Hat jemand den Text "Haus ohne Mitleid" von Paul Gurk als PDF oder Word-Dokument?

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Woa, wo hast denn das her gehabt? nicht als doc, aber direkt hier:

"In Nordfrankreich wurde auf einer Landstrasse, die einige Meilen von Paris beginnt und zur Küste führt, an einem heiteren Tage ein Strassenarbeiter überfahren. Der Verunglückte starb während der Überführung nach dem Krankenhaus, ohne die Besinnung wiedererlangt zu haben. Einige Bauern konnten nur aussagen, dass sich der schuldige Lenker des Kraftwagens, der mit grosser Geschwindigkeit gefahren sei, im schnellsten Tempo entfernt habe, ohne sich nach dem Arbeiter umzusehen. In den Zeitungen wurde mitgeteilt, dass der verunglückte Strassenarbeiter eine unglückliche Witwe mit drei kleinen Kindern hinterlassen habe und dass trotz aller Bemühung bei den geringen Anhaltspunkten we-der der Kraftwagen noch der Lenker zu ermitteln gewesen sei. Vier Wochen später jedoch wurde die Witwe des Strassenarbeiters durch eine mit der Post gesandte Geldspende überrascht, deren Absender den wahren Namen nicht genannt, und nur gebeten hatte, an eine Deckadresse den Empfang zu bestätigen. Die Witwe bedankte sich sofort bei dem ungenannten Wohltäter, indem sie ihre traurige Lage und das harte Geschick der unversorgten drei Kinder in ihren einfachen, ungelenken Worten ergreifend schilderte. Hierauf traf jeden Monat eine Geldsumme unter denselben Umständen ein, solange, bis die Polizei sich der Sache annahm. Man vermutete nämlich, der immer noch unbekannte Täter, mindestens ein Mörder aus Fahrlässigkeit, habe sein schlechtes Gewissen und seine Reue durch diese Spende entlasten wollen, ohne sich einer Strafe durch Nennung seines Namens auszusetzen. Durch genaues Zusammenwirken der verschie-denen Dienststellen der Post und der Polizei gelang es ohne allzu grosse Schwierigkeiten, den Absender in einem wohlhabenden Pariser Kaufmann zu ermitteln. Der Kaufmann beteuerte vergebens, es habe ihn allein reines Mitleid zu seinen Handlungen getrieben. Die Lage der Hinterbliebenen, in einem Zeitungsaufsatz genau geschildert und durch die schlichten Worte der Witwe bestätigt, habe ihn unwiderstehlich gerührt, und er sei sich seiner eigenen gesicherten Lage wie einer Schuld und einer Verpflichtung bewusst geworden. Die Behörden ermittelten bemerkenswerte Belastungen. Der Kaufmann besass einen Kraftwagen, den er selbst zu steuern pflegte. Es wurde auch festgestellt, dass der Beklagte am Tage des Unglücks Paris in nördlicher Richtung verlassen habe und wenige Meilen vom Tatort von einem Bekannten erkannt und gegrüsst worden sei. Der Kaufmann musste dies zugeben. Er gab jedoch an, einen Zeugen zu haben, der seine völlige Unschuld sofort beweisen könne. Er habe den ihm bekannten Vertreter einer grossen Wollfirma, der nach England zu reisen beabsichtigte, in seinem Kraftwa-gen mit an die Küste bis in die Nähe von Cherbourg genommen. Er selbst habe einige Tage Erholung genossen und sei dann nach Paris zurückgekehrt. Die Polizei stellte jedoch fest, dass dieser Zeuge in England nach kurzer Zeit gestorben sei. Unter diesen Umständen wurde der Kaumann, ungeachtet seiner heftigen Unschuldsbeteuerungen, verhaftet und vor Gericht gestellt. Es half ihm nichts, dass er wiederholt auf das einfache menschliche Mitleid hinwies. Die Beweise erschienen völlig ungenügend. Der Kaufmann wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt und verbüsste seine Strafe. Als der Kaufmann das Gefängnis verliess, löste er sein Geschäft auf, verkaufte alles und zog sich in einen kleinen Ort zurück, in dem er ein abgelegenes Haus bewohnte. Er schützte sich durch Zäune, Selbstschüsse und bissige Hunde. Kein Almosen wurde je von ihm gereicht, und er selbst wurde kaum am Tage gesehen. An seiner Vorgartentür war ein Schild mit der Aufschrift „Haus ohne Mitleid“ angebracht. Der Kaufmann lebte noch fünf Jahre. Acht Tage nach seinem Tode gab ein Maschinenschlosser auf dem Totenbett an, dass er auf einer Schwarzfahrt den Arbeiter überfahren habe. "