Warum gibt es Menschen, die in Deutschland seit 35 Jahren leben und kein Deutsch können?

20 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Gerade Frauen hatten es in Deutschland oft schwer: Sie gingen nicht arbeiten, mussten sich um die Kinder kümmern und wenn sie Kontakt zu anderen Leuten hatten, waren das Landsleute, mit denen man die Sprache des Heimatlands sprach. Während die Männer Deutsch auf der Arbeit lernten und die Kinder in der Schule, hatten die Frauen keine Gelegenheit, aber auch keine Notwendigkeit. Irgendwann waren die Kinder groß genug, dass sie einkaufen konnten und wenn ernsthaft einmal in fünf Jahren eine Behörde was wissen wollte, haben sie gedolmetscht. Die Männer haben die weitere Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und auch Sprachkurse entweder verboten oder wusste man nicht, dass es so was gibt.

Es gibt aber auch Männer, die kaum Deutsch sprechen und schon lang da sind - da scheitert es meist an der Motivation und an der Bereitschaft. Und andererseits: Wer als Ausländer auf dem Schrottplatz arbeitet oder in der Müllverbrennung, wo nur angepackt wird und nicht groß geredet ober von deutschen Hinterwäldler-Typen gestische Zeichen gebraucht werden, der hat keine Notwendigkeit und irgendwann ist es ihm auch egal, je älter dass er wird. Ich kenne einen Russlanddeutschen, der nach 25 Jahren in Deutschland nur sechs Worte Deutsch spricht; das ist einfachstes Befehls-Vokabular, das er auf seinem Job in der Müllverbrennung gelernt hat. Warum auch mehr? Daheim spricht er russisch und wenn mal was ist, übersetzen es ihm die Kinder oder die Frau, die mehrere Putzstellen hat; die Frau kauft auch ein und macht den Alltag, während er Rasen mäht und das Auto repariert. Kontakt zu Deutschen hat er außer der Arbeit kaum.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
LeBonyt  13.12.2022, 22:41

Sehr gut erklärt.

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rotesand  13.12.2022, 22:49
@LeBonyt

Danke!

Sind eigentlich nur eigene Erlebnisse. Der Mann, der nur sechs Worte Deutsch spricht, ist mir bekannt, weil seine Frau bei einer Freundin von mir putzt. Der beherrscht wirklich nur sechs Worte, was ich anfangs nicht glaubte und dann doch merken musste, dass es so ist - sind alles Kommandos, die er auf der Arbeit aufgeschnappt hat. Seine Frau schämt sich dafür, aber ich sage mal so - die hat das insofern unterstützt, indem sie hierzulande dafür sorgte, dass er seine Freizeit nur mit russischen Männern verbringt, mit denen er natürlich russisch spricht.

In meiner Schulzeit (90er) kannte ich einige türkische Kinder. Die Mutter sprachen allesamt kaum Deutsch, während die Väter arbeiten gingen und alle relativ gutes Deutsch beherrschten. Ein Mitschülerin sagte mal ... wie soll die Mutter Deutsch lernen, wenn sie nur daheim sitzt, türkisches Fernsehen schaut, die Hürriyet liest und man die Freizeit ausschließlich mit anderen Türken verbringt?! Da ist was dran.

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LeBonyt  13.12.2022, 22:57
@rotesand

Ja und bei mir wohnt ein rumänisches Ehepaar und diese können de facto kaum lesen und schreiben. Die Frau arbeitet bei einem Gebäudereiniger und kam vor ein paar Wochen zu mir mit dem Stimmzettel zur Betriebratswahl und konnte da nichts mit anfangen, aber Arbeitskollegen erklärten ihr das es wichtig ist. Also erklärte ich mit einfachsten Worten wozu so etwas gut ist.

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rotesand  13.12.2022, 23:03
@LeBonyt

Rumänen sind auch so ein typisches Beispiel, bei denen kommt oft sehr schlechte Bildung hinzu; viele sind kaum zur Schule gegangen. Da sind dann die "Basics" nicht mal vorhanden und das ist dann noch schlimmer - selbst wenn sie es wollen würden, Deutsch zu lernen, ist es oft ein Hürdenlauf. Außerdem: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr - es ist halt oft leider so. Spätestens wenn man merkt, dass es grad so irgendwie "auch ohne geht", lassen sie es dann sowieso sein.

