Sind die Verse 19 bis 25 der 53. Sure im Koran historisch belegt?

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Das meiste Wissen aus dieser Zeit finden wir in den islamischen Überlieferungen.

Die Frage ist natürlch, als wie authentisch du diese ansiehst.

Ich zitiere mal bissl was:

"Sicher sind (die Offenbarungen) betrügerisch.
An einer Stelle sagt er selbst, dass sie von Satan gekommen sind.
Das war ein bekanntes Ereignis in seiner Laufbahn, das von Salman Rusdhie in seinem Buch "Die satanischen Verse" verewigt wurde. Doch Rusdhie hat das nicht erfunden.
Mohammed bekam einmal, wie er selbst sagte, eine "göttliche" Offenbarung, die es den Moslems erlaubte die drei heidnischen Göttinnen zur Fürbitte anzurufen. Dies war ein Versuch seinen eigenen Stamm der Koreish, einen arabischen Heidenstamm, mit den Moslems auszusöhnen, weil (der Stamm) diese Göttinnen verehrte.
Doch dann begriff er, dass er seine frühere Botschaft eines reinen Monotheismus aufs Spiel setzt. So sagte er Satan hätte ihm diese Verse eingehaucht und er strich sie."

Quelle:

Robert Spencer, amerikanischer Religionswissenschaftler

https://youtu.be/3Qfjtb7PG3M

(ab 1:42)

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Etwas detaillierter:

Später wollte Mohammed sich dann mit den Quraish (immerhin seinem eigenen Stamm) wieder aussöhnen, die noch immer an ihre heidnischen Göttinnen glaubten. Mohammed bekam also eine "Offenbarung" nach der man auch diese Göttinen zur Fürbitte anrufen dürfe.

"Diese sind die erhabenen, deren Fürbitte erhofft wird."

Namentlich ging es dabei um die Göttinnen al­Lāt, alʿUzzā und Manāt.

So liest man z.B. in Ibn Ishaq:

"Dann gingen die Leute auseinander, und die Quraisch, erfreut über das, was über ihre Gottheiten gesagt worden war, kamen heraus und sagten, Mohammed hat in großartiger Weise über unsere Götter gesprochen. Er erklärte in seinem Vortrag, dass sie die erhabenen Gharaniq sind, deren Fürbitte genehm ist"

Auch Sahih al-Bukhari bestätigt diese Überlieferungen (Bukhari, Band 6, Buch 60, Nummer 385) und ebenfalls Ibn Sa’d und Tabari nahmen sie als authentisch an.

("Die Heiden" warfen sich zusammen mit Mohammed nieder).

Doch dann begriff Mohammed, daß er seine frühere Botschaft (eines reinen Monotheismus) aufs Spiel setzt. So sagte er später, Satan hätte ihm diese Verse eingehaucht.

Heute sind diese Verse bekannt als die "Satanischen Verse".

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Den Wikipedia-Artikel kennst du ja bereits, dem wird von Muslimen ja aber eh nicht vertraut.


mulan2255  02.08.2020, 17:43

Robert Spencer ist keine seriöse Quelle! Von ihm seriöse und objektive Informationen zu erwarten ist eher fraglich. Man schaue nur mal auf seinen Background.

Meines Wissens hat Tabari, der übrigens durchaus umstritten ist, da er auch schwache bzw. zweifelhafte Hadithe in seine Werke übernimmt, diese Geschichte nicht bestätigt sondern als unwahr eingestuft, auch weil es von dem Wortlaut diverse Varianten gibt. Ibn Sa‘ds Aussagen kenne ich noch nicht. Hast du genaueres? Am besten originalsprachiges, mit Links?

Ibn Ishaq wird zwar als guter Historiker gesehen, aber er verwendete auch etliche schwache bzw. zweifelhafte Hadithe, so dass er durchaus umstritten ist. Er war kein ausgewiesener Hadith-Überlieferer. Diese Geschichte habe ich bei ihm noch nicht gefunden. Könntest du bitte auch zu ihm näheres liefern, Name des Kapitels, Links, arabischen Wortlaut? Wäre nett!

Bezüglich der Überlieferung bei Bukhari wird nur gesagt, dass, als der Prophet die Sura an-Najm rezitiert hatte (nicht offenbarte, d.h. er rezitierte die bereits vorhandene und daher bekannte Sura) und sich niederwarf, warfen sich auch die Anwesenden nieder. Da steht nichts von zusätzlichen Worten. Dass es da noch andere Worte gab, ist spekulativ. Man kann daher nicht sagen, dass die von Ibn Ishaq hier zitierten Worte als solche bzw. mit dem Zusatz Gharaniq bei Bukhari bestätigt werden. „Gharaniq“ findet sich in keinem der Hadithbücher bei Sunniten und Schiiten.

