Was kam nach der Tontafel?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Es kommt auf die Kultur an. Beachte nicht nur den Schriftträger , sondern auch das Schreibgerät und die Art& Funktion der Texte. Die Form der Schrift und der Buchstaben ergibt sich ebenfalls aus diesen Voraussetzungen.

Und es gibt mehrere Traditionslinien.

Mesopotamien/Keilschrift

- Entstehung ab 3300v.Chr., vornehmlich für Verwaltungstexte

- Buchstaben werden mit einem Holzgriffel in weichen Ton gedrückt, daraus ergeben sich die charakteristischen Keilformen, nach denen die Schrift benannt ist.

-Es ist sehr unpraktisch, Keilschrift auf andere Weise zu schreiben, etwa mit Tinte, daher hält sich diese Methode ziemlich lang. Erst als die Keilschrift im 5.Jahrhundert v.Chr. von der aramäischen Schrift als Verwaltungsschrift des Perserreiches verdrängt wird, verschwindet auch allmählich der Schriftträger "Tontafel"

Ägypten/Hieroglyphen

-Entstehung um 3000v.Chr., erste Nutzung für Orts- und Personennamen, dann auch Nutzung für die Verwaltung.

- erste Schriftträger waren Stein, Keramik und Elfenbein

-im 3. Jahrtausend trennt sich die Schrift in Hieroglyphen einerseits: für monumentale Inschriften in Stein. Und die Hieratischen Schrift, eine kursiven Schnellschrift, die mit Tinte und einer Schreibbinse (im Wesentlichen ein dünnes Stöckchen. Ja, da funktioniert, ich übe das gerade) auf Papyrus geschrieben wird.

- Als "Notizzettel" dienen auch Tonscherben, aber das hat nichts mit den Tontafeln der Keilschrift zu tun. Keilschrift wird in weichen Ton eingedrückt, Hieratisch wird mit Tinte auf schon gebrannten Ton aufgetragen.

- dieses System hält sich relativ unverändert bis ungefähr 200 n.Chr., dann wird die späte Form der Kursivschrift (Demotisch) von der koptischen Alphabetschrift abgelöst. Der Schriftträger Papyrus und die Tinte bleiben gleich, die Schreibbinse wird allerdings durch die Rohrfeder abgelöst

Mittelmeerraum&Europa / Alphabetschriften

- ab 1800v.Chr. wird aus den Hieroglyphen die erste Alphabetschrift entwickelt (Wadi el-Hol Inschriften, Proto-Sinaitische Schrift). Die ältesten bekannten Inschriften sind in Felsen und auf Statuen eingeritzt. Als sich im 1.Jahrtausend vor Christus die Alphabetschriften in verschiedenen Varianten (Phönizisch, Hebräisch, Aramäisch, Griechisch usw.) weiter verbreiten, werden sie auch meist mit Tinte auf Papyrus geschrieben

- Monumentale Inschriften werden in Stein geschrieben, im Gegensatz zu den Hieroglyphen gibt es dafür aber keine besondere, andere Form der Buchstaben.

- die Römer hatten ihre Bücher ebenfalls auf Papyrusrollen, haben aber eine neue Art des Notizbuchs erfunden: mit Wachs beschichtete Holztäfelchen. Praktisch, tragbar und Wiederverwendbar

- in Europa kommt man nicht so leicht an Papyrus. Die europäischen Völker haben aber auch (soweit heute bekannt) bis zum Mittelalter nicht viel geschrieben, eigentlich nur Namen und Weiheinschriften auf Stein, Holz und Metall.

- im europäischen Mittelalter kommt dann Pergament als wichtiger Schriftträger dazu, und neben der Schreibfeder aus Schilfrohr auch der Federkiel von Vogelfedern. Neben der altbekannten Rußtinte auch die Eisengallustinte. All diese Neuerungen sind nicht unbedingt funktionaler oder billiger - es ist eher eine Frage der lokal verfügbaren Materialien.

- in der arabischen Welt wird im Mittelalter bereits das Papier aus China eingeführt, dort schreibt man also nicht auf Pergament sondern schon auf Papier.

- das Papier, zunächst aus Stoffresten, später aus Zellulose, löst dann in Europa auch allmählich das Pergament ab. Es ist in Massen nämlich billiger herzustellen, und mit der Erfindung des Buchdrucks steigt der Bedarf enorm.

Noch einmal separat sind die Entwicklungslinien in China, Indien und Mittelamerika... aber da kenne ich mich nicht so gut aus. Wikipedia wird es wissen...

aber beachte bei deiner Grafik unbedingt, dass viele dieser Entwicklung nicht nacheinander sonder parallel zueinander stattfanden. Beispielsweise gibt es 2000 Jahre (2500v.Chr. bis 500 v.Chr.), in denen Tontafeln und der Papyrus gleichzeitig der wichtigste Schriftträger waren... nur an unterschiedlichen Orten und mit einem unterschiedlichen Schriftsystem.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Grundstudium Ägyptologie und Geschichtswissenschaft
dummwiekease 
Fragesteller
 23.09.2023, 23:28

Mehr hätte ich als Antwort nicht erwarten können. xD Danke, dass du dir die Zeit genommen hast!

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Schemset  23.09.2023, 23:47
@dummwiekease

Gerne! Es ist sozusagen ein Hobby. Und glaub mir, es ist viel interessanter, wenn man es praktisch ausprobiert. Ich habe schon Gallustinte gekocht (Eisensulfat bekommt man in der Apotheke, und die Rinde von Schlehensträuchern geht auch statt der Eichengallen), Federn mit dem Taschenmesser bearbeitet ( Nagelschere funktioniert aber besser) , Wachstafeln beschichtet (mit Paraffin eine Riesensauerei! Man braucht schon Bienenwachs, und genug Wärme beim Glätten) und experimentiere zu Zeit mit hieratischer Schrift auf Papyrus.

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Sehr früh wurde Papyrus als Schriftuntergrund verwendet http://www.aegyptologie.com/forum/cgi-bin/YaBB/YaBB.pl?action=lexikond&id=021203203225

Auch Pergament, also auf Tierhaut wurde schon früh verwendet https://de.wikipedia.org/wiki/Pergament

Natürlich hat man Schrift auch schon in der Antike in Stein gemeisselt

Schon in der Steinzeit wurden Zeichen auch in Knochen geritzt.

Das fiel mir so auf die Schnelle ein.

Woher ich das weiß:Hobby
Hayns  20.09.2023, 23:56

Zitat Neugier4711:

Schon in der Steinzeit wurden Schriftzeichen auch in Knochen geritzt.

Meinst Du wirklich "Schriftzeichen" oder lediglich "Zeichen"?

Zitat Wikipedia:

Die Urgeschichte (SynonymeVorgeschichte und Prähistorie) ist ein Teilgebiet der Ur- und Frühgeschichte. Sie bezeichnet den ältesten Zeitabschnitt der Geschichte des Menschen, aus dem keine schriftlichen Überlieferungen vorliegen.

Zitat Ende

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Neugier4711  21.09.2023, 12:09
@Hayns

Du hast recht, wofür diese dienten ist rein spekulativ. Ich werde es ausbessern.

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Hayns  21.09.2023, 14:00
@Neugier4711

Danke 👍

Dient es doch dem Verständnis derer, die sich mit derartigen Themen nicht auskennen - und es dann so hinnehmen (müssen).

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