Wenn man nicht an Gott glaubt, wie kann man dann die Menschenwürde rechtfertigen?

14 Antworten

Die Menschenwürde an sich kann man auch ohne Religion begründen.
Siehe "Humanismus", da wird man sicher einige philosophische Texte von Humanisten finden, welche dies erklären.

Was du meinst, ist eher nicht die Menschenwürde, sondern die (vermeintliche?) Vorrangstellung des Menschen vor den Tieren. Diese fällt unter den Speziesismus, den man natürlich auch kritisieren kann.

https://de.wikipedia.org/wiki/Speziesismus

Spezisismus ist auch der Umstand, dass wir Hunde als Familienmitglieder sehen, Rinder aber als Nahrungsquelle. Das ist kulturell unterschiedlich (in Indien werden Rinder/Kühe normalerweise nicht zu Fleisch verarbeitet, in China werden manchmal auch Hunde gegessen usw.).

Übrigens war Arthur Schopenhauer der erste Philosoph, der sich für den Tierschutz eingesetzt hatte - und zwar sollte man Tiere um ihrer selbst schützen (nicht aus Nützlichkeitserwägungen). Da war er weiter als Kant.

Der Mensch hat bewiesen, dass er uU Macht über Tiere ausüben kann. Mit Macht geht eine ebenso große Verantwortung einher, die leider nicht jeder Mensch automatisch wahr nimmt.

Eine Sonderstellung nahm sich der Mensch, denke ich, seit jeher einfach heraus, ob mit der vermeintlichen Erlaubnis Gottes oder seiner angeblich unschlagbaren Intelligenz, oder was auch immer, begründet.

Ob es gerechtfertigt ist, den Tieren ihre würde (durch zB erbarmungslose und brutale Ausbeutung) abzusprechen, steht auf einem anderen Blatt.

Ich habe zB von Indianerstämmen gelesen, welche die Tiere durchaus würdevoll behandelt haben. Auch in der Westlichen Welt gibt es viele Menschen, die sich für Tiere einsetzen, um ihnen eine Stimme zu geben, die sie in unserer Gesellschaft leider nicht haben.

Ich habe mal eine Geschichte über die Nahtoderfahrung eines Künstlers gelesen, der während seiner "Reise" die Erkenntnis gewonnen hätte, dass sich viele Tierarten eine Art von "Gemeinschaftsseele" teilen, während Menschen individuelle Seelen haben... ;)

Eine nette Umschreibung für die verallgemeinernde Sichtweise, aber gleichzeitig der Kern im Denken vieler. Tiere handeln nur instinktiv und reaktionär, Menschen haben ein Ich-Bewusstsein.

Tatsächlich ist das "sich-seiner-eigenen-Existenz-bewusst-sein" ein evolutionärer Vorteil, da der Mensch dadurch antizipieren kann, z. B. "was brauche ich für den nächsten Winter, damit es mir gut geht?". Gleichzeitig kann es aber auch ein großer Nachteil sein. Die Gewissheit über das zwangsläufig endliche Dasein bspw. kann zu einer nihilistischen Sichtweise führen, bei der alles bedeutungslos wird. Auch nicht auszudenken wäre, wenn ein Löwe an Selbstzweifel zerbricht, weil er für sein eigenes Überleben keine anderen Tiere mehr ermorden möchte. Weniger zu denken kann also auch das Überleben fördern ;)

Die Bürde der "Erkenntnis" wird allgemeinhin als Unterschied zur animalischen Existenz betrachtet.

Wie ist aber der Vorrang des Menschen gegenüber Tieren zu erklären und zu rechtfertigen

Ganz einfach mit: the winner takes it all. Unsere Position an der Spitze der Nahrungskette und die Dominanz der menschlichen Population gegenüber allen anderen.

Dinosaurier haben sich damals bestimmt auch keine Gedanken darüber gemacht das sie mit ihrer Existenz die Verbreitung anderer Lebensformen wie Säugetiere hemmen ;)

wie kann man dann die Menschenwürde rechtfertigen?

Zum Beispiel durch den kategorischen Imperativ: "was du nichts willst das man dir tu, das füg auch keinem andern zu."

