Darf man ohne schwerbehindertenausweis im behindertenwerkstatt arbeiten?

5 Antworten

In einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung erreicht man als behinderter Mitarbeiter (Mensch mit Werkstattvertrag) ein monatliches Arbeitsentgelt von insgesamt durchschnittlich 220 €. Das macht bei einer 38-Stunden-Woche einen Stundenlohn von 1,46 €.

Quelle: Der Stundenlohn in Behindertenwerkstätten – Bloß moralisch bedenklich oder sogar verfassungsrechtlich problematisch? › JuWissBlog

Nur ca. 1 % der Mitarbeiter in Behindertenwerkstätten schafft den Wechsel in den ersten Arbeitsmarkt.

Der Grund ist, dass die Behindertenwerkstätten wirtschaftlich arbeiten müssen. Leistungsstarke Mitarbeiter, die es eigentlich auf dem ersten Arbeitsmarkt schaffen könnten, werden absichtlich nicht weitervermittelt. Sie werden ausgebeutet und müssen für ihre Kolleg*innen mitschuften, die aufgrund ihrer Behinderung derart unproduktiv sind, dass ihre Betreuung durch Meister und pädagogisches Personal teurer ist als der Ertrag aus ihrer Arbeit.

Der wirtschaftliche Ertrag, den die leistungsstarken Mitarbeiter erzielen, und den die Kunden (z. B. Firmen, die Verpackungsaufträge oder Fertigungsaufträge vergeben) bezahlen, geht nicht an diejenigen, die es eigentlich verdient hätten, sondern an die Werkstatt als Gesamtbetrieb. Die finanzieren dann davon die Gebäude, die Betriebskosten und die nichtbehinderten Mitarbeiter.

Die leistungsstarken behinderten Mitarbeiter müssen dann aufstockende Sozialhilfe beziehen und haben damit automatisch den gleichen Lebensstandard wie nicht-arbeitende Bürgergeldempfänger.

Akka2323  11.08.2023, 20:01

Jeder, der in einer Werkstatt für Behinderte arbeitet, ist automatisch berechtigt, Grundsicherung zu beziehen, wobei der Werkstattlohn nur teilweise angerechnet wird. Nach 20 Jahren bekommt man Erwerbsunfähigkeitsrente. Sie ist höher als die Grundsicherung. Unsere WFB vor Ort ist froh, über jeden, den sie in einen Arbeitsplatz oder Praktikum außerhalb vermitteln kann. Die WFB ist völlig voll, sie können eigentlich niemanden mehr aufnehmen.

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Paguangare  12.08.2023, 07:04
@Akka2323

Vielen Dank für die Zusatzinformationen.

Allerdings kann es nicht sein, dass jeder, der in einer Werkstatt für Behinderte arbeitet, automatisch grundsicherungsbezugsberechtigt ist. Theoretisch könnte eine derartige Person, z. B. durch eine Erbschaft, ein Vermögen von Hunderttausenden von Euro besitzen.

Die Vermögensfreigrenze für Grundsicherungsempfänger liegt seit dem 1.1.2023 bei 10 000 €. Quelle: Grundsicherung: Welches Vermögen ist erlaubt? (arbeitslosenselbsthilfe.org)

Wer mehr Geld auf seinen Konten herumliegen hat, muss erst einmal dieses verbraucht haben, bevor er Anspruch auf Grundsicherung bekommt.

Der Punkt mit der Erwerbsunfähigkeitsrente stimmt. Quelle: Rente für Werkstatt-Beschäftigte | Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V.

Trotz Erwerbsunsfähigkeit kann man dann weiter in der WFB arbeiten, und das dort erzielte Arbeitsentgelt wird nicht auf die Erwerbsunfähgkeitsrente angerechnet.

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Also ein Schwerbehindertenausweis wird ab einen Grad der Behinderung von 50% oder höher ausgestellt.

Man kann natürlich ab einen viel niedrigeren Grad der Behinderung schon als Behindert gelten.

Und eine Behindertenwerkstatt ist verpflichtet Menschen mit Behinderung aufzunehmen, egal wie hochgradig diese ist

Natürlich. Voraussetzung ist eine Behinderung, nicht die Schwerbehinderung.

Aus dem Sozialgesetzbuch 9:

§219 Absatz 2: Die Werkstatt steht allen behinderten Menschen im Sinne des Absatzes 1 unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Heilerziehungspflegerin/ Ally der Behindertencommunity

Ohne jeden Zweifel - oder glaubst Du ernsthaft, dass die Betreuer und Vorarbeiter dort alle eine Schwerbehinderung haben?

Wenn Du aber meinst, ob Du da in der Produktion arbeiten kannst - wäre sicher eine Einzelfallentscheidung, aber Dir muss klar sein, dass Du nur ein Taschengeld bekommst.