Alle reden davon, wie wichtig Bildung ist, doch was bleibt von der Bildung übrig, über die Jahre des Vergessens hinweg, z.B. nach Abitur oder Studium?

17 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich habe keinen vernünftigen Schulabschluss. Für die Schule habe ich mich ab der 7. Klasse nicht mehr interessiert.

Als die Schule vorbei war, habe ich angefangen, meine Bildung selbst voran zu treiben. Ich habe alles gelernt, was mir unter gekommen ist, egal ob ich es brauchen kann oder nicht. Für mich war (und ist) nur wichtig, was mein Interesse weckt. Ich bin sehr vielseitig interessiert und so hat sich im Lauf der Jahrzehnte Einiges an Wissen angesammelt.

Ich kann erklären, warum man beim Zwiebeln Schneiden weinen muss, aber auch, wie ein Stern funktioniert, wie der Jojo-Effekt beim Abnehmen entsteht und wie ein Ottomotor funktioniert, aber auch wie man aus Markknochen und etwas Gemüse eine köstliche Suppe macht.

Was ich in der Schule gelernt habe, habe ich größtenteils nie mehr gebraucht. Und fast alles, was ich tagtäglich brauche, habe ich mir selbst beigebracht. Die Summe aus allem, was ich weiß, nenne ich Bildung.

Mark Twain sagte: „Bildung ist etwas, das man ganz ohne Beeinträchtigung durch den Schulunterricht erwerben muss.“, und ich denke, er hat damit das Wesen und den Sinn von Bildung sehr treffend beschrieben.

So, wie das Schulsystem in Deutschland ist, ist es nicht zielführend, wenn es darum geht, aus Kindern Leute zu machen. Da wurde in den letzten 50 Jahren immer nur gespart und das rächt sich. Nicht umsonst schneiden deutsche Schüler(innen) im PISA-Test ziemlich schlecht ab.

Wie schlimm das mit dem Sparen und der mangelhaften Bildung tatsächlich ist, erkennt man auf den ersten Blick, wenn man sich anschaut, mit welchem Tempo die Digitalisierung in den Schulen gefördert wird. Da haben derzeit vielleicht 20% der Schüler(innen) ein Tablet und in nur ganz wenigen elitären Schulen findet man ein funktionierendes WLAN. Ein Vergleich z.B. mit Estland lässt Deutschland wie ein Entwicklungsland der dritten Welt erscheinen.

Worin das deutsche Schulsystem aber unübertroffen ist, ist aus motivierten und intelligenten Kindern psychisch kranke Menschen zu machen, von denen jeder zweite an Burnout leidet.

Hier ist das Mittel zum Erfolg einfach nur der Druck, der durch Noten verursacht wird. Wer dem Leistungsdruck nicht standhält, wird als faul und arbeitsscheu abgestempelt und sich selbst überlassen. Dass Neugier der beste Lehrer ist, ist an deutschen Schulen unbekannt. Hier wird mit der Drohung, ein schlechtes Zeugnis zu bekommen und zum Versager abgestempelt zu werden, zum Lernen motiviert.

Klar, dass das nicht funktionieren kann. Wissen erwirbt man am besten, indem man sich für das zu Lernende begeistert. Schade, dass das so wenige Lehrer(innen) wissen.


Gegsoft  29.01.2024, 19:53

Danke für den Stern ★

0
p0mmel  11.02.2024, 23:26

Wow. Meiner Meinung nach (als Abiturient) die beste Zusammenfassung des deutschen Schulsystems und was von uns „Schülerinnen“ erwartet wird.

Respekt :)

1
Gegsoft  11.02.2024, 23:48
@p0mmel

Danke! ★ Darüber freue ich mich wirklich.

0

Die schulische Bildung bietet Dir nur das Grundgerüst, damit Du im Leben grundsätzlich zurecht kommst. Darauf baut die Ausbildung oder das Studium auf. Und danach beschäftigst Du Dich mit Deinen Hobbys, lernst dort dazu, lernst im Umgang mit Deinen Freunden Wissen, Einsichten, neue Interessen. Jede Fernsehsendung, jeder Podcast, jedes Buch lässt Dich ebenfalls lernen. Ist nur unbewusster. Oder Dir kommt eine Frage: Warum ist das so? Also fängst Du an zu recherchieren.

Klassiker in den sozialen Medien: "Ich musste xy Jahre alt werden um zu erfahren, dass..."

