Meine persönliche Prognose ist:
- Mehrheitlich werden die Anhänger Sucharit Bhakdi auch in Zukunft folgen.
- Zwar werden sich zeitgleich auch Anhänger von Bhakdi abwenden. Deren Zahl dürfte aber vergleichsweise gering sein.
- Gut möglich, dass die kleine Zahl derer, die sich von Bhakdi abwenden, kompensiert wird durch neue Anhänger, die in Bhakdi nunmehr eine Art "Märtyrer" zu erkennen glauben, der doch nur durch "bösartige Repressalien" (zB durch Strafermittlungsverfahren) "mundtot" gemacht werden solle.
Zu 1:
Bhakdi rekrutiert die überwältigende Mehrheit seiner Anhänger NICHT aus Fachleuten, sondern aus Laien. Zum einen aus der Szene der "Querdenker" und Coronaleugner. Zum anderen aber auch aus Menschen, die weder "Querdenker" noch Coronaleugner, sondern mit der persönlichen Pandemie-Situation schlicht überfordert und deshalb sehr empfänglich sind für "Erläuterungen", wie Bhakdi sie in seinem mittlerweile gesperrten YouTube-Channel zum Besten geboten hat.
Was die medizinische Fachwelt betrifft:
Dort stieß Bhakdi schon früh auf Kritik. Befeuert wurde sie durch immer neue Faktenchecks. Zum Beispiel:
- dpa-Faktencheck vom 24.03.2020: "Mediziner Bhakdi unterschätzt Gefährlichkeit des Coronavirus"
https://www.presseportal.de/pm/133833/4555917
- BR24-Faktencheck vom 01.04.2020:
https://www.br.de/nachrichten/wissen/bhakdis-brief-an-die-kanzlerin-was-ist-dran-an-seinen-fragen,RutYDhd
- SZ-Faktencheck vom 10.04.2020:
https://www.sueddeutsche.de/medien/corona-falschmeldungen-youtube-facebook-1.4873470
- SWR3-Faktencheck vom 22.05.2020:
https://www.swr3.de/aktuell/multimedia/bhakdi-video-faktencheck-massnahmen-corona-100.html
- Correctiv-Faktencheck vom 19.06.2020
https://correctiv.org/faktencheck/2020/06/19/impfung-gegen-covid-19-sinnlos-sucharit-bhakdi-stellt-unbelegte-behauptungen-auf/
- Mimikama-Faktencheck vom 23.04.2020:
https://correctiv.org/faktencheck/2020/06/19/impfung-gegen-covid-19-sinnlos-sucharit-bhakdi-stellt-unbelegte-behauptungen-auf/
- Stellungnahmen der Christian-Albrechts-Universität Kiel vom 21.08.2020 zur Bhakdi-Publikation „Corona Fehlalarm?“
https://www.uni-kiel.de/de/coronavirus/details/news/corona-stellungnahmen-fehlalarm
- Volksverpetzer, 23.06.2021:
https://www.volksverpetzer.de/corona-faktencheck/bhakdi-corona-fehlalarm-faktencheck/
So massiv die Kritik seit März 2020 ausfiel: Sie mündete schließlich in der Verleihung eines Negativpreises an Bhakdi. "Für den größten wissenschaftlichen Unsinn des Jahres" verlieh ihm die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (kurz: GWUP) am 15. Dezember 2020 das "Goldene Brett vorm Kopf".
https://www.derstandard.de/consent/tcf/story/2000122528159/goldene-brett-vorm-kopf-geht-anfehlalarm-autor-sucharit-bhakdi
Nahezu zeitgleich - nämlich im November 2020 - sperrte YouTube Bhakdis Channel. Grund: Verstöße gegen die YouTube-Community-Richtlinien zu medizinischen Fehlinformationen über Covid-19.
https://support.google.com/youtube/answer/9891785
Was die medizinischen Laien (und damit die Mehrheit der Bhakdi-Anhänger) betrifft:
Nicht nur, aber vor allem über YouTube bot sich Bhakdi eine große Bühne, die ihm immer neue Anhänger in Scharen bescherte. Kaum dass Bhakdi am 18. März 2020 mit eigenem Channel an den Start gegangen war, veröffentlichte er 5 Videos - und erzielte damit in nur 6 Wochen fast 50.000 Abonnenten und über 4.000.000 Klicks. Doch es blieb nicht bei Bhakdis "Auftritten" im eigenen Channel.
Im April 2020 gab Bhakdi Ken Jebsen im YouTube-Kanal KenFM ein Interview. Wie auch in anderen YouTube-Videos stellte er Behauptungen auf, die dem allgemeinen wissenschaftlichen Konsens zur Pandemie widersprachen. Laut der Sozialpsychologin Pia Lamberty sind Personen wie Bhakdi zwar nicht „per se als Verschwörungstheoretiker“ einzustufen. Indem sie sich aber mit diesen gemein machten, etwa indem Bhakdi sich von Jebsen interviewen lasse, verliehen sie ihnen die Legitimation der Wissenschaft.
