Was bedeutet "Psychiatrisierung der Kindheit" im Sinne Foucaults?

4 Antworten

Damit meint er, dass Kindsein als etwas krankhaftes betrachtet wird. Eben dadurch, dass degenerierte(d.h. geistig zurückgebliebene) Erwachsene als infantil, also als kindlich, bezeichnet werden, zeigt sich, dass Kindheit als krankhaft betrachtet wird.

Und weil diese Krankheit des Kindseins eben nicht körperlich ist, sondern psychisch, spricht er von einer Psychiatrisierung der Kindheit.

@annkatharin Wenn du deine Masterarbeit zu dem Thema schreibst, kennst du vermutlich auch den Wortlaut des Zitats aus Foucault, das du wiedergibst.

Wie soll man ein unkorrekt paraphrasiertes Zitat korrekt interpretieren?

Sprachlich korrekt wäre: "als infantil bezeichnet wurden, woraus sich schließen lässt, dass die ganze Kindheit". Was inhaltlich korrekt ist, können wir nicht wissen, solange wir den Text nicht kennen.

Wenn man sich bei einer Masterarbeit helfen lässt, sollte man sich wenigstens die Mühe machen, zureichende Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass andere einem helfen können.

Da mußt du Foucault fragen bzw. lesen ...

Warum eigentlich in so ferne vergangene Dinge abgleiten, wo doch das Thema heute hochaktuell ist?! - zumindest hinsichtlich Psychopharmakaabsatz für Kinder.

Fontanefan  26.11.2014, 08:50

Foucault liest man, weil er noch so aktuell ist.

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Psychiatrie in Zeiten Foucaults ist geprägt durch Gewalt gegen Kranke, von Zwangsjacken bis zur Zwangsverabreichung von Medikamenten. Das nimmt er als Gleichnis für eine Erziehung, die vorwiegend mit Verboten, Zwang, Strafe und Gewalt arbeitet. Infantil sind so handelnde Erwachsene, weil sie keine Persönlichkeit haben, um überzeugend und ohne Gewalt und Züchtigung zu führen.

Fontanefan  26.11.2014, 08:16

Ein wichtiger Gesichtspunkt.

Ist aber nicht die Schlussrichtung auch umgekehrt zu denken? Weil man in der Psychiatrie Erwachsene mit Zwang zu kurieren versucht, bedeutet* psychiatrisierte Kindheit*, das man sich das Recht herausnimmt, auch Kinder zwangszubehandeln.

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Fontanefan  26.11.2014, 08:48
@Fontanefan

Schließlich lautet die Frage ja "Was bedeutet "Psychiatrisierung der Kindheit" im Sinne Foucaults?" und nicht: "Wie sind Erwachsene zu beurteilen, die Kinder zwangsbehandeln?"

Übrigens: Ich habe mir einen Rechtschreibfehler geleistet. Es muss heißen "dass man sich das Recht ...". Offenbar formuliere ich meine Antworten auch nicht sorgfältiger als manche Leute ihre Fragen.

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berkersheim  26.11.2014, 13:46
@Fontanefan

"das man sich das Recht herausnimmt" - das ist zu hoch gegriffen. Soweit denken die meisten nicht, die selbst durch eine von Gewalt bestimmte Erziehung gegangen sind. Das läuft emotional auf einer sehr niederen Ebene. Und in der Tat, das eine bedingt das andere und umgekehrt. Nur, die normalen Erzieher mit Gewaltbereitschaft sind meist gar nicht so informiert, dass sie wissen, wie man in der Psychiatrie mit Kranken umgeht. Ich würde die umgekehrte Schlussrichtung weniger stark sehen. Und Kinder, die in einem gewaltgeschwängerten Umfeld aufwachsen, übernehmen wieder selbst diese Muster und so pflanzt sich die "Psychiatrisierung der Kindheit" fort. Das ist ein Kreislauf, der nur langsam zu durchbrechen ist.

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fechi333  26.11.2014, 16:13

Physisch gewalttätige Behandlung mag zwar mit ein Anlass und auch Untersuchungsgegenstand gewesen sein, warum sich Foucault mit Psychiatrie und Wahnsinn auseinandergesetzt und sich mit viel Engagement in die Anti-Psychiatrie-Bewegung einbracht hat, dies geht aber an der theoretischen Arbeit von Foucault vorbei und hat nicht wirklich was damit zu tun, was er in Wahnsinn und Gesellschaft, die Geburt der Klinik und seinen ausufernden methodischen Vorarbeiten beschrieben hat. Es erklärt also das undeutliche paraphrasierte Zitat Foucaults nur als Berkersheim '14.

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