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mulan  02.08.2020, 20:26
@mulan2255

Ich habe den Text von Ibn Ishaq auf den Begriff Gharaniq (غرانيق) durchsucht. Er kommt im arabischen Text anscheinend nicht vor. Die gebotene Übersetzung scheint sich daher nicht auf den arabischen Text der Prophetenbiografie von Ibn Ishaq zu beziehen. Ich bitte um genaue Referenzen für das gebotene Zitat. Ist dieses bei Gustav Weils Ausgabe zu finden oder in welcher Übersetzung? Bitte genaue Referenzen, damit man Erfolg hat, es zu finden - oder nicht, wie ich vermute angesichts des Umstandes, dass die "Kraniche" anscheinend nicht im arabischen Text vorkommen.

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Sturmtaucher2  02.08.2020, 22:10
@mulan

Die genauen Quellen standen im Wiki-Artikel, den ich ja weggelassen habe, weil er wie gesagt bereits gelinkt wurde.

Dort findet man:

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"Satanische Verse" ist die Bezeichnung für eine Episode in der Biographie bzw. Legende des Religionsstifters und islamischen Propheten Mohammed, die mit der frühmekkanischen 53. Sure „Der Stern“ (an-Nadschm) im Koran zusammenhängt.
Dort geht es in den Versen 19 bis 25 um die in der Kaaba in Mekka verehrten alten Gottheiten.
[...]
Nach einer Überlieferung, die der Biograph Ibn Saʿd in sein Kitāb aṭ-Ṭabaqāt....

Unten drunter ist als Referenz angegeben:

Kitāb aṭ-Ṭabaqāt, Kairo 1968, Band 1, Seite 137

....sowie der Korankommentator und Historiker at-Tabarī in seine Chronik und seinen Korankommentar aufgenommen haben...

Hier als Referenz angegeben:

Annalen 1, Seite 1192–1196

vgl. Rudi Paret: Der Koran, Kommentar und Konkordanz, Stuttgart: Kohlhammer, 1971, Seite 461

vgl. Der Koran: Kommentar und Konkordanz, 8. Auflage, W. Kohlhammer 2012

...erlaubte der als Gesandter eines einzigen Gottes geltende Mohammed, die Göttinnen al-Lāt, al-ʿUzzā und Manāt um Fürsprache anzurufen, widerrief die entsprechenden Verse (welche in einer früheren Koranversion zwischen den heutigen Suren 53,20 und 53,21 niedergeschrieben gewesen sein könnten) jedoch bald, worauf gelegentlich die angeblich daraufhin offenbarte Sure 22 (Vers 52 f.) bezogen wird.
Den Ausdruck „Satanische Verse“ prägte William Muir, in arabischen Chroniken und in Korankommentaren wird die Episode als قصة الغرانيق / qiṣṣat al-ġarānīq / ‚Kranichbericht‘ oder auch als die „untergeschobenen Verse“ bezeichnet.
[...]
Neben beispielsweise dem Mekka-Handel, der Nacht- und Himmelsreise des Propheten sind die satanischen Verse Bestandteil beinahe jeden islamischen Berichts über das Leben Mohammeds.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Satanische_Verse

Alternative Quelle mit leicht anderem Text: https://anthrowiki.at/Satanische_Verse

.

In der Koranexegese wird angenommen, dass dem Propheten Muḥammad nach den Versen 19 und 20 in Sure 53, in denen die drei altarab. Gottheiten al-­Lāt, alʿUzzā und Manāt erwähnt sind, von Satan die folgenden zwei Verse eingeflüstert wurden:
«Diese sind die erhabenen, deren Fürbitte erhofft wird.»
Erhielt der einzige Gott (Allāh) damit andere Götter beigesellt (arab. shirk), so stellte eine göttliche Offenbarung diesen Irrtum richtig; durch die Verse 21 – 27 in Sure 53, in denen die beiden s. V. abrogiert werden.

Quelle: https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/islam-lexikon/21680/satanische-verse

.

Und dann habe ich noch dashier gefunden:

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Sturmtaucher2  02.08.2020, 22:15
@Sturmtaucher2

.

Quelle: http://belgien.exmuslim.org/de-satanischen-verse.html

Obwohl das Buch von Rushdie eine fiktive Geschichte erzählt, hat er die “Satanischen Verse” nicht erfunden.

Dieser Begriff bezieht sich auf eine Begebenheit, die in der islamischen Überlieferung festgehalten ist und auf die sich Sure 53, “Der Stern”, bezieht, in der Satan, nicht Allah, durch Mohammeds Mund gesprochen hat.

Die Verse, die der Teufel dem Propheten des Islam eingegeben hat, wurden danach als die “Satanischen Verse” bekannt.