Zitiert aus:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sucharit_Bhakdi
Bevor YouTube Bhakdis Channel wegen Verstößen gegen die "Community-Richtlinien zu medizinischen Fehlinformationen über Covid-19" endgültig sperrte, nutzte Bhakdi diese bewährte große Bühne für eine Ansprache an seine "Mitbürger", worin er, der Mediziner, nunmehr auch ein juristisches Statement zum Besten gab: Die im Rahmen des Lockdowns verordneten Maßnahmen seien, so Bhakdi, eine Verletzung der Grundrechte.
Ob medizinische Fehlinformationen oder juristisches Statement: Was Bhakdi zum Besten gab, machte ihn nicht nur zur Ikone der "Querdenker" und Coronaleugner, sondern war Wasser auf den Mühlen all' derer (auch außerhalb der "Querdenker"-Bewegung), die es doch schon immer wussten oder zumindest ahnten - dass es nämlich mit der "vermeintlichen Pandemie" in Wahrheit nicht weit her sei, dass aus einer Mücke ein Elefant gemacht werde, dass die Corona-Maßnahmen völlig überzogen, ja sogar schädlich seien. Und am allerschlimmsten: dass "die" Politiker da etwas ausgeheckt hätten, was abgrundtief böse schon deshalb anmuten muss, weil ungezählt viele Menschen mit voller Absicht in Not gebracht worden seien - zum Beispiel in finanzielle Not durch Verlust des Arbeitsplatzes oder der Einnahmen aus selbständiger/freiberuflicher Tätigkeit.
Dass solch eine Not für ungezählt viele Menschen tatsächlich entstanden ist, steht außer Frage. Ebenso steht außer Frage, dass viele Menschen in einer Situation völliger Verzweiflung eine gewisse Erleichterung empfinden, einen Sündenbock erkennen zu können, der für die eigene Misere verantwortlich gemacht werden kann - zum Beispiel "die" Politiker und/oder "die" Mediziner und/oder "die Lügenpresse", die aus einer Mücke einen Elefanten machen, indem sie eine doch eigentlich völlig harmlose Infektion zu einer angeblich gefährlichen Pandemie aufbauschen.
Dieses Bedürfnis nach einem "Sündenbock" wird nach meiner Einschätzung bleiben - und damit zugleich die Anhängerschaft, die auch in Zukunft bereit ist, Bhakdi zu folgen. Er ist doch - zumindest aus Sicht seiner Anhänger - der wahre Experte und Heilsbringer ("Messias"), der weiß, wo es lang geht und von vornherein hätte lang gehen müssen.
Daran dürfte auch Bhakdis Statement
"Das Schlimmste an den Juden ist, dass sie sehr gut lernen. Aber sie haben jetzt das Böse gelernt"
nichts ändern.
Nach meiner Einschätzung werden Bhakdis Anhänger diesem Statement mehrheitlich keine so negative Bedeutung beimessen, dass sie sich von ihm abwenden. Entweder wird man diese Aussage relativieren oder sogar für richtig halten. Manch einer wird gern auch noch einen drauf setzen, beispielsweise mit der Bemerkung, es werde doch in Wahrheit nur ein "billiges Framing" gegen Bhakdi betrieben. So, wie hier zitiert, hat sich die Basisdemokratische Partei Deutschland (dieBasis) ja bereits öffentlich geäußert.
Hinzu kommt die Verbindung zwischen "Querdenker"-Bewegung und Antisemitismus:
https://www.tagesschau.de/inland/antisemititsmus-querdenken-101.html
https://www.tagesspiegel.de/politik/querdenker-und-judenfeindlichkeit-antisemitismusbeauftragter-fuer-verbot-des-gelben-sterns-auf-demonstrationen/27167162.html
https://www.deutschlandfunkkultur.de/antisemitismus-auf-querdenker-demos-soll-man-das-tragen-des.1008.de.html?dram:article_id=496929
https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/von-querdenker-demonstrationen-bis-hin-zu-angriffen-auf-synagogen-antisemitismus
Angesichts der hier verlinkten Quellen halte ich es nicht nur für möglich, sondern sogar für wahrscheinlich, dass Bhakdi mit seiner antisemitischen Äußerung bei manchen "Querdenkern" sogar noch zusätzlich punktet. So nach dem Motto: "Solche Leute braucht das Land! Leute, die den Mumm haben, endlich mal die Wahrheit auszusprechen!" - Das ist furchtbar. Aber es ist zugleich meine ehrliche Einschätzung, wie sich die Dinge weiter entwickeln werden.
Zu 2:
Nicht wirklich beruhigend, aber immerhin so etwas wie ein kleiner Lichtblick: Sowohl in Social Media als auch in meinem persönlichen Umfeld erlebe ich aktuell, dass einige wenige Anhänger Bhakdis auf dessen antisemtische Äußerung betroffen reagiert haben. So sagte mir beispielsweise ein ehemaliger Arbeitskollege, zu dem ich noch heute Kontakt habe: "Dieser Bhakdi ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Das wäre der perfekte Gesundheitsminister. Aber was er da über 'die' Juden gesagt hat - das geht zu weit. Das geht gar nicht! Der Mann ist für mich gestorben. Punkt."