Und im Berufsleben gibt es ständig neue Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Laufend gibt es neue Materialien, neue Maschinen, neue Arbeitsformen, neue Software, neue Abläufe, neue Erkenntnisse usw. Viele Arbeitgeber setzen die Teilnahme voraus, sonst muss man sich eine neue Firma suchen.

Lernen hört nie auf.

Von Experte ACBRE bestätigt

Gute Bildung befähigt zu analytischem Denken und konstruktiver Problemlösung, so dass man auf nahezu jedem Gebiet neues Wissen erwerben, recherchieren, sinnvolle Schlussfolgerungen ziehen kann. Daher kann auch ein Physiker Dinge verstehen, die mit Ingenieurwesen oder Biologie zu tun haben, auch wenn er kein Experte ist. Bildung gibt dir das Rüstzeug mit dein Leben zu bewältigen.

Und wenn du das erste mal eine Wohnung mit Wandfarbe streichen musst, und im Baumarkt fragt dann der Verkäufer "wie viele Qiadratmeter Wandfläche?", dann wirst du dir wünschen in Mathe aufgepasst zu haben, denn der Verkäufer wird nicht mit kommen und es für dich messen und berechnen.

Was ich weiß ist was ich im Beruf brauchte und was ich nach der Schule gelesen habe.

Zum Beispiel vom Mathe-Unterricht in der Schule sind die Grundrechenarten und der Dreisatz übrig.

Dabei konnte ich mal Kurvendiskussion und ökonomische Funktionen. Das steht auch auf Zeugnissen dass ich das kann. Aber ich habe keine Ahnung mehr davon. Bulimie-Lernen: Vor der Klausur reinfressen, auskotzen und vergessen.

So ist das deutsche Schulsystem.

Und danach sucht man sich eh einen Job der den eigenen Interessen entspricht.

Für mich hieß das: Nie wieder Mathe!

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Langjährige Erfahrung in der Parteipolitik und als Reporter

An sich ist Schule und Bildung ein gutes Konzept, aber die Umsetzung an den Schulen ist halt das, was die aller meisten Menschen kritisieren.

Ich persönlich finde, dass die Hauptfächer (Lesen, rechnen, schreiben) unheimlich wichtig sind für das Allgemeinwissen. Hier etwas zu kritisieren ist moralisch fahrlässig.

Ich würde auch nicht behaupten, dass studieren sinnlos sei. Natürlich gibt es Module, die einem nicht gefallen oder liegen, aber es ist letztendlich trotzdem fachspezifisch. Studieren und Schule sind außerdem zwei komplett verschiedene Welten. – Um es in den Worten meines Matheprofs zu sagen: ,,Niemand braucht Kurvendiskussion, wenn man es danach nie wieder anwendet". Dieses und ähnliche Zitate regen zum Nachdenken an, was an den Schulen eigentlich alles falsch läuft.

Wir beschäftigen uns mit zu vielen unnötigen Dingen, die eigentlich niemanden interessieren. In diese Kategorie ,,Dinge, die absolut niemand braucht" fallen alle Nebenfächer rein: Erdkunde, Politik, Geschichte, Religion, usw.. Warum werden solche Fächer überhaupt so stark benotet, wenn man den Inhalt zwei Stunden nach dem Test wieder vergessen hat?

Ich fände es besser, wenn wir den Fokus auf Hauptfächer legen und die Wichtigkeit der Nebenfächer deutlich reduzieren. Z.B. ,,(Erfolgreich) an Religion teilgenommen" – Oder anstatt 40/60 fließen Tests nur 15% in die Endnote rein.

Ironischerweise haben die meisten Schüler Probleme in den Hauptfächern, aber Hauptsache sie wissen haargenau auswendig, wie der menschliche Körper aufgebaut ist. Ironie Off.

Wie gesagt: Konzept Schule ist gut. Die Umsetzung benötigt dringend eine Kernsanierung.


Mollywolly  25.01.2024, 04:40

Es gibt halt Schüler, die eher sprachlich begabt sind und es gibt Schüler , die eher rechnerisch begabt sind.

Die Begabungen gehören gefördert.

Mir ging dieses benotungssystem immer schon am Geist

3
greenpolitics  25.01.2024, 05:03
@Mollywolly

Ich bin zum Beispiel eher in MINT und Geschi und Politik begabt, aber absolute Niete in Sprachen.

1
Mollywolly  25.01.2024, 05:12
@greenpolitics

Eben. Es hat jeder seine Stärken und genau diese sollte man fördern, anstatt Schüler mit Fächern zu quälen, die ihnen absolut nicht liegen

Ich war immer gut in Sprachen und im Grundrechnen, Algebra dagegen war für mich Fachchinesisch und ehrlich, ich habe es im Berufsleben nie gebraucht.

