Es ist sehr schwierig, dazu etwas zu sagen. Leider machen sehr viele von uns diese Erfahrung - meine Mutter hat sich viele Jahre lang ehrenamtlich engagiert, die Anstecknadeln für 25 Jahre Engagement und Urkunden habe ich noch, aber in den letzten 7 Jahren ihres Lebens im Pflegeheim hat sie noch 5 oder 6 x Besuch (insgesamt, in sieben Jahren) bekommen. Ihr Lebensgefährte hat einige ihrer Pflichten übernommen - er bekam nicht mal einen Kranz zur Beerdigung von der Organisation oder den Mitgliedern, nur 2 Beispiele von vielen.
Menschen sind verschieden, anderen zu helfen, macht auch Freude, sonst würden wir - jedenfalls manche von uns - es nicht tun. Dein Opa war wahrscheinlich so, wenn jemand gesagt hat, "ich weiß gar nicht, wie ich das und das hinkriegen soll", dann hat er vielleicht gesagt, "kein Problem, ich helfe dir gern". Und das hat er auch gemeint und auch getan. Es hat ihm Freude gemacht zu helfen, er hat Anerkennung dafür erfahren (schön, wenn der Job nicht so toll ist), er hat es wahrscheinlich nicht so empfunden, ausgenutzt worden zu sein, sondern die Gespräche, die Gemeinschaften und mitunter auch echten Freundschaften, die sich dadurch ergeben haben, geschätzt.
Jeder muss für sich die Entscheidung treffen, wie man leben möchte. Wenn ich gerne helfe, dann tue ich das. Freiwillig angebotene Hilfe ist eine Art Geschenk, da gibt es nicht direkt etwas zurück, was man auf gleiche Weise bemessen kann. Ein Freund hilft beim Umzug und du hilfst bei der Steuererklärung. Du hältst einem Fremden eine Tür auf und er hebt deinen Koffer in den Zug. Beide Parteien fühlen sich danach gut, man weiß, dass man etwas richtig gemacht hat. Dein Opa hat wohl sehr viel richtig gemacht.
Die Nachbarin wusste vielleicht nicht, was Leukämie ist, die Großtante befürchtet, dass ihr Ansprüche an sie stellen könntet, also hält sie lieber Abstand. Vielleicht. Vielleicht sind beide besonders gedankenlos, vielleicht sind sie tatsächlich besonders berechnend. Am besten versuchst du, dich nicht darüber zu ärgern, es macht bitter, weil man nichts ändern kann. Ist die Großtante nicht die Schwester oder Schwägerin deiner Oma? Dann wäre es eine Idee, wenn deine Oma in einigen Wochen oder Monaten auf sie zugeht, sie vielleicht mal anruft und versucht, die Stimmung zu klären.
Halte zu deiner Oma. Dass einige Zeit nach einem Todesfall Besuche selten werden, ist ziemlich normal - man weiß nicht so recht, was man mit jemandem erzählen soll, der einen solchen Verlust erlitten hat, also hält man sich zurück, wenn man nicht wirklich eng befreundet war. Corona tut ein Übriges, uns voneinander zu isolieren. Aus meiner Sicht ist es jetzt für deine Oma am schwersten.
Ich würde nicht zu viel darüber nachdenken, mich selbst nie ausnutzen zu lassen. So ein bisschen in Vorlage zu gehen, ist schon sehr gemeinschaftsfördernd. Es lohnt sich aber, sein Bewusstsein zu schärfen, ab welchem Punkt man ausgenutzt wird. Wird mein Hilfsangebot reichlich überzogen, z. B. mein Angebot, jemanden zum Krankenhaus zu fahren, als Zusage für einen regelmäßigen Fahrdienst ausgelegt? Kann ich Nein sagen, ohne dass der andere beleidigt ist? Bekomme ich geliehene Gegenstände nicht oder nur defekt oder ungereinigt zurück? Eine gewachsene Freundschaft zerbricht nicht daran, wenn man solche Punkte anspricht, aber eine Beziehung, in der man selbst immer "zuzahlt", kann beendet werden.
Was ich nicht glaube, ist, dass dein Opa länger gelebt hätte, wenn er anderen weniger geholfen hätte. Natürlich verstehe ich den Gedankengang, aber ich glaube nicht, dass Leukämie und viel Arbeit in kausalem Zusammenhang stehen.
Ich weiß nicht, ob dir irgendetwas von meinen Ausführungen hilft. Aber ich bin sicher, dass nichts Falsches daran ist, ein hilfsbereiter guter Mensch zu sein. Also halte dich aufrecht, trauere um deinen Opa und bleib gesund.
Aufrichtiges Beileid
von
binsprachlos