Hey du,
du weißt sicher, dass die Verantwortung nicht bei dir liegt. Es ist extrem schwer (teils auch kontraproduktiv) von außen Einfluss zu nehmen auf anorektische Menschen. Und es ist extrem schwer bis unmöglich sich in die anorektische Gedanken/Gefühlswelt hineinzuversetzen - gerade weil sie so enorm komplex/verwirrt/irrational erscheint.
Ich war selbst 8 Jahre anorektisch, hing da ziemlich tief drin und erkannte lange nicht, dass ich darunter litt. Ich musste es selbst herausfinden.
Wenn Menschen von außen auf mich eingeredet haben, ich solle mehr essen, ob ich denn nicht weiß wie lebensgefährlich das ist was ich tue, etc., hat sich dies langfristig negativ auf mein Essverhalten ausgewirkt. Da der Druck von außen (auch wenn gut gemeint) - meinen permanenten inneren Druck (irrationale, nicht greifbare Angst) nur bestärkte. Dieser widerum lähmte mich in meiner Entscheidungsfähigkeit.
Ich stand in einem Zwiespalt. Wie du sagst, deine Freundin ist sehr reflektiert - dies sind wir häufig. Niemals hätte ich einer anderen Person geraten, das zu tun, was ich tue.
Und wir wissen meist auch, dass unser Tun/NichtEssen, unsere Kognitionen, unsinnig sind. Doch wir wissen nicht wohin mit uns, wenn all das wegfällt. Verloren triffts ganz gut. Ich konnte das alles selbst kaum noch greifen, war mir gegenüber entfremdet.
Die Entscheidung musste ich selbst treffen. Den Sprung ins Nichts wagen. Radikal. Auch Therapeuten konnten dies langfristig nicht für mich tun.
Was ich mir gewünscht hätte, was mir vllt von außen ein wenig geholfen hätte - wäre ein gutes Vorbild gewesen. Jemand die vor mir einfach isst, ohne mich dafür fertig zu machen, dass ich nichts esse. Und der ihr äußeres Erscheinungsbild (inklusive der gesellschaftliche Leistungsgedanke) komplett egal ist. Das ist leider bei den wenigsten so, auch bei nicht-magersüchtigen.
Ja und es hätte mir wohl auch geholfen, wenn jemand da gewesen wäre. Einfach nur dagewesen. Erwartungslos.
Emotionen gegenüber der Anorexie aller Art von außen helfen nichts, auch wenn es schwerfällt: Ignoranz ist das Zauberwort. Gleichzeitig ein offenenes Ohr. Alles anhören, nicht abblocken, aber gelassen reagieren.
Klar kannst du ihr Essen anbieten, aber wenn sie nichts will, dann reagier nicht drauf. Beziehungsweise esse es selbst.
Im Grunde rate ich dir, zu versuchen, dich so gut es geht von deinen eigenen Sorgeb und Ängsten zu befreien, auch wenn diese berechtigt und sicher verständlich sind. Denn genau diese widerum wirken sich aus auf deine Freundin. Nur auf andere Art, wie von dir gesendet...