Aber dieser ehemalige Arbeitskollege scheint eher die Ausnahme zu sein. Für andere Bhakdi-Anhänger, die ich durch soziale Medien oder im realen Leben persönlich kenne, ist die antisemtische Äußerung unbeachtlich. Sie ändert nichts an der bisherigen Sympathie für Bhakdi. Deshalb meine subjektive Einschätzung: Einige, aber nicht viele werden sich von Bhakdi abwenden.
Zu 3:
Gleichzeitig erlebe ich auch (wenngleich zurzeit nur in Social Media) genau das Gegenteil: dass nämlich Menschen, die bisher offenkundig nicht zu den Bhakdi-Anhängern zählten nun plötzlich Sympathie für ihn entwickeln. Grund: Es wird unterstellt, Bhakdis verfassungsrechtlich garantierte Meinungsfreiheit [https://dejure.org/gesetze/GG/5.html] werde durch "bösartige Repressalien" - insbesondere durch Strafanzeigen - in unzulässiger Weise beschnitten. Dies diene einzig und allein dazu, Druck auf ihn auszuüben und ihn einzuschüchtern. Bhakdi solle - so schreibt es hier bei gutefrage.net einer der Antwortgeber wortwörtlich -
"komplett mundtot"
gemacht werden.
Solche und ähnliche Äußerungen im Netz wirken auf mich, als solle Bhakdi zu einer Art Märtyrer hochstilisiert werden. Völlig zu Unrecht, wie ich meine. Denn: Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung bedeutet ja nicht, dass jeder alles sagen darf, was er sagen will. Vielmehr endet dieses Grundrecht dort, wo die Rechte anderer Menschen verletzt werden. Artikel 5 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG) hält in diesem Zusammenhang ausdrücklich fest:
Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze
https://dejure.org/gesetze/GG/5.html
Zu diesen "Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze" gehört unter anderem der in § 130 StGB geregelte Straftatbestand der Volksverhetzung.
https://dejure.org/gesetze/StGB/130.html
Wie jeder andere Bürger darf also auch ein Herr Bhakdi nicht "einfach mal eben so" öffentlich äußern, was er öffentlich äußern will, sondern unterliegt gesetzlichen Schranken, zu denen auch der Straftatbestand der Volksverhetzung zählt. Schon deshalb besteht kein Grund, ihn zum "Märtyrer" hochzustilisieren.
Hinzu kommt:
Bisher wurden lediglich zwei Strafanzeigen gegen Bhakdi erstattet.
Sigmount Königsberg, Antisemitismus-Beauftragter der jüdischen Gemeinde zu Berlin, stellte Strafanzeige gegen Bhakdi wegen Volksverhetzung. Das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus (JFDA) schrieb auf Twitter: „Ein Cocktail aus israelbezogenem Antisemitismus, Relativierung der Nazizeit und schlichtweg tendenziösen Falschaussagen.“ Dem JFDA zufolge hat auch die WerteInitiative. jüdisch-deutsche Positionen eine Anzeige wegen Volksverhetzung gestellt.
Zitiert aus:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sucharit_Bhakdi
Mit der Erstattung dieser beiden Strafanzeigen ist überhaupt noch nichts entschieden. Bis dato hat die zuständige Staatsanwaltschaft (StA) weder einen Anfangsverdacht bejaht (und auf dieser Grundlage ein Strafermittlungsverfahren gegen Bhakdi eingeleitet), noch ist Anklage erhoben worden, geschweige denn wurde Bhakdi in einem entsprechenden Hauptverfahren rechtskräftig verurteilt. Es gilt also zunächst einmal zu Bhakdis Gunsten die gesetzliche Unschuldsvermutung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Unschuldsvermutung
Vor diesem Hintergrund besteht tatsächlich nicht der geringste objektivierbare Anlass, Bhakdi als "Märtyrer" anzusehen.
Dass dessen ungeachtet jedoch jetzt schon Stimmen im Netz laut werden, die unterstellen, Bhakdi solle "komplett mundtot" gemacht werden, gibt mir zu denken - und ist Grund meiner eingangs genannten persönlichen Einschätzung: Möglicherweise wird die kleine Zahl derer, die sich von Bhakdi abwenden, kompensiert durch neue Anhänger.
Unterm Strich - so vermute ich - wird die Gesamtzahl der Bhakdi-Anhänger vorerst weitestgehend konstant bleiben. So sehr ich diese persönliche Prognose bedaure: Auch hier gibt es einen Lichtblick. Er besteht darin, dass ich sehe, wie viele Nutzer sozialer Medien (auch hier bei gutefrage.net) sich tagtäglich engagieren, kruden Verschwörungstheorien und medizinischen Fehlinformationen im Zusammenhang mit Covid-19 entgegenzutreten. Das ist frei von finanziellen Ambitionen. Damit wird kein Geld verdient, wie es bei Bhakdi in beträchtlichem Umfang der Fall war und ist. Da wird Arbeit ausschließlich aus persönlicher Überzeugung geleistet. Das ist großartig. Und das verdient aus meiner Sicht höchsten Respekt.