Warum sieht man immer mehr auf Social Media, dass Jugendämter Kinder aus Familien nehmen?

8 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Du solltest niemals davon ausgehen, dass deine subjektive Wahrnehmung ("Ich hab das in letzter Zeit so oft gehört / gelesen!") tatsächlich auch statistisch zutrifft. Denn ja, über sowas werden selbstverständich Statistiken geführt.

Ebenfalls solltest du im Netz immer im Hinterkopf haben, dass die Algorithmen von Social Media, Google und Co. dir mehr von solchen Infos liefern, die du bereits schon mal länger angeschaut oder gar angeklickt hast. Die Algorithmen gehen dann davon aus, dass dich das Thema interessiert - und liefern dir somit mehr zu diesem Thema. So, wie du bei Amazon ja auch 20 Tische angeboten bekommst, sobald du einen Tisch gekauft hast ;).

Das ist aber eben keine vermehrte Häufung solcher Fälle, sondern einfach nur eine Vorauswahl von Algorithmen auf Basis dessen, womit man deine Aufmerksamkeit schon einmal ködern konnte. Und deine Aufmerksamkeit ist das, worum alle im Netz kämpfen...

Allgemein zum Thema Inobhutnahme: dahinter steckt ein langer, aufwendiger Prozess, in den mehrere Menschen vom Fach eingebunden sind!

Wenn Lehrkräfte oder pädagogische Fachkräfte in Kita, Schule oder Freizeitbereich etwas bemerken, was bei ihnen Sorgen um das Kind auslöst, beraten sie im ersten Schritt darüber im Team. Also mit anderen Menschen, die einen pädagogischen Beruf erlernt haben. Oft folgen dann auch noch Elterngespräche, weitere Gespräche mit den Kindern und weitere Beobachtungen.

Kommen sie zu dem Schluss, dass an dem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung wirklich etwas dran sein könnte, melden sie diesen Verdacht offiziell im Namen der Einrichtung, in der sie arbeiten, dem Jugendamt.

Auch dort kommen wieder mehrere Menschen mit sozialpädagogischem Studium zusammen und beraten darüber. Darauf folgt dann in der Regel eine Einladung der Familie bzw. ein Hausbesuch bei der Familie, um sich ein Bild der Zustände dort zu machen.

Sollte dabei festgestellt werden, dass wirklich Missstände vorliegen, gibt es erst einmal sehr viele weitere Möglichkeiten, diese zu beseitigen, in Form ambulanter Hilfen zur Erziehung für diese Familie.

Nur, wenn diese Hilfen in keinster Weise angenommen werden und die Missstände weiter bestehen oder wenn die Missstände so krass und schlimm sind, dass die Kinder quasi in Lebensgefahr schweben, wenn sie auch nur einen Tag länger dort bleiben, kommt es zu einer Inobhutnahme, also einer Unterbringung in Pflegefamilien oder betreuten Wohngruppen.

Das ist also wirklich das allerletzte Mittel, wenn alles andere gescheitert ist bzw. es wirklich so schlimm daheim ist, dass es nicht anders im Sinne der Kinder geht. Ansonsten sind Mitarbeitende bei Jugendämtern grundsätzlich durchaus immer bemüht, die Kinder in ihren Familien zu lassen - auch, weil das an sich durchaus die viel bessere, viel weniger traumatische Lösung für die Kids ist...

Vierjahreszeit  01.04.2023, 20:09

Ich habe nur den letzten Absatz gelesen, weil mir der Umfang deiner Antwort zu viel ist. Aber der Absatz ist richtig.

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manni30194 
Fragesteller
 01.04.2023, 20:18

Dein Kommentar finde ich total realistisch. Danke dafür.

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Ein günstiger Heimplatz kostet täglich rund 150€. Dieser Betrag muss von der Kommune finanziert werden. Die Eltern bezahlen nur einen Bruchteil der tatsächlich anfallenden Kosten.

