Mit psychischen Problemen FSJ im Ausland machen?
Hallo zusammen,
würdet ihr jemandem, der vor einigen Monaten an einer mittelgradigen Depression erkrankt ist, welche aber mittlerweile nahezu vollständig überwunden ist, davon abraten ein FSJ im Ausland zu machen, speziell in Südamerika? Es würde im August los gehen. Ich habe schon manchmal gehört, dass man psychisch belastbar sein soll. Keine Ahnung was das bedeuten soll und ob das für mich relevant ist. Ich muss leider sehr spontan eine Entscheidung treffen und kann mit niemandem mehr sprechen, ins besondere nicht mit meiner Therapeutin.
1 Antwort
Hallo SmokeyBud,
In der Tat, wenn du dich in eine andere Kultur begibst, hast du mit einer Vielzahl von Veränderungen zu kämpfen, die auch Personen, die nicht psychisch vorbelastet sind, an den Rand ihrer Möglichkeiten bringen können. Oder auch darüber hinaus. Das nennt man dann Kulturschock. Hier mehr dazu http://www.wegweiser-freiwilligenarbeit.com/vor-und-nachbereitung/kulturschock-nicht-mit-mir/
Wenn du Freiwilligenarbeit im Ausland machen willst (FSJ im Ausland ist ein genau definiertes Förderprogramm, dass es so fast nicht mehr gibt), kommt noch dazu, dass du mit der Notlage anderer Menschen zurechtkommen musst, und sich das Ganze in einem Entwicklungsland abspielt. Armut hautnah zu erleben ist eine zusätzliche psychische Belastung.
Deswegen musst du in jedem Fall genau mit deiner Therapeutin darüber sprechen, was sie davon hält. "Ich kann darüber mit ihr nicht sprechen" gilt nicht. Die Aufnahme-Projekte arbeiten mit Volunteers, weil sie sich Arbeitsentlastung erhoffen, nicht weil sie sich um deinen evtl. Rückfall in die Depression kümmern wollen. Du darfst die Offenheit deiner Gastgeber nicht als Therapie missbrauchen.
Darüber hinaus bist du verpflichtet, ggf. die Freiwilligen-Organisation, die dir den Aufenthalt ermöglicht, über deine Erkrankung zu informieren. Weil du eine verantwortungsvolle Person bist, hattest du das sicher ohnehin vor.
Ich hatte selbst bereits mit einem Fall in Bolivien zu tun, wo die Freiwillige allen Beteiligten ihre Depression verheimlicht hatte, und dann innerhalb weniger Stunden einen sehr schweren Rückfall erlitten hat. Ein Familienmitglied musste von einem Tag auf den anderen ausfliegen, weil keine Reiseversicherung die Rückführung einer solchen Person übernimmt. Das war für Alle eine extrem negative Erfahrung, die sicherlich auch der depressiven Freiwilligen nicht geholfen hat. Von den Kosten für die Rückführung ganz zu schweigen.
Mit offenen Karten zu spielen ist die Grundvoraussetzung, damit du vor Ort nützlich sein kannst.
Viel Glück und Kraft bei deinen Überlegungen!
Frank Seidel von wegweiser-freiwilligenarbeit.com