Wurde der Urknall von Gott ausgelöst?

25 Antworten

Hallo.


naturwissenschaftlich gesehen:

"Alles basiert auf dem Ursache-Wirkung-Prinzip. Da muss der Urknall aber dann auch eine Ursache gehabt haben."

Nein. Nicht jedes Ereignis im Universum braucht eine Ursache. Das Ursache-Wirkungs-Prinzip greift physikalisch gesehen nur ein einem Bereich des Universums, während die meisten Ereignisse im Universum nicht determiniert sind (d.h. zufällig geschehen). Das klingt eigenartig  - ist aber so. Diese Erkenntnis hat die Physik vor 100 Jahren auch ziemlich erschüttert.

--> Daher muss der Urknall nicht notwendigerweise eine Ursache gehabt haben.

Die Naturgesetze beruhen auf fundamentalen Wechselwirkungen, von denen bis jetzt vier bekannt sind (Gravitation, Elektromagnetismus, schwache Wechselwirkung, starke Wechselwirkung), vielleicht entdeckt man auch irgendwann noch mal eine weitere Wechselwirkung. Hypothesen dazu gibt es bereits. Die Elementarteilchen, welche für die Wechselwirkungen verantwortlich sind, dürften, soweit ich weiß, erst mit bzw. kurz nach dem Urknall entstanden sein.

--> Daher gab es vor dem Urknall keine Gesetzmäßigkeiten nach denen irgendetwas notwendig gewesen sein könnte.


philosophisch gesehen:

Grundsätzlich ist dein Gedanke ja gar nicht so dumm. Schon im 4. Jh. v. Chr. hat Aristoteles ähnliche Ansichten vertreten. Durch Beobachtung kam Aristoteles in seiner Naturphilosophie ("Physik") zu der Ansicht, dass jede Bewegung in der Welt auf einer Ursache beruhen müsse. Daher, folgerte Aristoteles in seiner Methaphysik, müsse am Anfang aller Bewegung ein unbewegter Beweger stehen, welcher die Dinge allein kraft seiner Gedanken zu bewegen vermag - Gott.
Das ändert aber nichts daran, dass die Naturphilosophie und die Bewegungslehre des Aristoteles inzwischen widerlegt sind. Damit sind die Prämissen für die Folgerung eines unbewegten Bewegers hinfällig.


theologisch gesehen:

Wenn man an Gott glauben will und glaubt, dass die Welt seine Schöpfung ist, dann muss man sich auch vorstellen, dass den Urknall wollte. Das ist erst mal ein Glaubenssatz, der mit dem, was wir oben festgehalten haben, nicht widerlegt ist. Er kann aber auch nicht, wie du es anscheinend versuchst, naturwissenschaftlich bewiesen werden. Im religiösen Glauben und damit in der Theologie "beweist" oder "widerlegt" man eine Glaubensaussage schließlich durch die Berufung auf eine übernatürliche Offenbarung z.B. auf Jesus Christus im Christentum, auf den Koran im Islam...

Jedenfalls würde ich die Frage "Wurde der Urknall von Gott ausgelöst?" daher mit - vielleicht beantworten.

Übrigens weiß ich nicht, ob so ein Gottesbild, wie das von Aristoteles, bei dem man sich Gott als großen Anschubbser vorstellt, für Gläubige wirklich so attraktiv ist. Schließlich betrachtet man Gott dann als das höchste Sein unter anderen Seindenden. Dann ist Gott zwar das höchste Ding, aber eben nur ein Ding unter anderen Dingen in der Welt. Gott wäre dann jedenfalls nicht mehr völlig transzendent; die Transzendenz und Jenseitigkeit Gottes zu lehren, ist ja eigentlich ein Bestandteil der monotheistischen Glaubenssysteme... Aber das wäre jetzt eine andere Frage.






mulano 
Fragesteller
 22.10.2017, 23:28

Was widerlegt Aristoteles Überlegungen? Dem letzten Absatz kann ich nicht zustimmen.

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nax11  23.10.2017, 08:26
@mulano

Aristoteles' unbewegter Erstbeweger ist nicht widerlegt, aber es gibt eben auch kein einziges Indiz, das ihn erfordert.

Deshalb ist das kein Gegenstand der (Natur-)Wissenschaft, sondern der Philosophie. Aber nicht der Naturphilosophie, denn die stützt sich mindestens auf die Metaphysik (soviel wie nötig, aber so wenig wie möglich).

