Warum bestimmt das Sein das Bewusstsein?

6 Antworten

Dieser Satz ist speziell deutsch, denn er richtet sich gegen die Philosophie des deutschen Idealismus, die im Prinzip in Varianten das Gegenteil behauptet hat. Schon auf nicht-idealistische Philosophen wie Schopenhauer, Feuerbach oder Nietzsche trifft diese Abwehrhaltung nicht mehr zu. Allerdings - wie so oft - wird Marx in dieser Abwehrhaltung selbst etwas einseitig, wobei sich die Frage stellt, ob diese Fehleinschätzung zu seinem politischen Programm der Revolution geführt hat oder ob er diese Einseitigkeit nur überzogen hat, um sein politisches Programm der Revolution zu untermauern.

Der grundsätzliche Konflikt zwischen Idealismus und Realismus ist allerdings nicht wirklich neu. Den gab es schon in der Antike z.B. zwischen Platonismus/Akademie und dem Epikureismus. Nur hat das Christentum dann dem Platonismus zur Sieg verholfen und radikal den Realismus über 1000 Jahre fast ausgelöscht. Seit der Renaissance und dann erst recht seit der französischen und englischen Aufklärung wendet sich das Blatt wieder - aber nicht in Deutschland. Da verfällt der Aufklärer Kant am Ende selbst wieder in Idealismus und seine Nachfolger, vor allem Hegel treiben ihn auf die Spitze.

Anpassung an die Lebenssituation, ist das Konzept des Lebens. Auch in Bezug auf gesellschaftliche Verhältnisse ist das eine Notwenigkeit. Im Allgemeinen hat sich dies evolutionär als vorteilhaft erwiesen. Daher sind die Menschen "Situationalisten". Selbst in sehr kurzfristigen Veränderungen passen sie sich an. Wenige haben aber auch die Fähigkeit, die Situation zu verstehen und mit entsprechender Position zu idealisieren - wenn es nutzt.

Diese geläufige Verkürzung eines Zitats von Karl Marx wird oft so verstanden, dass das individuelle Bewusstsein von äußeren Lebensumständen des Einzelnen geprägt sei. Marx spricht hingegen in dem Vorwort seiner Schrift »Zur Kritik der politischen Ökonomie« (1859) davon, dass die gesellschaftlichen Lebensumstände, besonders die Produktionsbedingungen zur Sicherung der materiellen Existenz, ein bestimmtes Bewusstsein zur Folge haben. Er sagt: »Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.«

Quelle: http://universal_lexikon.deacademic.com/225136/Das_Sein_bestimmt_das_Bewusstsein

Beobachte doch einfach mal (dich und andere Menschen). Wenn du Kind bist, findest du Dinge, die deine Eltern tun so und so, wenn du selber Kinder hast, kannst du das gar nicht mehr nachvollziehen oder lächelst darüber. Wenn du zur Miete lebst, findest du den Vermieter geizig und eine Spaßbremse, wenn dir das Haus plötzlich selber gehört, dann mutierst du auch zu einem typischen Vermieter. Hast du jemals in einem Laden gearbeitet und an der Theke bedient? Kunden finden oft die Bediensteten faul und unfreundlich, wenn du selber mal da gestanden hast, findet du die Kunden unfreundlich und unverschämt.

Es ist eine Zwangsläufigkeit, dass sich das Denken und Bewerten an der eigene Situation ausrichtet. Der Satz von Marx ist nur deswegen so erstaunlich, weil wir uns ständig etwas in die Tasche lügen und glauben, wir würden von edlen Motiven regiert.

Vielleich versteht man es besser wenn man Brechts Ausspruch "Erst kommt das Fressen, dann die Moral" zu Hilfe nimmt.

Erst wenn ich mein Überleben gesichert habe, kann ich mir über moralische Probleme Gedanken machen. Wenn ich in den falschen Verhältnissen geboren bin, mache ich mir nur über mein Überelben Gedanken.