Tatsächlich war es um die Menschenwürde zu Zeiten theozentrischer Gesellschaftsformen deutlich schlechter bestellt, da hier Gott vor die Interessen der Menschen gestellt wurde. Erst durch die Renaissance und Aufklärung kam es wieder zu anthropozentrischen Sichtweisen, bei denen humanitäre Ziele im Mittelpunkt standen.

Auch Spiegelneuronen spielen eine entscheidende Rolle. Sie sorgen dafür, dass wir Empathie und Mitgefühl für "unseres Gleichen" spüren. Allerdings gibt es hierbei "Tiere" wie bspw. Orcas, bei deren Gehirnen sich eine viel größere Menge von Spiegelneuronen nachweisen lässt. Davon abgesehen teilt der Mensch grundlegende Eigenschaften mit allen anderen Hominidae (Menschenartigen): sie sind territorial und sozial. Das führt zur Komplexität im Zusammenleben und bietet großes Konfliktpotential. Es gibt z. B. auch in der Tierwelt bekannte Fälle von "Mord" unter Gleichartigen, idR. richtet sich das allerdings am häufigsten gegen Nachwuchs. Es gibt bspw. Fälle unter Wildpferden, wobei ein Hengst die Fohlen der Stuten aus seiner Herde tot beißt um seine Stellung zu behaupten. Mord unter Erwachsenen der selben Art kommt dagegen verhältnismäßig selten vor und Menschen bilden dabei zusammen mit Löwen, Hyänen oder Wölfen eher die Ausnahme und bedingt sich durch die o. g. grundlegenden Eigenschaften im Verhalten.

Der Mensch ist also weniger was Besonderes, sondern folgt auch nur seiner natürlichen Veranlagung :)

14Gungnir18  01.10.2023, 07:53

Danke für Deine sehr gute Antwort.

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Elementarer  01.10.2023, 12:04
"Wie ist aber der Vorrang des Menschen gegenüber Tieren zu erklären und zu rechtfertigen, wenn man das rein atheistisch betrachtet?"

Du dazu:

Ganz einfach mit: the winner takes it all. 

Also durch das Recht des Stärkeren. 

Würde durch Macht sozusagen. Ist das deine Meinung? Oder deine Meinung, dass Atheisten so denken?

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II99II  01.10.2023, 16:26
@Elementarer

Ich denke einfach das man ja ein offensichtliches Ungleichgewicht zwischen Menschen und anderen Tierarten beobachten kann.

Warum ist das so? - Weil der Mensch es machen kann.

Wir domestizieren bestimmte Tiere weil es uns Vorteile verschafft, oder kontrollieren/unterdrücken (jagen) andere (Raub-)tierarten, weil es uns Sicherheit verschafft.

Die Frage ob es auch anders ginge oder "gerecht" ist, stellt sich gar nicht. Das ist der Impact den wir als Menschen auf unsere Umgebung haben, genau wie damals die Dinosaurier (wenn auch weniger beabsichtigt), indirekt dafür gesorgt haben das es weniger Artenvielfalt geben konnte, bis zum großen Artensterben.

Die Frage nach "Menschenwürde" und nach "Rangordnung unter den Tieren" sehen ich bewusst getrennt voneinander.

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Elementarer  02.10.2023, 09:45
@II99II
Warum ist das so? - Weil der Mensch es machen kann.
Wir domestizieren bestimmte Tiere weil es uns Vorteile verschafft...

Also aus egoistischen* Gründen.

Die Frage ob es auch anders ginge oder "gerecht" ist, stellt sich gar nicht.

Das ist dann nachvollziehbar. Egoisten* stellen solche Fragen nicht.

Damit ist zwar, so der Fragesteller "der Vorrang des Menschen gegenüber Tieren" erklärt, aber ist diese deine Sichtweise nun atheistisch oder religiös? Würde mich interssieren. 

*Wenn ich von Egoismus spreche, dann nicht wertend, sondern beschreibend.

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Ein Affe lebt und handelt auch nicht wie ein Alligator. Wir nennen andere Lebewesen nur Tiere nach der wissenschaftlichen Ordnung sind wir auch Tiere. Die mit Abstand intelligentesten.

Andere Tier stellen ihre Art auch über die anderer, da unterscheiden wir uns nicht.

Menschenwürde, Rechte, Gesetze ist ein Grundpfeiler, den es braucht um eine funktionierende Gesellschaft aufzubauen und zu erhalten. Solche Sozialekonstrukte hat jedes in Gruppen lebende Lebewesen.

