Themenspecial 24. April 2024
Essstörungen
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Wie hilft man Magersüchtigen sich ihrer Körperschemastörung bewusst zu werden?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Naja das ist halt ein möglicher Teil der Krankheit. So als ganz platter Vergleich: ein Flatearther denkt ja auch, die Welt ist flach, obwohl es dafür keine Indizien gibt bzw. genug Gegenbeweise. Und manche wissen auch, dass sie zu dünn sind, aber das nimmt man hin, weil die Zahl auf der Waage einfach gering sein "muss". Das ist keine bewusste Entscheidung gegen das Leben oder gegen die Gesundheit, das ist ein innerer Drang einfach. Man sieht es auf Fotos, dass man dünn ist ja, aber man merkt nicht wie krass dünn man ist bzw. sieht einfach nur die Bestätigung. Wenn man hört, dass man zu dünn ist, dann nimmt man das zwar wahr, aber ja entweder man ignoriert es und sieht es einfach selbst nicht so und sieht sich als dick oder man weiß es zwar irgendwie, aber denkt, man hat es unter Kontrolle und wie gesagt, sieht eher die Bestätigung darin.

Vor allem, dass es auch etliche Betroffene gibt, die einen noch geringeren BMI haben und "leben", gibt einem immer eine gewisse "Sicherheit" und das Argument "andere sind aber noch dünner".

Der BMI an sich ist ja auch bisschen zu kritisieren, weil der ja Muskeln, Knochen etc nicht einberechnet. Solche Argumente können einen auch dazu verleiten, die Kategorie "Untergewicht" oder sogar starkes Untergewicht als nicht so aussagekräftig zu bewerten für sich selbst.

Wie auch schon in der anderen Antwort gesagt wurde, beeinträchtigt Mangelernährung bzw zu wenig Energie das Gehirn und die Konzentration. Daher muss man (ich glaube bei einem BMI unter 17.5) auch erstmal zunehmen, bevor man Therapie anfängt, weil man sonst nicht wirklich "zuverlässig" ist sozusagen. Was natürlich auch verlockend ist, dann gar nicht erst eine Therapie anzufangen oder das aufzuschieben.

Aber wie gesagt, das ist einfach eine Störung, da können die Betroffenen auch nichts für.

Mir hatte es geholfen, von Ärzten oder eher fremderen/Bekannten Leuten entsprechende Kommentare/Sorgen zu hören und die besorgten Blicke vor allem zu sehen. Bei Familie und den engsten Freunden hatte ich immer das Argument, dass die halt emotionaler reagieren und übertreiben. Der BMI war für mich auch nur Bestätigung, dass ich dünn bin, ich hab teils sogar indirekt schon fast die Kategorisierung des BMIs hinterfragt. Auf Fotos fand ich mich dünn, ja. Aber nicht zu dünn. Das realisiert man erst langsam. Jetzt bin ich im untersten Normalgewicht und ja, die leichte Verzerrung ist immer noch da. Mir hat es auch geholfen Erfahrungen von anderen zu lesen bzw. auf youtube entsprechende Videos von Recoverys zu sehen und auch Bilder von mir anzuschauen, sowohl die dünnsten als auch mit normaler Figur. Und Fitnessstudio hilft auch vielen etwas zuzunehmen, ohne dass alles in Fett angesetzt wird, man kräftiger wird und auf Fotos eine vitalere Figur sieht.

Unprovokable 
Fragesteller
 08.05.2024, 15:34

Mal wieder von einem random User eine bessere Antwort bekommen als von der Organisation, die ANGEBLICH solche Experten auf dem Gebiet sind ...

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lena1815  08.05.2024, 16:40
@Unprovokable

Naja als Organisation muss man mehr drauf achten, was man schreibt. Ich hab nur meine Erfahrungen und ohne jegliche Expertise und Verlässlichkeit was geschrieben😅

Aber ja, finde die Antworten zum themenspecial auch nur bedingt hilfreich, vieles kann man ganz einfach auch auf deren oder anderen Websites lesen😅

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Hallo Unprovokable,

vorab die Infoamtion, wir werden in der nächsten Zeit alle noch offenen Fragen beantworten. In den zwei Stunden haben wir leider nicht mehr geschafft. Es waren tolle Fragen dabei aber wir mussten teilweise auch sehr ausführlich antworten.