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TheHarshHeretic  23.10.2017, 14:18
@nax11

Aristoteles Beweis sah in etwa folgendermaßen aus:

Prämisse (1) Alles hat eine Ursache.

Prämisse (2) Ein infiniter Regress an Ursachen wäre unsinnig

Schlussfolgerung (1) Es gab eine Ursache, die selbst keiner Ursache bedarf und alles in Bewegung brachte.

Schlussfolgerung (2) Diese Ursache ist Gott

Kritik:
Die Prämisse 1 und 2 widersprechen sich und zweitens ist das Argument zirkulär. Des Weiteren sehen wir eine antike Vorstellung von Physik und Kausalität. Das Argument ist überholt und falsch.

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Gruenkohl28  23.10.2017, 14:53
@nax11

"Was widerlegt Aristoteles Überlegungen?"

Die moderne Naturwissenschaft. Details folgen:

"Aristoteles' unbewegter Erstbeweger ist nicht widerlegt, aber es gibt eben auch kein einziges Indiz, das ihn erfordert."

Eben. Das wollte ich sagen. Ich habe nicht behauptet, dass die Annahme eines unbewegten Bewegers widerlegt ist.

Inzwischen ist die Annahme eines göttlichen, unbewegten Bewegers jedoch nur noch eine unbegründete Behauptung.
Im Werk des Aristoteles ist sie das jedoch nicht. Die Annahme eines unbewegten Bewegers folgt bei Aristoteles notwendig aus einigen Grundannahmen der Metaphysik und seiner Bewegungslehre, welche auf naturphilosophischen Beobachtungen beruht. Letztere haben sich als unzutreffend erwiesen.
Der aristotelische Bewegungsbegriff, welcher der Annahme des unbewegten Bewegers zugrunde liegt, ist schon seit Newtons Mechanik obsolet und seit dem 20. Jh. endgültig aus dem Rennen.

Man kann schon noch an einen unbewegten Beweger glauben, aber man kann ihn, im Gegensatz zu Aristoteles, nicht mehr begründen.

@nax11: Ich bin jetzt kein besonderer Aristoteles-Fan, also falls du meinst, dass ich mit meiner Aristoteles-Exegese falsch liege und auf Stellen z.B. in der Metaphysik verweist, dann schaue ich mir die bei Gelegenheit noch mal gründlich an...

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TheHarshHeretic  23.10.2017, 14:56
@Gruenkohl28

Im Kalam-Argument ist das Ganze schon besser gelöst mit: "Alles, was zu existieren beginnt, hat eine Ursache."

Allerdings ist auch das falsch (siehe meine Antwort zu Bedingungen, um von Kausalität sprechen zu dürfen).

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Gruenkohl28  23.10.2017, 15:20
@mulano

"Dem letzten Absatz kann ich nicht zustimmen."

Musst du nicht. Zumindest kannst du dir Gott als höchstes Sein, neben anderen Seienden in der Welt vorstellen. Wenn man über Gott nachdenken möchte, ist das eine Möglichkeit.

Was dann jedoch hinfällig wird ist der Glaube an die absolute Transzendenz Gottes. Beides kann man m.E. nicht haben.

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Lolligerhans  23.10.2017, 18:21

Find ich alles toll.

Möchte noch anmerken, dass die Prämisse "Alles basiert auf dem Ursache-Wirkung-Prinzip" einen Gott ausschließt, welcher nicht selbst Wirkung einer Ursache ist. Einen Gott, der, wie nach den gängigsten Vorstellungen, ewig und ohne Ursprung ist, wäre durch diese Annahme also sogar widerlegt.

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Meine Mutter war Physikerin, mein Vater war Physiker. Ich bin es nicht und will die Frage bestimmt nicht vom physikalischen Standpunkt beantworten. Mein Fach war Philosophie - eines meiner Fächer.

Die Physiker wissen nicht, ob es eine Ursache des Urknalls gab, und, wenn ja, welche. Genau genommen wissen sie noch nicht einmal genau, ob es einen "Ur"knall gab, es spricht aber viel dafür.

Nehmen wir also einmal an, es gab einen und er hatte eine Ursache. Die Annahme selbst ist schon dann schon eine Glaubensfrage; es hindert Dich aber kein triftiges Argument, daran zu glauben. Und wenn Du das tust, hindert Dich auch keines daran, diese Ursache "Gott" zu nennen. Im Wesentlichen ist das eine Frage der Benennung.

