Wie bekommt ein Autor (Insider-)wissen über Jugendamt?

2 Antworten

In Romanen findet man oft Danksagungen des Autors. Autoren bedanken sich bei Kontakten, die bei der Recherche geholfen haben. Diese Helfer sind erforderlich, da ein Autor nicht das Spezialwissen aus diversen Fachgebieten haben kann. D.h., Du benötigst einen Kontakt zu einer Expertin aus dem Jugendamt, von der Du Antworten zu Deinen Fragen bekommst, die einer realen Verfahrensweise entsprechen.


VintageTailor 
Fragesteller
 09.11.2021, 19:38

Danke, das mache ich vielleicht.

0
Wenn die Hauptfigur von der Arbeit aus die Polizei informiert hat, würde diese sofort vorbeikommen? Würde sie einen Arzt mitbringen? Was würde dieser alles überprüfen?

Bei einem Ausgesetzten Säugling wird vermutlich jemand hingeschickt werden und der Säugling wird erstmal medizinisch versorgt und auch in Obhut genommen.

Das Jugendamt wird natürlich auch hinzugezogen, doch die Erstversorgung des Säuglings in der Klinik wird vermutlich Vorrang haben. Da hat deine Figur aber schon gar nichts mehr mit zu tun.

Dürfte die Hauptfigur, aus einer großen Familie stammend, das Kind bis zur Klärung des Falls mit nach Hause nehmen (ihre Mutter ist Erzieherin oder Sozialarbeiterin, bin noch nicht sicher)? Oder wäre es besser, wenn ihre Eltern bereits Pflegekinder aufgenommen hätten? Würde das das Vertrauen der Ämter auch auf die Tochter (Hauptfigur) ausweiten?

Nein, natürlich nicht. Das ist so einer der typischen 'Wattpad-Geschichten'-Realitäts-Fails. Ausgesetzte Babys werden NICHT mitgenommen, sondern die Polizei übergibt sie der Obhut des Jugendamts (in diesem Fall vermutlich über einen Umweg über eine Klinik, da das Baby ja gesundheitlich abgecheckt werden muss) und das Jugendamt wird das Kind vermutlich in eine Pflegefamilie geben, die dafür gemacht sind die gerade in Obhut genommenen Kinder erstmal aufzunehmen.

Auch wenn die Mutter Erzieherin ist, wird sie dieses Kind nicht einfach aufnehmen können. Dafür müsste die registrierte Pflegemutter sein und auch DANN obliegt die Verantwortung dem Jugendamt. Auf die Tochter wird hier erstmal GAR NICHTS ausgeweitet, denn soweit es die Kenntnis des Jugendamtes betrifft, könnte die auch eine drogenabhängige Prostituierte sein. Die ist nicht überprüft und niemand weiß ob sie sich um das Kind kümmern kann... deswegen gibt es für die auch bestimmt kein Baby.

Würde in dem Fall das Jugendamt dem Haus der Familie vorher oder zeitnah (und auch regelmäßig) einen Besuch abstatten, um nach dem rechten zu sehen? Käme auch ein Polizist mit? Was würden sie sagen/fragen?

Wie gesagt... die Tochter bekommt das Kind nicht und bei der Mutter kommt es drauf an. Doch die Pflegefamilien stehen natürlich in engem Kontakt mit dem Jugendamt. Damit hat wiederum die Polizei in der Regel nichts mehr zu tun.

Dürfte die Mutter, die ja mit der Tat nichts zu tun hatte, das Kind bei der Familie ab und an besuchen?

Das kommt drauf an. Es kann auch sein, dass eine Rückführung zur Mutter, die sich nunmehr vom ExMann getrennt hat vom Jugendamt ins Auge gefasst wird. Das erscheint mir in dem Falle, also sollte sich die Mutter vom Ex Mann trennen usw. usw. auch am wahrscheinlichsten. Sie würde dann vermutlich weiterhin vom Jugendamt kontrolliert werden usw. doch das erscheint mir eher als 'zum Wohl des Kindes'. Ansonsten gibt es, wenn das Kind in Obhut genommen wird, ggf. Besuchstermine, bei denen dann i.d.R. jemand vom Jugendamt dabei ist und die Mutter sich (wieder) an ihr Kind annähren kann.

Der Vater hat schwere psychische Probleme (durch Kindheitstrauma) und soll professionelle Hilfe bekommen. Wie würde das aussehen, und wie lange dauert das in der Regel? Welche Probleme kann es dabei geben?