2
greenpolitics  25.01.2024, 06:06
@Mollywolly

Bei meiner Arbeitsstelle arbeiten wir sehr häufig mit Funktionen.
Das sind so Analysis, Lineare Algebra und Stochastik sehr wichtig.

1
greenpolitics  25.01.2024, 06:17
@Mollywolly

Ich meinte, dass alles aus der Schule, was man erlernt irgendwo definitiv in irgendeinen Beruf gebraucht wird.

0
Kiwi5ccc  25.01.2024, 11:27
@Mollywolly

Natürlich gibt es Schüler, die Begabungen haben und das sollte selbstverständlich gefördert werden. Wir dürfen nur nicht vergessen, dass das Lesen und Rechnen wichtiges Allgemeinwissen ist. Deshalb ist eine Benotung dieser Fächer gar nicht mal so dämlich.

Aber es macht halt keinen Sinn, Schüler mit unnötigem Wissen zu belasten. Z.B.: In Deutsch muss man regelmäßig etwas analysieren, aber die fachspezifischen Wörter, um sprachliche Mittel zu beschreiben, warum muss man die für die Klassenarbeiten auswendig können?

Wenn ich jemals in meinem Leben sprachliche Mittel brauche bzw. wissen muss, wie sie heißen, schaue ich eben im Internet nach.

Also mich stört primär das System ,,Bulemie-Lenen". Wir leben in einem digitalen Zeitalter, wo wir in Millisekunden Milliarden von Informationen abrufen können.

Wie gesagt: Die Schule braucht eine Kernsanierung.

0
Mollywolly  26.01.2024, 10:35
@Kiwi5ccc

Natürlich gibt es Schüler, die Begabungen haben und das sollte selbstverständlich gefördert werden. Wir dürfen nur nicht vergessen, dass das Lesen und Rechnen wichtiges Allgemeinwissen ist

Ja. Aber cosinus und sinus rechnen, sowie bruchgleichungen gehören nicht wirklich zum Allgemeinwissen.

0
Kiwi5ccc  26.01.2024, 14:04
@Mollywolly

Leider doch schon.

Bruchgleichungen benötigen wir z.B. beim Kochen, um Rezepte anzupassen, oder, um (als Verkäufer) Rabatte zu machen. Den Satz des Pythagoras und den Sinus benötigt man vielleicht nicht all zu oft, aber grundsätzlich sollte man ihn mal gehört haben.

Das ist so wie eine Geschichtsanalyse. Braucht eigentlich niemand, aber es sind Basics.

Die Schule gibt uns die ,,Werkzeuge", die wir im späteren Leben eventuell brauchen. Und niemand kann vorhersehen, was ein Schüler in der 9. Klasse später mal machen wird.

Z.B. jemand mit Mitte 25 stellt fest, dass ihm die Pflege nicht gefällt und möchte jetzt (sein Plan B) etwas mit Finanzen machen. Für Finanzen braucht man analytisches Denken, was man in Mathe lernt.

Außerdem ist Mathe nicht nur rechnen, sondern soll dazu anregen an Problemen zu knobeln (analytisches Denken fördern). Ironischerweise lieben Matheexperten Knobelaufgaben und suchen sich Berufe, wo sie stundenlang über ein Problem nachdenken können.

Man kann sich darüber endlos streiten, ob man im Alltag Geschichtsanalysen oder den Satz des Pythagoras benötigt. Fakt ist: Das hat schon alles seinen Sinn, dass man sich mit diesen Basics außeinandersetzt.

Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass die Lernpläne willkürlich geplant werden. Die Experten, die die Lernpläne erstellen, werden sich schon was dabei gedacht haben.

Ich kritisiere nicht den Inhalt der Hauptfächer, sondern die Art und Weise, wie der Stoff vermittelt wird.

0
Mollywolly  26.01.2024, 14:22
@Kiwi5ccc

Tja. Manchmal bekommt man eben Sachen beigebracht, die man fast nie im Leben braucht.

Ich bin froh, dass ich Gleichungen, schlussrechnen und Geometrie gelernt habe

Sinus und cosinus sind eigentlich fachspezifische Rechnungen. Als bankangestellte wird man das nie brauchen

Als ingenieur für Elektrotechnik aber schon.

Ich wurde 3 Jahre damit gequält und gebracht hat es mir nie etwas.

Genauso wie Fabel oder Märchen zu schreiben.

0