Zu Deiner Frage: Studien weisen darauf hin, das Fähigkeit der Mentalisierung bei Betroffenen eingeschränkt ist. Untergewicht und Mangelernährung scheinen dies auch noch zu verstärken. So wird das Gefühl ”zu dick“ zu sein zur Realität.

Zur Erklärung Eintrag aus Wikipedia: Mentalisierung oder auch Mentalisation ist ein Fachbegriff aus der Psychologie und Psychoanalyse. Er beschreibt die menschliche Fähigkeit, psychische Zustände in sich selbst und bei anderen wahrzunehmen und auf diese Weise das Verhalten anderer Menschen durch Zuschreibung mentaler Zustände zu interpretieren. Wikipedia

War diese Erklärung ausreichend für Dich?

Liebe Grüße

Sabine

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Päd. Fachkraft aus dem Projekt ANAD Digital Streetwork
Unprovokable 
Fragesteller
 26.04.2024, 18:41

Das ist eine sehr interessante Theorie. Sie meinen also, durch den geringen Blutzuckerspiegel ist das Gehirn nicht mehr fähig, seine Selbstwahrnehmung zu hinterfragen und verfängt sich in reinen Glaubenssätzen und Unsicherheiten? Interessant. Nach dieser Theorie müssten dann Esssüchtige im Prinzip einsichtiger sein als Magersüchtige, da ihr Blutzucker ja hoch genug ist. Ist das denn so? Auch von Übergewichtigen oder Menschen, die bei Frust viel essen kenne ich eine sehr geringe Uneinsichtigkeit - sie geben z.B. häufig ANDEREN oder Situationen die Schuld für ihr eigenes Essverhalten. Es stimmt allerdings, dass sie sich ihres Übergewichts und seiner Folgen eher bewusst sind.

Wäre es vielleicht hilfreich verstärkt Kampagnen einzusetzen, die auf die Gefahren von Untergewicht hinweisen? Die Allgemeinheit ist recht gebildet bezüglich der Gefahren von Übergewicht (Herzinfarkte, Diabetes, Kniegelenke) aber über die konkreten Gefahren von Untergewicht wird wenig unterrichtet. Gibt es von Ihnen entsprechende Newsletter, Artikel usw. die man verlinken könnte?

Nun eine Hauptfrage bleibt bei mir weiterhin offen: Wieso nehmen Magersüchtige den BMI Wert einfach nicht als unumstreitbaren Fakt wahr? Wieso verstehen Sie UNTER-Gewicht nicht als etwas SCHLECHTES, als eine KRANKHEIT? Sondern gar als etwas erstrebenswertes? Wieso verstehen sie die Notwendigkeit des Fetts im Körper nicht? Fett ist mehr als nur ein Energiespeicher. Fett ist überlebensnotwendig.

Als ich letztens eine Diskussion führte mit einer 70kg schweren Frau, deren Ziel es sei 45kg zu wiegen, schrieb ich "dein idealgewicht wäre 65kg, ein Ziel von 45kg ist wahnsinnig, da bist du vermutlich sogar tot" - darauf antwortete sie tage später, sie kenne eine freundin, die mit 45kg noch nicht tot sei. Ich weiß nicht, wie ich solchen Menschen begreiflich machen soll, dass sie ungesunde, abnormale, selbstschädigende Ziele haben - immer wenn ich denke, ich hätte sie unumstreitbar überzeugt, finden sie ein neues Schlupfloch um ihre Taten zu rechtfertigen. In diesem Fall habe ich den Chat aus Überforderung und Selbstschutz dann beendet.

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, alle Fragen zu beantworten. Essstörungen sind ein sehr wichtiges, verbreitetes Thema in unserer Gesellschaft.

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Sweety432  28.04.2024, 14:07
@Unprovokable

Tatsächlich ist es so, dass das Gehirn nicht mehr optimal arbeiten kann, weil Nährstoffe und Energie fehlen.

Als ich mitten in der Magersucht stecke habe ich es auch nicht gesehen oder gemerkt. Soweit konnte (und wollte) ich gar nicht denken.

Wenn ich heute darauf zurück blicke, ist es krass und verwundert mich, wie ich das nicht merken/einsehen konnte. Bin jetzt normalgewichtig.

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Unprovokable 
Fragesteller
 28.04.2024, 19:14
@Sweety432

Danke für deinen Erfahrungsbericht!!! Daran hätte ich gar nicht gedacht!

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