Immerhin bist Du damit dann in weitgehender Übereinstimmung mit vielen herkömmlichen Gottesvorstellungen, jedenfalls mit der wichtigsten, der des Schöpfergottes. Allerdings musst Du Dir dann auch klar machen, dass Du Dich völlig verabschieden musst von der Vorstellung von Gott als einem irgendwie den Menschen ähnlichen Wesen. Dann dass ein solches Ursache des Urknalls gewesen sein sollte, ist völlig unglaubwürdig.

Das sogenante Kausalitätsprinzip gilt nur innerhalb der deterministischen Physik Newtons.  Das Meiste im Universum läuft aber indeterministisch ab, weswegen das Kausalitätsprinzip auch nicht universell gültig ist. Da die Voraussetzung deiner Überlegung schon nicht stimmt, stimmt natürlich  auch die Schlussfolgerung nicht.

"Alles basiert auf dem Ursache-Wirkung-Prinzip."

Das ist eine für den Anfang des Universums nicht verifizierbare Behauptung. Zudem ist es eine Behauptung, die für bestimmte Anteile der Welt, für die wir gute Sachkenntnis haben, tatsächlich nicht stimmt: Die Quantentheorie.

Wenn man weiss, dass wir nicht wissen, ob der Urknall "verursacht" wurde und was den Urknall dann "verursacht" haben könnte und uns dieses Wissen möglicherweise nie zugänglich wird, steht die Gottesbehauptung als ein ziemlich isoliertes Konstrukt dar, welches definitiv nicht besser ist, als andere Behauptungen, die versuchen ein "vor" dem Urknall zu postulieren.

mulano 
Fragesteller
 22.10.2017, 22:30

Vllt hat man die Ursache in der Quantentheorie nur noch nicht entdeckt und denkt daher das sie ohne Ursache wäre? Nur weil du etwas nicht weisst bedeutet das nicht das es keine Ursache hatte.

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oopexpert  23.10.2017, 08:40
@mulano

Mulano... du verstehst nur das, was du verstehen willst...

Die Kernaussage ist: Wenn ich etwas nicht weiss, dann postuliere ich nicht auf Grundlage meines Unwissens, egal ob meine Vermutung wahr sein könnte oder nicht, oder ich es irgendwann vielleicht mal genau oder besser wissen könnte. Der Zeitpunkt der Behauptung ist dann gegen, wenn es gesicherte Erkenntnisse gibt und sich diese Erkenntnisse konsistent in unser Wissensnetz einfügt.

Es geht um die Akzeptanz einer sinnvoll geschnittenen Erkenntnisgrenze, die einen vor einem inkonsistenten Weltbild schützt.

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Lolligerhans  23.10.2017, 18:43
@oopexpert

Du scheinst dir nicht bewusst zu sein, dass es tatsächlich Hinweise gibt, dass versteckte Variablen, welche bloß nicht gemessen werden können, nicht existieren könnten.

Diese sind deutlich besser als "es bloß nicht wissen". Dass mulano dieses "nicht wissen" überhaupt erst unterstellt legt nahe, dass er das Internet nicht selbst benutzt um seine Fragen zu beantworten.
Dass dann Unklarheiten entstehen ist offensichtlich.

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oopexpert  23.10.2017, 18:53
@Lolligerhans

Mein Hirn schafft gerade nicht deine doppelte Verneinung zu decodieren. War da ein Fünkchen Ironie enthalten?

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Brausenkiller2  28.04.2018, 02:27
@oopexpert

keine Ironie aber eine Verneinung zu viel.

Aber es ist natürlich immer ein Totschlagargument mit Dingen wie unbekannten Variablen zu kommen nur um der Eventualität eines Gottes ein Stück näher zu sein. Dann wird der Wunschgedanke gerne mal zur Realität, so what ...

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Alles basiert auf dem Ursache-Wirkung-Prinzip

Da weißt du mehr als normale Menschen.
Im Gegenteil, in der Quantenwelt spricht eher alles dagegen.

Ist Hybris=Überheblichkeit nicht eine der sieben Todsünden?

mulano 
Fragesteller
 22.10.2017, 22:33

Warum bist du so überheblich und meinst das du recht hättest? Es könnte sein das man die Ursache noch nicht entdeckt hat und deswegen davon ausgeht es wäre keine nötig.

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ThomasJNewton  22.10.2017, 22:39
@mulano

Warum liest du meine Antwort nicht, bevor du sie kommentierst?

Ich habe nicht behauptet, dass es keine Ursache gibt.

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