Wahre & Mittlere Sonnenzeit, Zonenzeit & Sommerzeit?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Jesser,

ich kann es ja mal versuchen. Kurz gesagt, könnte man das Ganze ausdrücken als: Die Erdbahn ist elliptisch, die Erdachse geneigt und die ganze Erde rund, nicht flach. All diese Eigenschaften machen Zeitmessung mit der Sonne schwierig...

Die "wahre Sonne" oder auch der "wahre Sonnenstand", das ist das, was Du wirklich echt siehst, wenn Du die Sonne am Himmel beobachtest. Also die "echte Sonne"

Wenn Du einen Stock in die Erde steckst und die echte Sonne einen Schatten wirft, dann kannst Du da jede Stunde einen Strich markieren. Die so erstellte "wahre Sonnenuhr" zeigt Dir genau, wie die Sonne an Deinem Beobachtungsort heute über den Himmel gezogen ist.

Würdest Du dieses Experiment aber wirklich durchführen, dann würdest Du auch feststellen, dass Deine so erstellte "wahre Sonnenuhr" nicht die Zeit Deiner Armbanduhr anzeigt. Fall Du zufällig mit einem Bekannten aus Görlitz telefonieren würdest, der heute dasselbe gemacht hat, dann würdet Ihr feststellen, dass Eute beiden Uhren Unterschiede anzeigen. Und Du selbst würdest in ein paar Monaten dasselbe von Deiner heutigen "wahren Sonnenuhr" sagen.

Die wahre Sonne läuft unterschiedlich schnell über den Himmel.

Das liegt an zwei Effekten, die sich überlangern: Erstens ist die Erdachse um 23,5 ° gegen die Ekliptik geneigt, was zu längeren Tagen im Sommer und kürzeren Tagen im Winter führt. Und zweitens läuft die Erde auf einer Ellipse um die Sonne, nicht auf einer Kreisbahn, was zu einer unterschiedlichen Bahngeschwindigkeit der Erde führt, was ebenfalls die Zeit zwischen 2 Meridiandurchgängen der Sonne beeinflusst.

Beide Effekte sorgen dafür, dass sich Sonnenauf- und Untergangszeit im Laufe des Jahres verändern und Tageslänge und Nachtlänge variieren.

Weil das aber für eine Zeitmessung im Alltag unpraktisch wäre, richtet sich unsere 24-Stunden-Uhrzeit nach so etwas wie einer gedachten "mittleren" Sonne, die gleichmäßig über den Himmel zieht. Und diese über die Schwankungen der tatsächlichen Sonnenbewegung gemittelte Sonnenbewegung heißt "mittlere Sonne" oder "mittlere Sonnenzeit".

Der Unterschied zwischen wahrer und mittlerer Sonne heißt "Zeitgleichung". Hier kannst Du Dir den ebenfalls schwankenden Verlauf ansehen:

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Zeitgleichung.png

Die Zeitgleichung ist also das, was eine Sonnenuhr, die Du bastelst im Vergleich zur mittleren Sonne vor oder nach geht. Diese Differenz kann schon mal knapp 20 Minuten groß sein, ist also nicht zu vernachlässigen.

So, jetzt haben wir bisher aber völlig außer Acht gelassen, dass die Erde eine Kugel ist. Wenn Du hier in Deutschland eine Sonnenuhr baust und sagst "jetzt zeigt sie 12 Uhr an", dann wird Dir jemand in Moskau mit seiner Sonnenuhr heftig widersprechen. Und jemand, der in Los Angeles seine Sonnenuhr betrachtet, der widerspricht Euch beiden.

Es ist unmittelbar klar, dass die Sonne auf einer Kugel nicht überall gleich weit auf ihrer täglichen Runde über den Himmel sein kann. Streng genommen erreicht die Sonne den Meridian (also den höchsten Stand) im nächsten Dorf Richtung Osten schon früher als bei Dir - und im nächsten Dorf Richtung Westen etwas später als bei Dir.

Das ist auch ein Unterschied, den wir durch die mittlere Sonne nicht wegkriegen, weil er daher kommt, dass die Erde rund ist. Weil es auch auch wieder unpraktisch ist, wenn jedes Dorf seine eigen Zeit hat, haben wir uns auf der Erde auf  "Zeitzonen" geeinigt.

Der Globus ist in 24 Zeitzonen aufgeteilt, jede hat eine Breite von 360/24 = 15 Längengraden. Und in jeder verwendet man eine eigene Zeit, nämlich die, die sich an der mittleren Sonnenzeit orientiert, die in der Mitte dieser Zeitzone gilt. Je weiter man also am Rande einer Zeitzone wohnt, desto weiter weicht eine Sonnenuhr, die man vor Ort baut von der Armbanduhr ab. Für uns hier ist das die MEZ, die Mitteleuropäische Zeitzone. Das ist die Zonenzeit.

Jetzt haben Wir es ja fast. =)

Jetzt muss man nur noch wissen, dass in vielen Ländern beschlossen wurde, in den Sommermonaten die Uhr um eine Stunde vorzustellen - also die Zonenzeit um eine Stunde vorzuschieben. Das ist die Sommerzeit.

Durch dieses Verstellen um eine Stunde nach vorne ist es am Abend länger hell, als wenn man die eigentliche Zonenzeit verwendet. Viele Leute empfinden es einfach als schön, wenn man die schönen lauen Sommerabende besonders lang genießen kann. Auch ging man davon aus, dass dadurch Strom gespart werden würde, weil dann die Leute abends weniger Licht anmachen. Dieser Stromspareffekt hat sich leider nicht eingestellt. Ich persönlich freue mich trotzdem jeden Sommer, wenn es abends so lange hell ist.

Ich hoffe, das hilft jetzt ein bissi weiter.

Grüße

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU
Jesser 
Fragesteller
 30.10.2015, 21:15

Exzellente Antwort! Hat mir wirklich geholfen! Vielen, vielen Dank! 

0

Beispiel Mitteleuropäische Zeit (MEZ). Diese orientiert sich am 15. Längengrad Ost. Nur dort steht die Sonne genau um 12 Uhr am höchsten. Mit jeden Grad nach Westen verschiebt sich der Sonnenhöchststand um 4 Minuten nach hinten, nach Osten um 4 Minuten nach vorn. So ist in Regensburg (12°Ost) der Wahre Mittag erst um (15-12)x4 = 12 Minuten nach 12 Uhr, also um 12:12 h.

Jesser 
Fragesteller
 30.10.2015, 21:13

Lieben Dank! Sehr verständlich :)

0