Ich versichere dir, dass wir keine Provision bekommen, wenn wir Kinder aus Familien nehmen. Stattdessen ist das mit viel zusätzlichem Arbeitsaufwand verbunden.

Was du aber möglicherweise meinst: Wenn sich Eltern trennen und beide die Kinder "behalten" wollen, dann muss im Zweifel das Gericht entscheiden, wo die Kinder besser aufgehoben sind. Dann kann ein Elternteil das Nachsehen haben, dass sich eigentlich super um das Kind kümmert - einfach weil das Kind das Glück hat, zwei tolle Elternteile zu haben.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Sozialer Dienst (Jugendamt)
manni30194 
Fragesteller
 02.04.2023, 16:51

Danke für deinen Beitrag. Aber warum wird dem Jugendamt vermehrt "legaler Kinderklau", Kinderhandel und vieles mehr vorgeworfen...Das ist ja furchtbar. Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Auf sozialen Medien wie z.B. Tiktok hört man das immer mehr. Kannst du etwas dazu sagen, arbeitest du beim Jugendamt? Das würde mich echt interessieren.

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SkR1997  02.04.2023, 20:31
@manni30194

Ich habe keine Ahnung, warum das kursiert. Das ist totaler Bullshit.

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Wenn eine Familie liebevoll und fürsorglich mit seinem Kind umgeht, es fördert und auf seine Bedürfnisse eingeht, wird es ganz bestimmt nicht wegen „schimpfen“ aus der Familie genommen. Unerklärlich sind die Gründe - wenn es denn dazu kommt - auch nicht.

Ich persönlich kenne keine solche Familie in meinem gesamten Umfeld. Du kennst mehrere oder nur vom Hörensagen?

Wenn es um das Wohl und die Gesundheit der Kinder geht, ist es aber schon sinnvoll, wenn das Jugendamt reagiert.

manni30194 
Fragesteller
 01.04.2023, 20:14

Von meinem Umfeld kenne ich niemanden. Aber auf Social Media wie z.B. TikTok sehe ich immer mehr Mütter, die betroffen sind und den Jugendämtern vorwerfen ihre Kinder ohne triftigen Grund in Obhut genommen zu haben . Die Gründe die diese Mütter nennen sind immer harmlos. Deswegen frage ich ja, ob das wirklich so ist. Z.b. meinte eine Mutter, dass ihr Kind weggenommen wurde, weil der EX sie angeschwärzt hat, ohne zu überprüfen habe das Jugendamt das Kind entzogen...

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Weil in Zeiten von Social Media jeder Aufmerksamkeit bekommt.

In solchen Geschichten erfährst du immer nur die halbe Wahrheit, die wahren Gründe werden dort nicht erwähnt.

Wenn diese Leute sich ungerecht behandelt fühlen, dann würden sie sich juristisch dagegen wehren. Aber dann würde sie ja mit den wahren Gründen für die Inobhutnahme konfrontiert werden.

Das ist auf social Media zu schimpfen viel einfacher.

Ich hoffe, dass diese Entwicklung zu Gunsten der betroffenen Kinder weiter geht. Denn sie ist eine Folge der Verwahrlosung der Kinder durch Eltern, die falsche Prioritäten in ihrem Leben setzen.

manni30194 
Fragesteller
 01.04.2023, 19:29

Wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt auf jeden Fall. Aber nicht, weil man mal mit dem Kind schimpft oder mal laut wird.

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Vierjahreszeit  01.04.2023, 19:31
@manni30194

Ich kenne keinen Fall von Kindesentziehung wegen deinem Beispiel. Wenn es nämlich so wäre, müssten mindestens 3/4 aller Kinder in Heimen sein.

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manni30194 
Fragesteller
 01.04.2023, 20:07
@Vierjahreszeit

Dann bleibt nichts anderes übrig, als dass betroffene Mütter ihre Fehler nicht einsehen und den Jugendämtern letztendlich vorwerfen Kinderklau zu betreiben.

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