Soll ich jetzt deinen Roman schreiben oder wie? Ein bisschen Recherche muss da auch selbst dabei sein. Wie gesagt... wenn die Mutter sich (auch nur Zeitweise ggf.) trennt dann wird sie das Baby vermutlich auch zeitnah zurückbekommen. Oder ggf. jemand im Umkreis der Familie der Mutter, das wäre theoretisch auch möglich. Beim Vater kommt es auf die Krankheit an... doch wie gesagt, ich als Mutter des ausgesetzten Babys würde mich vermutlich sofort trennen wenn da jemand meinen kleinen Goldspatz aussetzt...

Psychotherapien dauern und sowas geht nicht von heute auf morgen. Er kann sich auch ggf. in eine stationäre Therapie begeben und quasi eine 'Intensiv-Therapie' machen, was ggf. schneller zu Erfolgen führt als Sitzungen einmal wöchentlich. Doch sowas ist individuell und das solltest du eigentlich auch wissen.

Was muss passieren, damit die Eltern das Kind schließlich wiederbekommen können?

In diesem Falle? Wie gesagt, wenn die Mutter sich trennt und dem Kind an sich ein stabiles Leben bieten kann, dann wird das relativ schnell gehen. Wenn der Vater weiterhin regelmäßig die Frau verprügelt oder Aggressionen gegenüber dem Kind zeigt, dann kann sich sowas über Jahre ziehen. Da ist eine Gesamtbetrachtung der Umstände maßgeblich...

Was darf NICHT passieren, damit das Kind als Pflegekind in der Familie der Hauptfigur bleiben kann?

Die leibliche Mutter darf sich nicht trennen, der Vater darf nicht erfolgreich therapeutisch behandelt werden und die Mutter muss weiterhin registrierte Pflegemutter und für diese Aufgabe geeignet sein. Aber wie gesagt... sowas ist eher unwahrscheinlich, gerade weil du hier nur von der Mutter sprichst und diese Mutter auch noch als Erzieherin oder Sozialarbeiterin berufstätig ist. So ein Säugling braucht eine Menge Zeit und GERADE bei Pflegekindern muss da wirklich alles stimmen.

Gibt es irgendwelche Zeitfenster, in denen sich die rechtlichen und tatsächlichen Regelungen betreffs Kindern ändern? Geht zum Beispiel nach 6 Monaten Abwesenheit des Kleinkindes vom Elternhaus das Sorgerecht auf jemand anderen über - aber wahrscheinlich hat in solch einem Fall ohnehin das Jugendamt das vorläufige Sorgerecht, oder?

Es kann sein, dass das Jugendamt das Sorgerecht an sich zieht über EInschaltung des Familiengerichts (halte ich auch für wahrscheinlich, um ehrlich zu sein). Das Sorgerecht geht aber nicht automatisch auf sonst wen über, wenn das Kind nicht 'im Elternhaus' ist. Wie kommst du auf die Idee?

Vielleicht sollte ich lieber über etwas schreiben, was ich schon gut kenne. Aber dieses Thema hat mich einfach so gepackt, dass ich darüber schreiben MUSS.

Ja, das hast du. Und nimm es nicht persönlich, aber ich würde mich an deiner Stelle tatsächlich erstmal mit einer anderen Thematik befassen UND im Voraus sehr viel recherchieren. Richtlinien, Gesetze usw. usw. gibt es natürlich, doch sich da allein reinzuarbeiten ist wirklich wirklich zeitaufwändig.
Abgesehen davon, dass ich auch nicht weiß ob das hier alles stimmt, weil ich schlicht nicht beim Jugendamt arbeite.

Ich meine... das 'Problem' bei deiner Storyline ist , zumindest scheint es mir so, dass du halt wirklich dieses ganze Verfahren in den Fokus rückst und von diesem Verfahren weißt du eher wenig. Wenn man das 10 Jahre beruflich macht, dann geht das denke ich besser, doch wenn man über etwas schreibt was man nicht kennt und es richtig machen will, dann wirst du nicht nur bei den Fragen hier hängen, dann wirst du dich vermutlich auf jeder Seite 4 Mal fragen, ob das so wie du es geschrieben hast tatsächlich sein kann... und darum beneide ich dich nicht :)

Aber wie gesagt... wenn du das Thema total magst und alles, dann wünsche ich dir ganz viel Spaß und ich würde irgendwann gerne mal reinlesen (ich schreibe auch hobbymäßig... wenn du willst können wir uns über PN austauschen)

LG


VintageTailor 
Fragesteller
 09.11.2021, 19:36

Vielen Dank für Deine ausführliche und schnelle Antwort! Tja, das ist wohl alles noch komplizierter, als ich dachte ... dank eines heilen und glücklichen Elternhauses und Umfelds kenne ich mich halt tatsächlich mit dem Thema nicht aus.

