"ich würde für meine Hausarbeit gerne wissen, welche sexuellen Minderheiten am meisten diskriminiert werden?"
Wieso willst du das wissen? Was genau bedeutet denn "am meisten diskriminiert"? In welchem Umfeld? Rechtlich oder privat? Beziehst du dich auf sexuelle Orientierungen? Auf Geschlechtsidentitäten? Auf sexuelle Interessen?
Ja, Trans*-Personen haben es so im Durchschnitt sicher noch sehr viel schwerer als lesbische und schwule Personen, da das Thema trans* noch nicht so wirklich in der Gesellschaft angekommen ist, da es um was noch viel identitässtiftenderes als das sexuelle Begehren, nämlich um die eigene Geschlechtsidentität, geht, da es noch eine ganze Menge rechtlicher Diskriminierung in Deutschland gibt...
Und trotzdem gibt es trans*-Personen, die gut von ihren Eltern unterstützt werden, in der Familie und im Freundeskreis aufgefangen werden... und homosexuelle Menschen, die von ihrer eigenen Familie diskriminiert, rausgeworfen... werden.
Ich finde es verdammt schwierig, sowas zu pauschalisieren, da Diskriminierung immer sehr individuelle Erlebnisse sind, die sehr stark vom jeweiligen gesellschaftlichen und persönlichen Umfeld einer Person abhängen! Daher finde ich es ziemlich unsinnvoll, das gegeneinander aufzuwiegen und zu vergleichen!
"Ich gehe davon aus, dass Schwule mehr diskriminiert werden als Lesben."
Inwiefern? Das taucht immer wieder auf. Aber ich denke, sie werden einfach nur anders diskriminiert. Das hat ziemlich viel mit patriarchalen Gesellschaftsstrukturen zu tun! Irgendwie ist in den meisten Köpfen unbewusst immer noch verankert, dass ein Mann mehr gilt als eine Frau, dass ein Mann "das Sagen" hat über eine Frau. Ein Mann, der schwul ist, wird automatisch assoziiert mit "viel weiblicher, femininer"... Er gibt also ein Stück weit seinen Status auf, während eine lesbische Frau quasi an Status gewinnt. Das eine, nach "mehr" an Status zu streben, ist für die meisten nachvollziehbar, Status freiwillig aufzugeben, aber nicht.
Noch dazu sind unsere Vorstellungen, wie eine Frau zu sein hat, sehr viel variabler, verschwommener (geworden), als unsere Vorstellungen, wie ein Mann zu sein hat. Das zeigt sich schon an den Kleidungsnormen. Eine Frau in Hosen, ja sogar eine Frau im Anzug, mit Krawatte, ist nicht so super ungewöhnliches mehr und erregt wesentlich weniger Abwehr als ein Mann in einem Kleid. Die Frauenbewegung hat lange für ein Aufweichen der traditionellen Frauenrollen gekämpft und viel erreicht in dieser Hinsicht. Die Rolle des Mannes hingegen ist noch sehr viel starrer. Und nimmt man in diese Rolle das Sich-Kümmern-um-eine-Frau mit dazu, erzeugt es mehr Widerstand, wenn ein Mann sich quasi dieser traditionellen Rolle verweigert, als wenn eine Frau das tut.
Das alles führt dazu, dass Schwule sehr viel deutlicher offen angegriffen und angefeindet werden als Lesben. Noch dazu werden Schwule auch wahrscheinlich von Männern mehr angefeindet als von Frauen, Lesben von Frauen stärker als von Männern. Und ich kann mir auch gut vorstellen, dass Männer aufgrund ihrer Rollenprägung auch viel deutlicher in ihrer Ablehnung sind, während Frauen doch viel eher kompromissbereiter sind.
Dazu kommt, dass sowohl Aussagen als auch Handlungen von Frauen nie so starkes Gewicht bekommen als Aussagen und Handlungen von Männern. Ein Mann, der sich als schwul outet, wird damit definitiv als schwul angesehen, ist damit vielleicht mit viel stärkerer Ablehnung konfrontiert. Eine Frau, die sich als lesbisch outet, bekommt sehr häufig Sätze wie "Ach komm, du findest schon noch den Richtigen." "Das glaub ich dir so noch lange nicht." "Warte nur, bis irgendwann der Richtige kommt." oder gar "Die müsste nur mal so richtig rangenommen werden..." zu hören.
Ist jetzt halt die Frage, ob das diskriminierender ist, ganz deutliche Ablehnung zu spüren zu bekommen oder ob es nicht vielleicht sogar diskriminierender ist, gar nicht ernst genommen, gar nicht wahr genommen zu werden und wenn die eigenen Aussagen, Handlungen... ständig angezweifelt werden!??
Strafrechtlich sieht es ähnlich aus. Die allermeisten Gesetzesbücher, die Homosexualität verbieten, verbieten männliche Homosexualität. Weibliche Homosexualität wird totgeschwiegen. Die gibt es quasi einfach nicht.
Fazit: Ich finde es ziemlich müßig, verschiedene Diskriminierungen gegeneinander aufzuwiegen, wer jetzt mehr diskriminiert wird. Da kommt so viel zusammen, viele Menschen werden nicht nur aufgrund eines Merkmales diskriminiert, sondern aufgrund mehrerer, die sich aber gegenseitig auch wieder teilweise aufheben können. (Fachbegriff: "Intersektionalität") Da kannst du nicht einfach eine Rangfolge erstellen!
Trotzdem viel Erfolg bei deiner Hausarbeit! ;)