Sind Entnahmen vom Geschäftskonto Einnahmen?
Hallo,
Wenn man als selbständiger aufstockend ALG2 bezieht und im Bewilligungszeitraum Geld von seinem Geschäftskonto auf das Privatkonto überweist um damit private Kreditkartenschulden oder private Versicherungen zu bezahlen, zählt das dann als Einnahme die vom ALG abgezogen wird?
Oder ist es einfach eine Verfügung über vorhandenes Vermögen, sofern es nicht die Erheblichkeitsgrenze überschreitet?
Das Geld auf dem Geschäftskonto stammt aus der Zeit bevor man ALG2 beantragt hat, aber noch aus dem laufendem Kalenderjahr, es ist also nicht im Bewilligungszeitraum zugeflossen.
Ich finde dazu nur dieses Urteil aus 2017 mit verweisen auf vorherige Urteile
Woraus sich folgende Leitsätze ergeben:
"1. Denn die Nichtberücksichtigung von Privateinnahmen als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II ergibt sich bereits aus der grundsätzlichen Erwägung, dass Privatentnahmen auf der Verfügungsbefugnis des Selbstständigen über sein Betriebsvermögen beruhen und daher der Substanz entnommen werden. Sie sind als Rechnungsposten beim Betriebsvermögensvergleich (vgl. § 4 Abs. 1 EStG) nicht das Ergebnis unternehmerischer Tätigkeit und damit kein Einkommen. Solche sonstigen Privatentnahmen wirken sich nicht Einnahmen erhöhend aus, weil sie bereits bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung berücksichtigt werden (s. hierzu Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. April 2007 – L 26 B 422/07 AS ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 4. April 2008 – L 7 AS 5626/07 ER-B; vgl. auch Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 30. Juli 2008 – B 14 AS 44/07 R ).
2. Privatentnahmen aus einem vom Leistungsempfänger geführten Unternehmen sind jedenfalls dann nicht als Einkommen iSv § 11 SGB II zu berücksichtigen, wenn im laufenden Geschäftsjahr kein Gewinn erwirtschaftet worden ist. In dieser Konstellation beruht die Entnahme allein auf der Verfügungsbefugnis des Selbstständigen über sein Betriebsvermögen und beinhaltet ausschließlich einen Zugriff auf die Substanz des Unternehmens."
Leider widersprechen sich 1. und 2. wenn die Einnahmen aus dem gleichen Kalenderjahr sind.
Aus der Anlage EKS womit das Einkommen im Bewilligungszeitraum nachgewiesen wird, ist der Begriff "Entnahmen" gestrichen worden und es gibt nur noch "Entnahmen von Waren", das Job Center hat aber Einsicht in die Kontenbewegungen.
Gab es da eine Änderung oder ein neues Urteil? Weiß jemand mehr?
Ergänzung: Einzelunternehmen ohne Angestellte oder Beteiligte
5 Antworten
Sofern es sich um ein Einzelunternehmen handelt, ist die Trennung Geschäfts- und Privatkonto steuerrechtlich irrelevant und dienst nur der Trennung von geschäftlichen und privaten Zahlungsein- und -ausgängen zum Zwecke der Übersichtlichkeit. Handels- wie steuerrechtlich handelt es sich mMn nicht um Betriebs- sondern Privatvermögen des Unternehmers. So lautet ja auch das Fazit des verlinkten Urteils. Entscheidens ist nur, dass das sog. Geschäftskonto natürlich bei allen Fragen zur Vermögenslage bei Beantragung von Hilfen auch entsprechend als Vermögen anzugeben war und ist.
Na klar sind das Einnahmen, wenn du Geld für dich abziehst.
Das sehe ich nicht so. Denn beim Einzelunternehmer gibt es ja keine faktische Trennung von Betriebs- und Privatvermögen. Der Betrieb ist keine juristische Person, ergo gelten alle Gelder, die dort zum Zeitpunkt XY eingehen, als zugeflossen und steuerlich relevant nur für das entsprechende WJ, in dem der Zahlungsfluss stattfand. Ist das WJ abgeschlossen und die EStE abgegeben, ist das Ergebnis mit dem 31.12. in das PV des Unternehmers handels- wie steuerrechtlich übergegangen.
