Was stuzig macht ist die sehr geringe Kilometerleistung bei solch einem Auto. Kein Mensch kauft einen 50.000 Euro teuren -Klasse Mercedes um dann pro Jahr nur durchschnittlich 12.500 Km herum zu juckeln. Das kann zwei Dinge bedeuten:
- der Tacho wurde massiv zurückgedreht. Nur eine lückenlose, überprüfbare Service-Historie kann darüber Klarheit verschaffen ob geschummelt wurde
- das Auto wurde von einem Opa viel auf Kurzstrecken bewegt
Beides wäre alles Andere als gut. Das Auto an sich ist schon voll geil. Der schwere Gußeisen-Dieselmotor OM651 war damals Hi-Tec, mit ihm gelang es Mercedes endlich, den an VW verlorenen Boden wieder gut zu machen. Die Anordnung der 2 (!) Turbolader als nachgeschaltete Hochdruck- und Niederdruckturbinen erinnert fast schon an ein Flugzeug-Strahltriebwerk:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mercedes-Benz_OM_651
"Bei den stärkeren Versionen 220 CDI BlueEFFICIENCY und 250 CDI BlueEFFICIENCY sorgen zwei Turbolader von BorgWarner in zweistufiger Anordnung für eine bessere Zylinderfüllung. Beide Turbinen und Verdichter sind in Reihe geschaltet: das Abgas strömt erst durch die Hochdruckturbine, die den Hochdruckverdichter antreibt, und dann durch die Niederdruckturbine. Die Ansaugluft wiederum wird erst durch den Niederdruck- und anschließend den Hochdruckverdichter geleitet. Den Ladedruck regelt ein verstellbarer Turbinenbypass (ähnlich einem Wastegate), der das Abgas unter Umgehung der Hochdruckturbine direkt zur Niederdruckturbine leitet. Bei hoher Motordrehzahl wird die Ladeluft um den Hochdruckverdichter herumgeleitet, um den Hochdrucklader nicht zu überlasten. Der Ladedruck beträgt bei der 150-kW-Variante knapp 3 bar (absolut)."
Für Wartungsarbeiten höchst ungünstig ist die Einbaulage des Steuerkettentriebs nicht vorne, sondern HINTEN am längs eingebauten Motor. Da kann ein Wechsel sehr teuer werden, weil hierfür vermutlich der Motor raus muss. Bislang sind jedoch Auffälligkeiten wie voreitig verschlissene Steuerketten wie z.B. bei VW TSI-Motoren nicht bekannt geworden, schon gar nicht bei dieser Laufleistung. Anfangs gab es bei diesem Motor massive Probleme mit den Piezo-Injektoren, die aber bei diesem Baujahr nicht mehr auftreten dürften:
"Ab Frühjahr 2011 bekamen dann sämtliche Varianten des 220 CDI die Magnet-Injektoren. Der 250 CDI wurde nie umgestellt – es blieb bei den mehrfach geänderten und überarbeiteten Piezo-Injektoren. Danach wurde es ruhiger um das Thema „Injektor-Probleme beim OM 651“. Nur noch vereinzelt waren Ausfälle beim 220 CDI und 250 CDI zu beklagen. Auch diese Einzelfälle wurden allerdings vom Hersteller ernst genommen und analysiert.
Auch der 220 CDI fällt unter die Kundendienstmaßnahme. Sofern nicht schon ab Werk ausgerüstet, werden hier ebenfalls die Piezo- gegen Magnet-Injektoren ausgetauscht. Fahrzeuge die bereits mit Magnet-Injektoren ab Werk ausgerüstet waren, erhalten vier neue Injektoren der aktuellen Generation (soweit nicht schon damit ausgerüstet). Die Arbeiten sind für den Kunden kostenlos und dauern rund 2 bis 3 Stunden. Den 200 CDI betrifft dieses nicht, er hat von Beginn an Magnet-Injektoren und war zu keiner Zeit von den Injektor-Ausfällen betroffen."
Wichtig ist dass die beschriebenen Upgrade-Massnahmen bei Deinem Auto durchgeführt und entsprechend dokumentiert wurden.
Grundsätzlich können solche Fahrzeuge aufgrund des hohen Gewichts vorzeitigen Verschleiß an Fahrwerkskomponenten aufweisen. Bei der Hinterachse wird das wegen deren sehr aufwendigen Mehrlenker-Bauweise schnell teuer. Die Grundcharakteristik dieser E-Klasse-Baujahre ist eher komfortbetont mit mehr bodyroll bei scharfer Fahrweise, also nichts für Fahrer die BMW gewöhnt sind.
Trotzdem oder gerade deswegen ist dieser E220CDI hoch herrschaftliches Fahren, abseits von unziemlicher Hektik mit im Hintergrund grummelnden OM651, niemals laut aber bei Bedarf mit energischem Vorwärtsdrang.