In seiner “Biographie von Mohammed” (Seite 165 bis Seite 167, im Inhaltsverzeichnis als "Sein vorübergehendes Zugeständnis gegenüber dem Polytheismus" bezeichnet) schreibt Ibn Ishaq:

“der Gesandte machte sich Sorgen um das Wohlergehen seines Volkes” – der heidnischen Quraisch - und “sehnte sich danach, einen Weg zu finden, um sie an sich zu ziehen”.

Letztlich waren es allerdings die Anführer der Quraisch, die mit einem Angebot zu ihm kamen. Sie würden ihm Frauen und Geld geben und ihn sogar zu ihrem König machen – wenn er dafür ihre Bedingungen erfülle.

“Dieses wollen wir dir geben, Mohammed, so sieh also davon ab, unsere Götter zu verunglimpfen und sprich nicht übel von ihnen. Willst du dies nicht, dann bieten wir dir ein Mittel an, welches sowohl zu deinem als auch zu unserem Nutzen ist.”
“Was ist es?” fragte Mohammed.
“Du wirst unsere Göttinnen al-Lat und al-‘Uzza ein Jahr lang verehren, und wir werden deinen Gott ein Jahr lang verehren.”

Nachdem er das Angebot zunächst abgelehnt hatte, erhielt Mohammed eine Offenbarung, der zufolge es rechtmäßig sei, wenn die Muslime die beliebtesten Göttinnen der heidnischen Quraisch, al-Lat, al-Uzza und Manat, als Fürbitterinnen vor Allah anbeteten.

Die Quraisch waren hocherfreut und warfen sich zusammen mit Mohammed und Muslimen vor Allah nieder, nachdem Mohammed die Rezitation der neuen Offenbarung beendet hatte.

Ibn Ishaq berichtete:

“Dann gingen die Leute auseinander, und die Quraisch, erfreut über das, was über ihre Gottheiten gesagt worden war, kamen heraus und sagten, “Mohammed hat in großartiger Weise über unsere Götter gesprochen. Er erklärte in seinem Vortrag, dass sie die erhabenen Gharaniq sind, deren Fürbitte genehm ist.”

Die Gharaniq waren hoch fliegende Kraniche. Mohammed meinte, sie seien Allahs Thron nahe, und dass es gerechtfertigt war, wenn Muslime al-Lat, al-Uzza und Manat als Fürbitterinnen bei Allah anbeteten.

Die Nachricht machte unter den Muslimen schnell die Runde:

“Die Quraisch haben den Islam angenommen.”

Da der Frieden unmittelbar bevorzustehen schien, begannen einige jener Muslime, die zuvor um ihrer Sicherheit willen nach Abessinien geflohen waren, zurückzukehren.

Ein Hauptbeteiligter am Drama jedoch war ganz und gar nicht erfreut: der Engel Gabriel, jener, dessen Erscheinen vor Mohammed den Islam ins Leben gerufen hatte. Er kam zu Mohammed und sagte:

“Was hast du getan Mohammed? Du hast diesen Leuten etwas vorgetragen, was ich dir nicht von Gott gebracht habe, und du hast etwas gesagt, was er dir nicht gesagt hat.”

Allmählich erkannte Mohammed, in welch großem Maße er seiner monotheistischen Botschaft untreu geworden war:

“Ich habe Dinge gegen Gott erfunden und ihm Worte untergeschoben, die er nicht gesprochen hat.”
Er “grämte sich schwer und war in großer Furcht” vor Allah, weil er zugelassen hatte, dass Satan dessen Botschaft verfälschte.

Aber Allah beruhigte ihn:

“Und nicht entsandten Wir vor dir einen Gesandten oder Propheten, dem nicht, wenn er vorlas, der Satan in seine Lesung (Falsches) warf; aber Allah vernichtet des Satans Einstreuungen. Alsdann wird Allah Seine Zeichen bestätigen; und Allah ist wissend und weise” (Koran 22:52).

Nach Ibn Ishaq...

“linderte Allah auf diese Weise den Kummer des Propheten und befreite ihn von seinen Ängsten”.

Auch sandte er in Sure 53, Vers 19-23, eine weitere Offenbarung hernieder, um Satans Worte über al-Lat, al-Uzza und Manat zu ersetzen.

Wie zu erwarten war, ließ Mohammeds Kehrtwendung die Spannungen mit den Quraisch nur umso stärker aufflammen.

Ibn Ishaq erinnert daran, daß die Polytheisten begannen, diesen Vorfall gegen ihn auszuspielen:

“Als von Gott die Aufhebung dessen kam, was Satan dem Propheten in den Mund gelegt hatte, sagten die Quraisch: “Mohammed hat bereut, was er über die Stellung unserer Götter gegenüber Allah gesagt hat, es geändert und etwas anderes gebracht.” Jetzt waren jene beiden Worte, welche Satan dem Gesandten in den Mund gelegt hatte, im Munde eines jeden Polytheisten, und ihre Feindseligkeit gegenüber den Muslimen und den Gefolgsleuten des Gesandten wurde noch heftiger.”

