Was denkt ihr über mein Essay zum Thema Literaturkanon?

1 Antwort

Wir brauchen keinen Literaturkanon

Es stellt sich zuerst die Frage: „Was bezeichnet das griechische Wort Kanon?“ Im Altgriechischen bezeichnet man so einen „Rohrstab – κανών“, der im übertragenen Sinne festgesetzte, verbindliche Ordnung bedeutet. Dieser Begriff ist aber nicht nur in der Antike geläufig. So kann man ihn im Bezug auf Schriftmaß – veraltetes Schriftmaß für die Schriftgröße in der Typografie- verwenden; oder man spricht von einem Kanon als von einer verallgemeinerten Lösung eines mathematischen Problems. Mehr bekannt sind die Verwendungen dieses Ausdruckes in der Musik –ein Lied mit zeitlich versetzten Stimmen, etwa das populärste Werk Johann Pachelbels – oder in der Religion – eine Zusammensetzung heiliger Schriften. Bei diesen Deutungsrichtungen aber, zeigt Chronos (griechischer Gott der Zeit) mit seiner Sense auf das Gestern und Blickt mit seinen Augen Richtung Vergangenheit. Heutige und häufige Verwendung des Kanons zentriert sich jedoch auf heutiges Japan. Von Diesem Land kommen nämlich das Adventure-Computerspiel und einige Anime-Fernsehserien vom Jahr 2002, oder 2006, die alle den Namen Kanon tragen und von Ordnung oder von festgesetzten Werten handeln. Sogar eine bekannte japanische Sängerin und Cellistin heißt Kanon Wakeshima (bedauerlicherweise hat sie nichts mit den Serien zu tun und singt auch ihre Soundtracks nicht).

All diese Wortverwendungen haben etwas gemeinsames, das auch der Term des Literaturkanons bezeichnet: ein Richtmaß, oder eine Ordnung, ob in der Musik, Kirche, oder in der Literatur. Die Frage über den Sinn solch eines Kanons lässt sich aber leicht beantworten: Der Mensch schafft sich einen Richtmaß, bzw. eine bestimmte Ordnung, um diese später über einen Haufen zu werfen mit dem Ziel etwas anderes auszuprobieren. Schon seit dem siebzehnten Jahrhundert beschäftigen sich zahlreiche Literaturbesinnte einen sinnvollen literarischen Kanon zu schaffen. Einige sinnvolle Werke gehören heute immer noch dazu, andere unsinnvolle, damals jedoch sinnliche Werke wurden von Andersgesinnten aus dem Kanon herausgeschmissen. Wer entscheidet in diesem Fall, was sinnvoll ist, oder nicht? Welches Werk nun zu einem Literaturkanon gehört und welches nicht? Ergibt das noch einen Sinn?

„Literatur ist Geschmacksache“, wie es ein durchschnittlicher Jugendlicher heutzutage formuliert. In vielen verschiedenen Intermetblogs diskutieren Menschen über diesen Kanon und tauschen ihre Erfahrungen aus. Dadurch gewinnen sie einen Überblick über das Thema und werden zu „kleinen“ Experten. Einer von ihnen schreibt: „Marcel Reich Ranicki ist ein alter seniler Mann, der wirklich denkt, dass „Iphigenie auf Tauris“ die heutige Jugend in ihren Bann ziehen könnte. Das ist sehr unwahrscheinlich denn die Jugend von heute steht auf Atzenmusik mit flachen, sinnlosen Texten, Komasaufen, es ist auch normal sich halluzinogene Substanzen zuzuführen. Dagegen hat die verschlossene, prüde Iphigenie keine Chance.“

Fakt ist, dass man auch ohne einen Kanon überleben kann. Natürlich kann man in den alten Büchern Erfahrungen sammeln, besonders in den Klassikern. Doch es ist die Zeit des Fortschrittes und des Fernsehens. Man könnte den gesamten Literaturkanon verfilmen und im Fernseher ausstrahlen lassen. Es ist doch bei den meisten so, dass auf der Arbeit, oder in der Schule Ähnliches abläuft: „Hast du das und das gestern gesehen?“ wenn nicht, kann man nicht besonders mitreden - führt zu der Frage, ob man eigentlich noch ein soziales Leben hätte, wenn man gar nicht mehr fernsähe - ein absurder Gedanke. Fest steht, dass der Fernseher im Gegensatz zum Buch immer populärer wird. Wie will sich da noch ein Kanon mit - für die Jugend langweiligen – Büchern behaupten?

Für mich ist die Frage nach dem Sinn eines Literaturkanons klar und deutlich. Die Bücher können natürlicherweise empfohlen werden, jedoch nicht vorgeschrie-ben. Dann sollte solch eine Empfehlung von denen kommen, die sich mit der Literatur auskennen und sich längere Zeit damit beschäftigen. Hiermit kann ich mich einem Zitat Robert Fajens anschließen: „Ein Kanon ähnelt in gewisser Weise einem Kompass: Seine Nadel zeigt beständig nach Norden, doch muss dies nicht die Richtung sein, die man einschlägt.“