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Malik1988 
Fragesteller
 14.12.2022, 18:26
@rotesand

Das sind nicht Rumänen, sondern Sinti und Roma ("Zigeuner"). Normale Rumänen sind solide gebildet.

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Malik1988 
Fragesteller
 15.12.2022, 00:05

Findest Du, dass Menschen, die hier dauerhaft wohnen, die Landessprache (Deutsch) zumindest auf B1 Niveau beherrschen sollten? Sollte es bei der Einbürgerung weiterhin Sprachtests geben?

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rotesand  15.12.2022, 00:06
@Malik1988

Ja, eigentlich schon. Und ich kenne Flüchtlinge, die 2015/16 kamen und heute Deutsch nach B1 sprechen - es ist alles machbar, wenn man es will.

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tanztrainer1  25.07.2023, 16:12
@rotesand

Schwierig wird es für die Leute, von denen es eben hier recht viele Landsleute gibt, vor Allem eben Türken.

Die anderen müssen schnell Deutsch lernen. Es ist teilweise unfassbar, wie schnell das bei Kindern geht. Mit denen konnten wir uns, als die etwa erst ein Jahr hier waren, schon super unterhalten. Die wohnen in einer Asylunterkunft, in der nur komplette Familien leben.

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Kenne solche Personen auch die teilweise mehr als 35 Jahre in Deutschland leben und kaum unsere Sprache sprechen.

Die haben irgendwo in einer Fabrik gearbeitet, vielleicht am Band wo im Akkord gearbeitet wird, aber keiner Zeit ist, sich mit anderen zu unterhalten.

Dann fehlt auch die Motivation dazu, die Sprache erlernen zu wollen. Da unterhält man sich lieber mit Menschen welche dieselbe Muttersprache haben.

Oder Frauen die immer zuhause blieben, während nur der Mann arbeiten ging. Da wird eben nur in der Muttersprache gesprochen.

Ich bin im Bauwesen bauaufsichtlich tätig. Da wird der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund immer größer. Oft treffe ich da welche an, die kaum oder gar kein Wort deutsch verstehen. Das erschwert freilich die Kommunikation, so man denen etwas erklären muss.

Einfach ist unsere Sprache nicht und je älter man wird, umso schwieriger wird es, diese Sprache zu erlernen.

Ich kenne auch welche die schon vor vielen Jahren nach Deutschland kamen und sich heute sehr gut verständigen können. Wenn ich da mal nachfrage wie deren erste Erfahrungen mit der Sprache waren, kommt meist die Antwort, katastrophal, das lerne ich nie. Manche dachten daran, das Land wieder zu verlassen.

Als sie die ersten Verständigungsmöglichkeiten hatten, änderte sich deren Einstellung und oft sprechen die nur deutsch, auch mit denen, die aus demselben Heimatland kommen.

Deren Kinder lernten oder lernen deutsch in der Schule. Da kann man aber teilweise auch feststellen, dass die die Sprache ihrer Eltern nur mangelhaft beherrschen.

Nein, es gibt keinen Zwang zum Deutsch lernen.

Zum einen fällt es nicht jedem leicht, eine andere Sprache zu lernen, viele tun sich damit recht schwer und er lernt sie nie richtig. Im Gegensatz zu Kindern, die Sprachen immer mühelos lernen.

Dann leben sie oft in eine Art Getto mit Menschen aus dem gleichen Herkunftsland als Nachbarn. Und gerade Frauen, die nicht arbeiten, kommen dann kaum raus um die Sprache in der Kommunikation mit anderen zu trainieren.

Ich kenne das von Russlanddeutschen. Von meiner Arbeit mit den Reinigungskräften, die fast alle aus Russland stammen und fast alle in den gleichen Hochhäusern wohnen, auf der Arbeit sprechen sie auch nur Russisch mit Kollegen.

