Wert einer Ware nach Karl Marx?

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Wenn man sagt, ein Handy sei teuer, weil darin seltene Erden verarbeitet werden, hat man nichts gewonnen. Denn wenn ich sage, ein Handy ist teuer, weil darin teure Materialien verbaut wurden, stellt sich direkt die Frage: warum sind die Materialien teuer? Ich bin der Frage, warum überhaupt etwas "teuer" ist oder warum überhaupt etwas einen Preis hat, also noch keinen Millimeter näher gekommen. Sondern ich habe "teuer" mit "teuer" erklärt.

Der Wert einer Ware ist keine Natureigenschaft der Dinge. Marx schreibt im "Kapital", dass noch niemand bei der technischen Untersuchung einer Ware unter dem Mikroskop irgendeinen "Wert" gefunden hat. Der "Wert" ist keine natürlich Eigenschaft von Dingen, sondern eine soziale Eigenschaft. Das ist so ähnlich wie beim Wechselkurs einer Geldmünze. Ich kann die Geldmünze noch so genau untersuchen und auseinandernehmen, ich werde keinen Wechselkurs finden. Trotzdem "hat" die Münze einen Wechselkurs, weil die Menschen ihr durch die menschliche Praxis, verschiedene Währungen zu tauschen, einen Wechselkurs geben. Würde die Menschheit aus irgendeinen Grund aufhören, Währungen zu tauschen, hätte die Münze ab sofort auch keinen Wechselkurs mehr.

Auch die Produkte erhalten nur dann die Eigenschaft "Wert", wenn die Menschen in ihrer sozialen Wirklichkeit auf eine bestimmte Weise mit den Produkten umgehen. Da der Wert bekanntlich im Tauschwert erscheint, ist auch klar, welche soziale Aktion die Ursache für die Wert-"Eigenschaft" der Waren ist, nämlich der Tausch. Den "Wert" braucht man nur, wenn man die Produkte tauscht. Dieser Tausch ist die Ursache für die Werteigenschaft der Waren, ob die Menschen beim Tausch daran denken oder nicht.

Die Frage ist aber: wie kommt es überhaupt dazu, dass Menschen Produkte tauschen? Und welche Eigenschaften muss ein Produkt haben, damit es überhaupt austauschbar ist?

Die Antwort auf die erste Frage ist: Menschen tauschen Produkte aus, wenn diese Produkte nicht gesamtgesellschaftlich, sondern von "unabhängigen" Produzenten produziert werden. Wenn der eine nur Tische, der andere nur Brot und der Dritte nur Bücher herstellt, müssen die Menschen zwangsläufig tauschen, wenn jeder ein Buch, ein Brot und einen Tisch haben will.

Viele meinen, dieser Warentausch sei der Naturzustand der Menschheit. Adam Smith sprach sogar vom menschlichen "Hang" zum Tausch. Das stimmt aber nicht. Nehmen wir z.B. mal einen Indianerstamm: da gab es keine Produzenten von Zelten, die ihre Zelte mit den Produzenten von Pfeilspitzen oder den Produzenten von Essen tauschen mussten. Alles wurde gemeinsam geplant und gemeinsam durchgeführt. Geld und Händler gab es nicht. Und so ähnlich wie die Indianer lebte die Menschheit überall auf der Welt für viele tausende von Jahren. Dass alle Produkte als Waren hergestellt werden, also getauscht werden, gibt es erst seit ganz kurzer Zeit, noch keine 200 Jahre.

Eine Voraussetzung für die Werteigenschaft ist also, dass die Aneignung von Produkten durch Tausch geschieht.

Was macht ein Produkt aber überhaupt "tauschfähig"?

Erstens muss es irgendeinen Gebrauchswert haben. Ein Produkt, dass keiner gebrauchen kann, kann ich nicht eintauschen.

Zweitens, und das ist wichtig: dieser Gebrauchswert muss durch Arbeit entstanden sein. Denn für Dinge, deren Gebrauchswert nicht durch menschliche Arbeit vermittelt ist, bin ich natürlich nicht bereit, irgendwas im Tausch hinzugeben. Zum Beispiel die lebensnotwendige Luft: Wenn mir jemand Luft verkaufen wollen würde, würde ich ihn auslachen, denn Luft ist überall ohne menschliche Arbeit zu haben. Wenn ich eine Hütte in Borneo habe und nur den Arm aus dem Fenster strecken muss, um exotische Früchte vom Baum pflücken zu können, kann mir keiner solche Früchte verkaufen. Ich bin also nur dann bereit, etwas zu tauschen, wenn mir das gewünschte Objekt nicht bereits von Natur aus zur Verfügung steht. Dinge, die nicht von Natur aus zur Verfügung stehen, sind aber - Dinge, deren Gebrauchswert auf menschlicher Arbeit beruht. Das gilt auch für solche Dinge, die rein äußerlich gar nicht von Menschenhand verändert wurden. Zum Beispiel für exotische Früchte aus Borneo. Wenn ich eine exotische Frucht essen will, hilft es mir nichts, dass diese Früchte für jeden kostenlos in Borneo am Baum hängen. Ich brauche irgendjemanden, der sie dort pflückt und zu mir nach Deutschland transportiert. Also wieder menschliche Arbeit.

