Ab wann ist die Falsche Verdächtigung strafbar - beispiel?

2 Antworten

Den Straftatbestand "falsche Verdächtigung" gibt es nicht.

Strafbar sind hingegen:

a) üble Nachrede = ich behaupte etwas Negatives über jemanden, ohne es beweisen zu können (z.B. "Nachbar XY hat so ein rotes Gesicht - der säuft bestimmt wie ein Loch")

b) Verleumdung - dasselbe Beispiel, nur weiß ich in dem Fall z.B. ganz genau, dass der Nachbar nicht säuft, sondern einen stark erhöhten Blutdruck hat und deshalb so rot im Gesicht ist.

Grinzz  29.10.2019, 21:01
Den Straftatbestand "falsche Verdächtigung" gibt es nicht.

Das ist spannend. Und wie würdest du § 164 StGB nennen?

Tipp: Der Gesetzgeber nennt ihn "falsche Verdächtigung" 😉

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Hallo!

Na, es wäre leichter dir den § 164 StGB erstmal zu erklären - also grob 😉

Ich zitiere mal den ersten Absatz in Auszügen:

(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger (...) oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat (...) in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird (...) bestraft.

Das Gesetz nennt dabei einige Voraussetzungen. Es müssen alle Voraussetzungen erfüllt sein, damit der Straftatbestand vorliegt. Fehlt es nur an einer Voraussetzung, liegt keine falsche Verdächtigung vor. Also, gehen wir sie mal durch:

(1) einen anderen: Es kann nur eine fV (=falsche Verdächtigung) sein, wenn eine andere Person verdächtigt wird. Wer sich selbst verdächtigt, macht sich keiner fV verdächtig (etwa: "Nein, ich hatte keinen Autounfall und bin abgehauen; ich bin nur betrunken gefahren."). Zugleich muss die verdächtigte Person konkretisierbar sein. Man muss nicht zwingend den Herrn Max Mustermann aus der Musterstraße anzeigen, aber einfach nur "einen Mann" anzuzeigen, wäre zu unkonkret. Hingegen ist "Die Frau von der Tanke mit den roten Haaren und dem Tattoo am Hals" würde ausreichen.

(2) bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder öffentlich: Also kurz gesagt: Die Polizei ist eine Behörde, der Polizist auf der Straße ist ein Amtsträger, der zur Aufnahme von Anzeigen zuständig ist. Auch Gerichte oder Staatsanwaltschaften sind darunter zu fassen. Alles weitere spare ich mir hier mal 😜

(3) wider besseres Wissen: wider bedeutet hier: entgegen. Man kann also nur dann eine fV begehen wenn man jemanden beschuldigt, obwohl man sicher weiß, dass es falsch ist. Man muss also entgegen seines eigentlich besseren Wissens etwas Falsches anzeigen. Falls Oma Huber also anzeigt: "Der Jonas von nebenan, das ist so Lausbub. Der war das ganz bestimmt. Aber gesehen habe ich ihn natürlich nicht, es war ja dunkel", dann reicht das nicht aus. Oma Huber hat dann nicht den Jonas angezeigt, obwohl sie sicher wusste, dass er es nicht war. Selbst wenn sie sich zusätzlich noch gedacht hätte "aber eigentlich ist der viel zu klein um durch das Fenster klettern zu können", ist es keine fV. Sie hält es dann zwar für möglich, dass Jonas es nicht war. Aber sicher gewusst hat sie es nicht.

Für detailliebhabende Puristen: Hier gibt es Streitigkeiten unter den Gelehrten worauf genau sich das Wissen alles beziehen muss und worauf nicht.

(4) rechtswidrige Tat: gemeint ist eine Straftat. Für Ordnungswidrigkeiten gibt es aber auch noch Abs. 2. Hinzu kommen auch Dienstvergehen bei Beamten oder Soldaten (das habe ich wegen der Lesbarkeit im obigen Gesetzestext unterschlagen). Wenn Tom seinen Fußballfreund Tim anzeigt, weil dieser ihm die Freundin ausgespannt habe, obwohl Tom weiß, dass es überhaupt nicht stimmt weil Tim im Urlaub war, ist das zwar eine Sauerei. Aber es ist keine fV, weil es sich dabei nicht um eine Straftat handelt.

(5) verdächtigen: Damit ist das Unterbreiten oder Zugänglichmachen von Tatsachenmaterial, das einen Verdacht gegen eine bestimmte andere Person begründen oder einen schon bestehenden Verdacht verstärken kann. Das kann natürlich durch eine Strafanzeige passieren. Es kann auch durch das Schaffen von Verdachtsmomenten geschehen; also wenn der Einbrecher das Handy seines Erzfeindes in der Wohnung deponiert.

(6) in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen: Damit ist gemeint, dass der Täter (entgegen dem Wortlaut) entweder das Ziel hat gegen den Beschuldigten ein Strafverfahren herbeizuführen oder aber dies als sichere Folge seines Handelns ansieht. Heißt, dass jemand, der nicht weiß das die Polizei aus diesen Infos ein Strafverfahren machen würde, der begeht keine fV. Der Trucker Dieter, der dem Streifenpolizisten erzählt: "Nein, meine Fahrerlaubnis lasse ich immer verlängern. Ha, ich mache das ja nicht so wie der Rüdiger Grau. Der hat die noch nie verlängert, und das seit 10 Jahren. Und der fährt noch mehr Touren als ich. Nein, so blöde bin ich nicht", rechnet vielleicht gar nicht damit, dass gegen Rüdiger ermittelt werden könnte.

Das ist nun echt alles sehr kurz. Und es schon erhebt überhaupt keinen Anspruch auf Vollständigkeit! Es soll vielmehr eine Art grober Überblick sein, der die meisten Feinheiten und Besonderheiten ausgeklammert hat. Wer das bis hier verstanden hat ist herzlich eingeladen sich den § 164 StGB im Selbststudium näher beizubringen 😉