Dann aber fing sie wie beim letzten Treffen an, über ihre momentanen Geldsorgen zu sprechen. Sie erzählte, dass es zur Zeit immer noch sehr eng bei ihr sei.
Ich vermute an der Stelle auch, dass sie die Möglichkeiten abzuklopfen versucht, von dir Geld zu erhalten. Ob sie glaubt, es als Darlehen tatsächlich zurückzahlen zu können, oder sie auf ein Geschenk hofft, sei mal dahingestellt.
Dass die Miete nicht komplett gezahlt wird und sie bis über beide Ohren verschuldet ist, ist alarmierend. Vermieter dulden so etwas vermutlich nicht lange, und auch innerhalb der Familie können soziale Beziehungen Schaden nehmen, wenn Geld darin ein problematisches Thema ist. Sie sollte eine Schuldnerberatung aufsuchen und alle finanziell relevanten Unterlagen dorthin mitnehmen, und zwar möglichst bevor geharnischte Post vom Vermieter eintrifft. Wer ausgerechnet wegen Mietschulden gekündigt wird, kann auch Probleme bei der Suche nach einer neuen Wohnung bekommen.
Die Situation war unangenehm für mich und ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Ich finde es immer schwierig, mit Menschen, die man nicht sehr gut kennt, über finanzielle Angelegenheiten bis ins Detail zu sprechen. Vielleicht war es einfach ein Vertrauensbeweis von ihr.
Das ist möglich, und auch zu hoffen. Denn eine alternative Erklärung dafür wäre, dass sie damit versuchte, dich mittels eines vorsätzlich hervorgerufenen schlechten Gewissens zur Herausgabe von Geld zu bringen.
Im Moment werden ihre Geldprobleme das größte Thema in ihrem Leben sein, das sie ständig beschäftigt. Das wäre die einfachst denkbare Erklärung dafür, weshalb sie viel über dieses Thema geredet hat.
Sie wirkte so verzweifelt und erzählte, dass ihr neuer Freund sich schon angeboten habe ihr zu helfen. Doch sie habe da eine Hemmschwelle, Geld von ihm anzunehmen.
Da wäre vermutlich der Grund relevant. Wenn nicht von ihm, von wem denn sonst? Dann sollte ihre Hemmschwelle ja noch größer sein, von jemandem Geld anzunehmen, der ihr nicht so eng verbunden ist wie ihr Freund.
Wollte sie, dass ich anbiete, ihr Geld zu leihen? Oder wollte sie sich nur ihren Kummer von der Seele reden?
Ich vermute das erste. Allerdings hoffe ich das zweite, und in dem Fall könntest du ihr mit Kontaktdaten von Beratungsorganisationen tatsächlich den Anstoß geben, sich selbst zu helfen. Ein Besuch bei einer Schuldnerberatung ist sicher notwendig, und vielleicht kannst du ihr anbieten, sie dorthin zu begleiten falls sie sich allein nicht traut. Je nachdem wie du die Beziehung zu ihrem Freund einschätzt, kann auch eine Familienberatung einen Besuch wert sein, z. B. bei pro familia oder der Caritas.
Jedenfalls war ich kurz davor sie zu fragen, ob ich ihr etwas leihen soll. Dann aber dachte ich, dass bei mir bald ein paar Zahnbehandlungen anstehen, was mich auch einiges kosten wird. Außerdem benötige ich Rücklagen für einen hoffentlich baldigen Umzug.
Wenn du an jemanden Geld verleihst, der deutlich überschuldet ist, sollte dir bewusst sein, dass wohl alle angefragten Banken mangels Bonität bereits abgewunken haben. Du handelst dir also einen Schuldner ein, bei dem schon Profis, die jahrelange Erfahrung haben, davon ausgehen, dass die Rückzahlung so sehr gefährdet ist, dass das Risiko selbst durch einen fantastischen Zinssatz nicht kompensiert werden kann. Da du das Geld demnächst selbst brauchst, hast du also genau richtig entschieden.
Falls du das Geld verleihst und es nicht zurückbekommst, hast du es effektiv verschenkt, denn verklagen wirst du sie kaum und selbst wenn, würdest du nur zusätzlich auf den Gerichtskosten sitzenbleiben. Du solltest es ihr also nur geben, wenn du es ihr auch schenken könntest, und danach hört sich deine Schilderung nicht an.
Sei für sie als Gesprächspartnerin da, solange du dir das von der mentalen Belastung her leisten kannst und auch willst. Aber wenn sie nach Geld fragt - und da stimme ich @TorDerSchatten zu, dass sie das bisher ja gar nicht explizit getan hat - solltest du ihr ganz sachlich erklären, dass bei dir große Ausgaben anstehen und du es dir nicht leisten kannst, Geld zu verleihen.