Und von der Grundschule meiner Kinder, da war es das Gleiche, alle wohnten in den gleichen Hochhäusern. Beim Ausflug saßen sie auch gleich wieder zusammen untereinander. Da fehlt dann einfach der Kontakt und man praktiziert die Sprache nicht genug.

Ich kenne das aber auch selbst beruflich, denn dort muss ich auch in einer Fremdsprache arbeiten. Beruflich verstehe ich alles, aber im privaten Bereich hat man einfach Defizite und kann sich nicht so unterhalten, wie man es gerne möchte. Ich bin auch nicht sprachbegabt und müsste es besser sprechen können. Ich fühle mich da halt einfach eingeschränkt und unsicher

Da spricht man einfach gerne in der eigenen Sprache, weil man sich besser ausdrücken kann.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Malik1988 
Fragesteller
 14.12.2022, 23:59

Findest Du, dass Menschen, die hier dauerhaft wohnen, die Landessprache (Deutsch) zumindest auf B1 Niveau beherrschen sollten? Sollte es bei der Einbürgerung weiterhin Sprachtests geben?

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Ja, das gibt es - genauso wie Menschen, die erst vor wenigen Jahren mit Deutschlernen angefangen haben und heute akzentfrei deutsch sprechen.

Übrigens gibt es auch deutschstämmige Menschen, deren Wortschatz und Sprachbeherrschung mangelhaft ist, obwohl sie keine Legastheniker sind.

Solche Beispiele sind für sich genommen traurig, beweisen aber nichts.

Malik1988 
Fragesteller
 14.12.2022, 23:56

Findest Du, dass Menschen, die hier dauerhaft wohnen, die Landessprache (Deutsch) zumindest auf B1 Niveau beherrschen sollten? Sollte es bei der Einbürgerung weiterhin Sprachtests geben?

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Traconias  15.12.2022, 06:07
@Malik1988

Ein bestandener Test alleine ist kein ausschlaggebendes Kriterium, wenn man denn eines haben wollte: Wieviel weißt du heute noch von dem, was du vor Jahren mal für die Schule oder irgendwelche Prüfungen gelernt hast?

Ich finde schon, dass Menschen, die hier dauerhaft leben, deutsch sprechen können sollten. Doch ich halte mangelnde Deutschkenntnisse nicht umgekehrt für ein Argument gegen Zuwanderung oder gar für Ausweisungen.

Vor allem aber halte ich nichts davon, aus Einzelbeispielen wie deinem ein allgemeines Schreckgespenst zu konstuieren, das sich für irgendwelche rückwärtsgewandten Weltbilder eignet.

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tanztrainer1  25.07.2023, 16:23
@Traconias

Es wollen sich auch nicht unbedingt alle einbürgern lassen.

Zum Beispiel lebt im Haus meines Onkels ein Inder, der gut Deutsch kann und im IT-Bereich arbeitet, aber nicht eingebürgert werden will. Wenn er das nämlich machen würde, müsste er seine indische Staatsangehörigkeit abgeben, wodurch er dann seine Eltern nicht mehr beerben dürfte. Wenn es die doppelte Staatsangehörigkeit nicht nur in Ausnahmefällen gäbe, wäre es für ihn kein Problem.

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Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, kein Deutsch sprechen können. Einer der Gründe kann sein, dass die betreffenden Personen keine Motivation haben, Deutsch zu lernen, entweder weil sie in ihrem Alltag kaum Kontakt zu deutschsprachigen Menschen haben oder weil sie sich nicht genug anstrengen, um die Sprache zu erlernen. Ein weiterer Grund kann sein, dass die betreffenden Personen nicht genügend Geld oder Ressourcen haben, um einen Deutschkurs zu bezahlen oder eine andere Form der Sprachförderung in Anspruch zu nehmen. Es kann auch sein, dass die betreffenden Personen keine Notwendigkeit sehen, Deutsch zu lernen, weil sie in ihrem Alltag gut ohne die Sprache auskommen.

Malik1988 
Fragesteller
 15.12.2022, 00:03

Findest Du, dass Menschen, die hier dauerhaft wohnen, die Landessprache (Deutsch) zumindest auf B1 Niveau beherrschen sollten? Sollte es bei der Einbürgerung weiterhin Sprachtests geben?

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