Waren haben also (in einer Tauschgesellschaft) nur deshalb einen Wert, weil menschliche Arbeit in ihnen steckt.

Bleibt die Frage nach dem Maß des Wertes, also die Frage danach, wie hoch der Wert einer Ware ist. Das ist die schwierigste von allen Fragen.

Wenn der Wert auf menschlicher Arbeit beruht, liegt es nahe, die Höhe des Werts irgendwie mit der Menge oder der Qualität der in den Produkten steckenden Arbeit in Verbindung zu setzen. Die Schwierigkeit ist: woher weiß ich eigentlich, wieviel Arbeit in einem Produkt steckt? Bei ganz einfachen Produkten wie z.B. einem Tisch habe ich vielleicht noch eine ungefähre Vorstellung davon, wieviel Arbeit es macht. Aber bei einem Handy kann ich mir das gar nicht vorstellen. Bei der Arbeit von Spezialisten wie zum Beispiel bei der Arbeit von Ärzten kann ich mir das auch nicht richtig vorstellen, denn wer weiß schon wie lange ein Arzt dafür studieren muss und wie oft er sich weiterbilden muss? Trotzdem müssen ja die Produkte bzw. Leistungen irgendwie getauscht werden. Wenn man sich die Sache historisch betrachtet, so muss man feststellen, dass vor Beginn des Kapitalismus die Waren nicht streng nach dem Arbeitsaufwand bewertet wurden, sondern nach allen möglichen Kriterien. Auch damals schon war übrigens die Arbeit, die in einem Produkt enthalten war, oft unbekannt. So wurden z.B. in Ägypten Skulpturen aus Bernstein verkauft, den man ja nur an der Ostsee findet. Das wurde dann von allen möglichen Zwischenhändlern bis nach Ägypten geliefert. Kein ägyptischer Kunde hatte irgendeine Vorstellung davon, wo das Zeug herkommt und wie viel Arbeit es gemacht haben muss, das Bernstein einzusammeln und nach Ägypten zu tragnsportieren, Das heißt, die Tauschrelationen haben sich nicht streng nach der Arbeitsmenge gebildet, sondern die Arbeitsmenge war allenfalls bei einem Teil der Waren ein Kriterium unter anderen. Der "Wert" der Waren hat sich oft erst durch den Tausch selber gebildet.

Das hat sich aber im Kapitalismus durch die Lohnarbeit geändert. Die Lohnarbeit wurde erst im Kapitalismus allgemein. In früheren Gesellschaften gab es nur wenige Lohnarbeiter. Der Lohnarbeiter wird bekanntlich nach seinen Reproduktionskosten entlohnt, d.h. er bekommt (im Durchschnitt) so viel Lohn, wie es seinen Lebenshaltungskosten entspricht. Da (mit Ausnahme der Kapitalisten und einiger kleiner Bauern, Handwerkern, Pfarrern und Buchautoren) die Gesellschaft fast nur noch aus Lohnarbeitern besteht, ist das Geld, das die Menschen haben um die Produkte zu kaufen, im Wesentlichen Arbeitslohn. Die Lohnarbeiter können auch nicht mehr als ihren Lohn ausgeben. Zumindest für die Produkte, die die "Lebensmittel" (im weiteren Sinne) der Arbeiterschaft ausmachen, hat man also einen Wert. Und umgekehrt hat man einen Wert der Arbeitskraft. Und aus dem Wert der Arbeitskraft leitet sich dann der Wert aller Produkte ab, auch für solche Produkte, die nicht von den Lohnarbeitern konsumiert werden. Wobei die Wertbestimmung für ein einzelnes Produkt nicht wissenschaftlich exakt ist. Streng genommen - auch das hat Marx erkannt - lässt sich für ein einzelnes Produkt der Wert gar nicht wissenschaftlich genau bestimmen. Fest steht nur, dass der Gesamtwert aller von den Lohnarbeitern hergestellten Produkte dem Gesamtgegenwert aller darin eingeflossenen Arbeit entspricht.

Also: Einen "Wert" haben die Produkte nur dann, wenn sie als Waren getauscht werden. (Das soll zum Beispiel im Kommunismus nicht mehr der Fall sein, weshalb es im Kommunismus auch keinen "Wert" mehr geben würde.) "Wert ist Austauschbarkeit", sagt Marx irgendwo. Ferner sind Dinge nur austauschbar und haben daher nur dann einen Wert, wenn sie das Ergebnis menschlicher Arbeit sind. Dass die Höhe des Werts in Relation steht zur aufgewandten Arbeit, wird erst durch das Allgemeinwerden der Lohnarbeit voll verwirklicht.