Dafür braucht es keinen Gott sondern nur die Gesetze der Natur.

Elementarer  01.10.2023, 12:06
Andere Tier stellen ihre Art auch über die anderer, da unterscheiden wir uns nicht.

Wenn wir uns da nicht unterscheiden, warum sollten wir dann die vom Fragestelller angesprochenen Sonderrechte haben?

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Elementarer  01.10.2023, 12:51
@MyMiniMedie6th

Fragestelelr:

...wie kann man dann rechtfertigen, dass der Mensch im Vergleich zu anderen Lebewesen Sonderrechte hat?
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MyMiniMedie6th  01.10.2023, 13:04
@Elementarer

Welche sind das denn habe ich gefragt. Er hat KEINE aufgezählt und du nennst hier auch keine.

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Elementarer  02.10.2023, 09:51
@MyMiniMedie6th

Spielt das im Zusammenhang eine Rolle, welche Sonderrechte der Fragesteller meint, bedarf es einer Aufzählung? Ich vermute wohl alle Sonderrechte, denn warum sollte er welche ausnehmen? 

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MyMiniMedie6th  02.10.2023, 10:29
@Elementarer

Ja es Spielt eine Rolle, denn dann kann ich diese "Sonderrechte" entkräften. Ich nehme jetzt einfach mal einer dieser "Sonderrechte" bzw. ich hoffe er meint dass dies ein "Sonderrecht" ist.

Tiere die wir uns zu nutze machen, gemacht haben. Wie wäre es mit Pferden die wir lange benutzt haben um schneller von A nach B zukommen. Das ist kein "Sonderrecht". Denn siehe da das machen auch ander Lebewesen. Paviane halten sich Schutzhunde, um sich vor anderen Raubtieren zu schützen und belohnen sie dafür mit Nahrung.

https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/das-tiergespraech-paviane-leben-mit-hunden-und-katzen#:~:text=Die%20Paviane%20halten%20sich%20Schutzhunde,quasi%20in%20den%20Genen%20liegt.

Diese Hunde brauchen keine Affe um zu überleben. Die Pferde brauchen uns auch nicht. Dennoch bleiben sie bei uns weil wir sie wie die Affen domestiziert haben.

Nenn mir jetzt endlich ein "Sonderrecht".

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Elementarer  02.10.2023, 10:41
@MyMiniMedie6th

Ach so, du willst widerlegen, dass es die vom Fragesteller angesprochenen Sonderrechte überhaupt gibt?

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MyMiniMedie6th  02.10.2023, 10:52
@Elementarer

Was denn sonst. Also wird das jetzt langsam was mit den "Sonderrechten". Da du mir nach vier Kommentaren immer noch keine nennst, hast du wohl auch keine.

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Elementarer  02.10.2023, 11:05
@MyMiniMedie6th

Beruhige dich.

Ich habe nicht überrissen, dass du so eine Auflistung wolltest. Also ich vermute mal, dass er meinen könnte, dass Menschen Tiere in Ställen halten, sie ihrer Produkte berauben (etwa Milch oder Eier), über ihren Nachwuchs bestimmen, sie künstlich besamen, sie töten dürfen. Was sie mit ihren Mitmenschen nicht ungestraft machen dürfen. 

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MyMiniMedie6th  02.10.2023, 11:47
@Elementarer

Ja steht bereits in meiner Antwort. Wir dürfen es nicht, weil so keine Gesellschaft gegründet werde kann, wenn wir jeden töten dürfen. Zudem gibt es dies auch im Tierreich. Delphine Töten und vergewaltigt andere Delphine zu ihrem Vergnügen. Andere Delphine gehen nun keine Freundschaften mehr mit diesen ein. Eine Bestrafung. Vor Gericht können diese ja schlecht gestellen werden.

https://www.wissen.de/die-dunkle-seite-der-delfine

Dass wir Tiere halten und sie ihrer Ressourcen berauben ist dem Fortschritt geschuldet. Die Natur ist auf Effizienz ausgelegt. Tiere zu halten ist nunmal effizienter als sie zu jagen. Parasiten machen übrigens das gleiche. Sie ernähren sich von ihrem Wirt bis dieser davon Stirbt.