Wenn ich Vermögen von meinem Firmenkonto auf mein Privatkonto überweise, dann habe ich ja nicht mehr Einkommen als wenn ich es auf dem Konto belasse und mir erst nach dem Bewilligungszeitraum auszahle.
Steht doch in dem Urteil drin. Das ist eine reine Vermögensumschichtung.
M.E. steht da nur selbstverständliches drin. Wird während des bezuges von ALG eine Privatentnahme getätigt, so darf sie den Gewinn nicht schmälern.
Da du aber vor bezug von ALG2 selbständig warst, stellt sich dieses problem doch nicht. Vielmehr git dann das letztere, es ist ein reiner Vermögensverzehr
@berndauskleve danke so hatte ich das noch nicht gelesen. Nur zum Verständnis, wie kann bei einer 1-Personengesellschaft eine Privatentnahme jemals den Gewinn schmälern?
Das geht doch eigentlich nur wenn ich geschäftlich Waren kaufe, dann aber privat verbrauche, also Entnahme von Waren.
Wenn ich Geld vom Geschäfts aufs Privatkonto überweise ändert sich der Gewinn ja nicht.
Bis 2019 musste man in der Anlage EKV noch die Privatentnahmen in Geld angeben und Waren getrennt angeben und wenn sie den geschätzten Gewinn überstiegen dem Jobcenter die Verwendung nachweisen. Jetzt gibt es das anscheinend in dieser Form nicht mehr..
Nur wenn in zurückliegenden Jahren ein entsprechender Gewinn beim Betrieb verblieben sei und dessen Vermögen bilde
Und genau das ist bei einem Einzelunternehmen gar nicht möglich. Der Betrieb selbst hat kein Vermögen, da jeder Cent Überschuss genauso wie jeder Cent Verlust direkt dem Unternehmer zuzurechnen ist. Bei einer EÜR gibt es keine Forderungs-, Vermögens- oder Verbindlichkeitskonten, da mit Ablauf des WJ alles auf Null gestellt wird.
wie kann bei einer 1-Personengesellschaft eine Privatentnahme jemals den Gewinn schmälern?
Bei EÜR gar nicht. Bei Bilanzierung nur dann, wenn man die PE falsch kontiert. Im Kontext würde ich vermuten, dass diese Abfrage daher rührt, dass viele Einzelunternehmer keine saubere fortlaufende doppelte Buchführung machen, sondern nur den Zahlungsfluss buchen. Das ist zwar zulässig, nur muss das dann auch entsprechend zeitnah und exakt vollzogen werden - und eine PE eben dann auch entsprechend nicht als Ausgabe auftauchen.
Ich würde sagen: nein!
Schließlich wird auch keine Einnahme dem monatlich verfügbaren Budget hinzugefügt, sondern schlicht damit Schulden beglichen.
Ansonsten tendiert die Wahrscheinlichkeit, damit auffällig zu werden vermutlich gegen null.
Zur Vermeidung von Komplikationen wÜrde ich empfehlen das Geschäftskonto im Ausland zu führen in solchen Fällen.
Ja eigentlich schon aber dem steht für im selben Wirtschaftsjahr (aber vor alg bezug) erzielte Gewinne, dies entgegen:
c) .. aus den Erwägungen des Beschlusses des LSG Nordrhein-Westfalen vom 8. September 2011 – L 19 AS 1304/11 B, juris. Hiernach sind Privatentnahmen berücksichtigungsfähig, soweit die Entnahmen aus den laufenden Jahreseinnahmen erfolgen. Nur wenn in zurückliegenden Jahren ein entsprechender Gewinn beim Betrieb verblieben sei und dessen Vermögen bilde, sei die Privatentnahme lediglich Vermögensverzehr und nicht dem Gewinn zuzurechnen.