Auch die Rohstoffe, die in die Produktion eingehen sind nichts anderes als Waren. Die Gewinnung, Aufbereitung und Herstellung dieser Rohstoffe erfordert wieder Arbeit. Der Preis bestimmt sich wiederum danach, welche Arbeitsleistung in welcher Menge an Rohstoffen steckt. Gerade bei seltenen Rohstoffen müssen viele Menschen viel arbeiten, um nur einen geringen Teil des Stoffes zu gewinnen, aufzubereiten und zu verarbeiten. Dadurch steigt der Preis je Einheit.

Dabei ist noch wichtig dass in diesem Preis nicht nur die Einzelleistung eines einzelnen schwitzenden Arbeiters steckt, sondern die gesamte gesellschaftliche Leistung die zur Produktion notwendig ist. Und da kommt gerade bei Rohstoffen vieles zusammen, von der Lokalisierung über die Aneignung der Verfügungsgewalt über das Gebiet über die Errichtung der Gewinnungsstätte etc.etc.

Zusammengefasst hat Marx das hier

http://www.mlwerke.de/me/me16/me16_101.htm#K05

allerdings ist das nicht ganz einfach zu lesen.

Inkognito-Nutzer   03.11.2023, 17:24

Ahh, vielen Dank!!

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mag sein, dass er diese Meinung hatte - im realen Leben funktioniert dies aber nicht

am einfachsten versteht man es, wenn man eine Kalkulation der Fertigungs- und Herstellkosten betrachtet und das ist ja bei Weitem noch nicht der Preis der hergestellten Ware - es kommen noch weitere Kosten drauf, wie z.B. Werbung, Verkauf, Verwaltung ...

am Ende bestimmen Angebot und Nachfrage den Preis/Wert einer Ware

was nützt es, wenn du z.B. Gartenrechen selbst -also ohne Maschineneinsatz- herstellst -ganz aus Holz, also auch die Zinken- alles in Handarbeit - solches ist extrem arbeitsintensiv und du müsstest das Holz in Form eines Baumes in deinem Garten haben = Rohstoff - wie lange geht das gut? ein Messer, Raspel .. würdest du auch benötigen, diese Werkzeuge kannst du selber nicht herstellen - das müsste ein Schmied erledigen - er würde ebenfalls Rohstoffe hierzu benötigen wie Eisen, Mangan.... und diese selber verarbeiten können - auch der Schmied macht das nicht kostenlos

und wie lange arbeitest du an einem solchen Rechen und was würde dieser kosten - glaubst du, du würdest hierfür einen Kunden finden? Ich glaube das nicht

von Karl Marx weiß ich, dass er sein ganzes Leben lang in Geldschwierigkeiten war - sein Freund Friedrich Engels hat ihm ab und zu geholfen - ich gehe deshalb davon aus, dass seine Kenntnisse in Sachen Geld wohl eher spärlich waren und er solche Vorgänge wie die Bewertung von Waren rein vom philosophischen Blinkwinkel aus betrachtet hat - der Realität hat das nicht entsprochen

DerRoll  03.11.2023, 17:40

Es geht bei dieser Frage nicht darum die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Aussage zu zeigen, sondern lediglich um die Erklärung wie Marx das gemeint hat. Deine Beschreibung ändert nebenbei gar nichts an der Aussage von Marx, also damit hast du ihn sicher nicht widerlegt.

Beachte das Marx einer der Ersten war, der sich überhaupt darüber Gedanken gemacht hat wie und warum sich Preise in einer Volkswirtschaft entwickeln.

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apt2nowhere  03.11.2023, 17:48
@DerRoll

was hätte es für einen Sinn ihn zu widerlegen ? er kann/konnte das sehen, wie er wollte - an der Realität hat dies aber nichts geändert

Marx stellt die Arbeitsleistung des Menschen in den Vordergrund -sie soll den Preis einer Ware bestimmen - die Arbeitsleistung des Menschen ist aber immer nur ein Teilaspekt - ich nehme an, es war sein Versuch den sogenannten gerechten Lohn für eine Arbeit anzusetzen - für jede Ware brauchst du aber einen Käufer, gibt es diesen nicht, nützt der ganze gerechte Lohn nichts, weil du in einem solchen Fall dann überhaupt kein Geld bekommst - du kannst dann bestenfalls den Rechenstiel anknabbern - hört sich nicht gut an oder?

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DerRoll  03.11.2023, 17:53
@apt2nowhere
ich nehme an, es war sein Versuch den sogenannten gerechten Lohn für eine Arbeit anzusetzen

Du nimmst falsch an. Für Marx gab es keinen "gerechten" Lohn. Lohn war immer etwas dass der Kapitalist dem Arbeiter zugestanden hat. Du kannst dich jetzt darum herum reden wie du willst und ich will mit dir bestimmt nciht Marx diskutieren. Aber dir muß klar sein, dass du in keinster Weise auf die Frage des Nutzers eingehst und ihm damit auch nicht weiter hilfst.

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