Sonst noch was, was einer der vielen Götter uns gegeben hat und nicht einfach der Gesetze der Natur entspringt.

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Elementarer  02.10.2023, 14:53
@MyMiniMedie6th

Also meine angeführten Sonderrechte, auf die du so bestanden hast, hast du nun nicht bestritten. Du siehst diese Sonderrechte, also die Ausbeutung der Tiere, darin gerechtfertigt, weil dies letztendlich "dem Fortschritt geschuldet" und efffizient ist. 

OK. Das wäre dann eine rein atheistische Rechtfertigung der Ausbeutung der Tiere: Fortschritt und Effizienz ist wichtiger als Tierwohl. 

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MyMiniMedie6th  02.10.2023, 15:15
@Elementarer

Gerechtfertigt habe ich damit garnichts. Lediglich habe ich deine Meinung nur Wir hätten diese Rechte, weil ja kein anderes Lebewesen so handelt, entkräftet.

Sonderrechte in deinem Sinne war es doch, das es Gott gibt weil wir und nur wir diese Rechte haben. Aber siehe da auch andere Lebewesen leben mit solchen "Sonderrechten" somit macht uns dies nicht einzigartig und von Gott geschaffen.

Ob dies nun moralisch vertretbar ist stand nicht zur Debatte.

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Elementarer  02.10.2023, 15:24
@MyMiniMedie6th
Sonderrechte in deinem Sinne war es doch, das es Gott gibt weil wir und nur wir diese Rechte haben. 

Nein, überhaupt nicht.

Die Frage des FS war die nach einer atheistischen Rechtfertigung der Ausbeutung der Tiere. Eine theistische Rechtfertigung ergibt sich allein aus dem Glauben, dass der Mensch gottähnlich ist und somit über den Tieren steht.

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MyMiniMedie6th  02.10.2023, 16:16
@Elementarer

Tja und ich habe die Rechtfertigung der Effizienz der Natur herangezogen. Unsere Intelligenz hat es uns erlaubt so Fortschrittlich zu werden, dass wir Tiere züchten, welche mehr Ertrag abwerfen. Kein Atheist würde sich als gottähnlich sehen, denn dann müsste es ja einen Gott geben.

Wir sind nunmal den Tieren überlegen. Wir Fliegen schneller als jedes Tier, höher als jedes Tier, tauchen tiefer als jedes Tier zumindest gleich tief. Wir bewegen uns an Land schneller als jedes Tier. Dank unserer enormen Intelligenz.

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MyMiniMedie6th  02.10.2023, 16:58
@Elementarer

Und nach euch Christen machen wir das eh richtig. Genesis 1:28. Wir machen uns die Tiere und die Erde untertan.

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Elementarer  02.10.2023, 17:05
@MyMiniMedie6th
Tja und ich habe die Rechtfertigung der Effizienz der Natur herangezogen.

Ja, was effizient ist, was machbar ist dient damit als Rechtfertigung. Ich will dir deine Einstellung nicht ausreden. 

Christ bin ich übrigens keiner.

Wenn du wissen willst wie ich das sehe, dann lese meine Antwort 

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Was du beschreibst ist nicht die Menschenwürde an sich, sondern die Sonderrechte im Vergleich zu anderen Lebewesen.

Wenn man nicht an Gott glaubt, lassen sich solche Sonderrechte für Menschen nicht plausibel ableiten. Wenn man die "Würde" eines Lebewesens mit dem Bestreben dieses Lebenwesens nach Wohlbefinden beurteilt, dann kann man nachvollziehbar behaupten, dass vielerlei Tiere auch ein Streben nach Wohlbefinden haben. Dieses Wohlbefinden zu missachten, kann man wiederum als die Mißachtung der Würde von Lebewesen betrachten. Es ist natürlich eine Frage, wie man "Würde" definiert. Bei Gläubigen ist Würde allein schon dadurch gegeben, dass der Mensch gottähnlich erschaffen wurde, und da Gott das Allerhöchste an Würde überhaupt ist, diese Würde auch auf Menschen zutrifft. Eine atheistische Definition von Würde ist danach selbstverständlich anders, etwa definiert durch das Wohlbefinden von Lebewesen.

Meiner Meinung nach lässt sich eine explizite "Menschen"würde, die über der Würde aller anderen Lebewesen steht, nicht nachvollziehbar rechtfertigen.