn man nur die Angleichung der Temperatur betrachtet. Praktisch wird aber bei einer offenen Kaffetasse über dem Kaffe durch Verdunstung Wärme entzogen so daß man sich vorstellen könnte, daß die Temperatur unter die Umgebungstemperatur fällt.


Hamburger02  10.01.2018, 11:16

Wie schriebst du neulich mal? Wenn man keine Ahnung hat, sollte man lieber schweigen. Durch die Quantelung der Energie ergibt sich sehr wohl in endlicher Zeit ein thermodynamisches Gleichgewicht und damit auch dieselbe Temperatur. Siehe meine nähere Begründung oben.

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Viktor1  10.01.2018, 11:37
@Hamburger02
Durch die Quantelung der Energie ergibt sich sehr wohl in endlicher Zeit ein thermodynamisches Gleichgewicht

Ja - in einem abgeschlossenem System mag das zutreffen wobei noch nicht geklärt ist inwieweit dies für seperate unterschiedliche Energieträger zutrifft und wann Ende der "endlichen Zeit" festgestellt (gedacht !) wird. Irgendwann wird wohl keine Temperaturdifferenz mehr messbar sein.

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Hamburger02  10.01.2018, 12:38
@Viktor1

Eine Kaffeetasse in einem geschlossenen Raum ist ein geschlossenes System.

Die Plancksche Wärmestrahlung zwischen Kaffeetasse und Raumwänden muss nicht mehr geklärt werden, ebenso nichts betreffs des Energieträgers Wärmestrahlung. Da liegt alles auf dem Tisch.

Die endliche Zeit ist dann erreicht, wenn ∆U < ∆E erfüllt ist. Diese Zeit lässt sich berechnen.

Das ganze beruht auf theoretischen Überlegungen, die von einer Messung oder gar Messbarkeit völlig unabhängig sind.

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Viktor1  10.01.2018, 12:45
@Hamburger02

mit Energieträger meine ich nicht Energieüberträger sondern das energie tragende Medium.

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Franky1112  14.01.2018, 22:19

Die Verdunstung kann zur weiteren Abkühlung führen und in der Praxis ist keine Raumtemperatur konstant - nicht nach Stunden und schon gar nicht nach 10 Jahren.

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