Nein, das Prozedere ist nicht in dem Sinne im Fokus, das ist nur das, womit das Buch anfängt und was als Strang bis zum Ende drinbleiben soll. Und ich wollte nicht etwas verfassen, was im Falle einer Veröffentlichung (ich habe noch nichts veröffentlicht, nur 3 verschiedene Bücher begonnen, zu schreiben :-) als unrealistisch verlacht würde.

Die Mutter der Hauptfigur ist ausgebildet im sozialen Bereich, aber ihrer vielen Kinder und einiger Enkel wegen nicht berufstätig. Und der Vater des Babys schlägt doch seine Frau nicht! :-) Er hat Probleme mit sich selbst (durch seine Vergangenheit), nicht mit seiner Frau. Er liebt Frau und Kind. Aber ein akut psychisch labiler Mensch kann im trunkenen Zustand schon etwas Schlimmes tun, was er im Normalfall niemals tun würde. Denke ich.

Wäre es sehr unrealistisch, wenn der Vater des Babys sich betrinkt, um seinen Erinnerungen (an seinen eigenen Vater, der ein miserabler war) zu entfliehen und dann meint, seinem Kind ginge es besser ohne einen kaputten Vater und es aussetzt?

Jepp, zeitaufwendig ist mir auch schon aufgefallen. Und frustrierend zusätzlich ;-)

Ja, ich weiß, die Idee mit jemand anders (dachte da auch hauptsächlich ans Jugendamt) das Sorgerecht bekommen war nicht durchdacht. Ich habe auch eben einfach alles rausgehauen, was mir durch den Kopf schoss - ich habe nämlich wirklich Null Ahnung davon.

Vielleicht versuche ich mich wirklich erst an einem anderen Thema. ;-) Aber auf jeden Fall vielen Dank für Deine ausführliche Antwort, das hat meinem Gehirn viel zu tun gegeben!

Aber erstmal komme ich wahrscheinlich ohnehin kaum zum Schreiben, ich habe deutlich zu viele Hobbys, zu viele Jobs und eine zu große Familie. ;-) Vielleicht habe ich in 6 Jahren eins meiner Bücher fertig.

0
BeviBaby  09.11.2021, 20:16
@VintageTailor

Danke für die Antwort:)

Ja, das ist kompliziert. Und bevor du sonst was von mir denkst, ich hatte damit auch nie direkt was zu tun, aber ich hab einiges an Dokus gesehen und amche grade ein duale Studium, in dem ich später bei Gericht arbeiten werde und da kam sowas u.a. mal zur Sprache. Deswegen hab ich da etwas 'Ahnung' (wobei Ahnung hier, denke ich, SEHR weit auszulegen ist).

Was die Mutter der Hauptfigur angeht: Dass du jetzt erwähnst sie hat bereits viele Kinder und einige Enkel ist m.E. doch sehr wichtig, denn bei Pflegeeltern wie auch bei Adoptiveltern wird in der Regel darauf geachtet, dass die Eltern so ausgewählt sind, dass eine biologische Verwandtschaft möglich und naheliegend wäre, sowie dass die Pflegeeltern so 'jung' sind, dass davon auszugehen ist, dass das Kind Volljährig ist bis die Eltern ins Rentenalter kommen.
Insofern sehe ich hier eigentlich eher ein Problem, denn die Mutter der Hauptfigur wird ja vermutlich schon etwas älter sein und das Kind ist ja, wie gesagt, ein Säugling. Da wäre auch mit Erfahrung eine dauerhafte Pflegschaft in meinen Augen SEHR unwahrscheinlich, einfach des Alters wegen (ich glaube 'Altersunterschied von max 40 Jahren ist da immer so der Maßstab, obwohl davon sicher leicht abgewichen werden kann).

Ich persönlich finde es nicht unrealistisch, dass der Vater in diesem Alkoholinduzierten Verwirrungszustand denkt das Kind sei ohne ihn besser dran... allerdings geht von solchem Verhalten auch eine massive Gefahr aus, sowohl für die Frau als auch für das Kind (zumal Aussetzen für so einen Säugling schon eine immense Gefahr darstellt). Das ist natürlich wirklich wichtig für die Entscheidung des Jugendamtes das Kind zurückzugeben, denn ein psychisch labiler Vater, der das Kleine bereitwillig in Lebensgefahr bringt ist halt auch wieder ein anderes Kaliber als der heillos überforderte Vater, dem grade die Freundin abgehauen und die Mutter gestorben ist und der das Kind dann z.B. bei seinen Eltern abgibt oder ggf. noch in eine Babyklappe steckt.

0