In den Augen der Polytheisten hatte Mohammed mit dieser Kehrtwendung bestätigt, dass sie immer wieder die Worte Satans bei der Anbetung von al-Lat, al-Uzza und Manat wiederholten.

Wir brauchen nicht zu erwähnen, was geschehen würde, wenn ein Nicht-Muslim heute nach Mekka reisen und dort erzählen würde, der Koran sei das Wort Satans. Die Quraisch waren jedoch ein tolerantes Volk, also kam Mohammed mit seinem Leben davon.

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Sturmtaucher2  02.08.2020, 22:17
@Sturmtaucher2

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Der Zwischenfall mit den Satanischen Versen hat die Muslime verständlicherweise in große Verlegenheit gebracht. In der Tat wirft er einen Schatten auf die Glaubwürdigkeit von Mohammeds gesamtem Anspruch, ein Prophet zu sein. Denn wenn Satan Mohammed einmal Worte in den Mund legen und ihn glauben machen konnte, sie seien Offenbarungen von Allah, wer kann dann sagen, dass Satan Mohammed nicht auch bei anderer Gelegenheit zu seinem Sprachrohr gemacht hat?

Folglich haben islamische Gelehrte, Apologeten und Historiker die Satanischen Verse mit besonderer Heftigkeit angegriffen.

Muhammad Hussain Haykal vertrat in seinem ‘Life of Muhammad’ die Ansicht, dass der Zwischenfall überhaupt nicht stattgefunden habe und auch gar nicht hätte stattfinden können, da Mohammed schließlich ein Prophet sei:

"Diese Geschichte erregte die Aufmerksamkeit der westlichen Orientalisten, die sie als wahr ansahen und ad nauseam wiederholten … Es ist eine Geschichte, deren Ungereimtheit bei der einfachsten Überprüfung offenbar wird. Sie widerspricht der Unfehlbarkeit eines jeden Propheten bei der Übermittlung der Botschaft seines Herrn." Er wundert sich darüber, dass sogar einige islamische Gelehrte sie für wahr halten.

Aber ihre Verwurzelung in den überlieferten Quellen ist gesichert. Die von Ibn Ishaq erzählte Geschichte der Satanischen Verse wird durch eine zuverlässige Überlieferung von Buchari, Band 6, Buch 60, Nummer 385, bestätigt:

Ibn Abbas berichtete: „Der Prophet kniete nach dem Rezitieren von Surat-an-Najm [Sure 53, der Stern], und alle Muslime und Heiden und Dschinns und Menschen knieten zusammen mit ihm nieder."

Wenn schon Ibn Ishaq nicht als eine hundertprozentig zuverlässige Quelle angesehen werden kann, dann sind es nach den meisten islamischen Gelehrten zumindest alle Überlieferungen von Buchari.

Es ist schwer nachvollziehbar, wie und warum eine solche Geschichte erfunden und von solch frommen Muslimen wie Ibn Ishaq, Ibn Sa’d und Tabari sowie dem späteren Koranexegeten Zamakhshari (1074-1143), der sie kaum wiedererzählt hätte, wenn er den Quellen misstraut hätte, als authentisch angenommen worden sein sollte.

Jene, welche die Satanischen Verse wegwünschen möchten, kommen nicht um die Tatsache herum, dass diese Details aus Mohammeds Leben nicht die Erfindungen seiner Feinde waren, sondern von Männern weitergegeben wurden, die glaubten, dass er tatsächlich Allahs Prophet sei.  

Obwohl die Geschichte von Rushdie erfunden ist, hat sie ganz offensichtlich eine empfindliche Stelle bei den Muslimen getroffen, indem zu verstehen gegeben wird, dass es Satanische Verse gibt, etwas, was sie nicht wissen wollten.

Quelle: http://belgien.exmuslim.org/de-satanischen-verse.html

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mulan  02.08.2020, 23:11
@Sturmtaucher2

Da Du die Quellen nicht selbst studiert hast und Deine Darlegung nicht von Dir ist, solltest Du wissen, dass die genannten Quellen bzw. Historiker diese Überlieferungen zwar anführen, aber nicht nur Tabari haben dies getan, um zu zeigen, dass sie zweifelhaft sind, zumal die Überlieferungen dazu allesamt als schwach bzw. zweifelhaft klassifiziert werden (aber in ihren Werken dennoch angeführt, was diesen Gelehrten zuweilen auch harsche Kritik in der Gelehrtenschaft einbrachte, weil sie damit nach anderer Meinung zu leichtfertig umgingen, was dazu führte, dass u.a. Tabari auch umstritten war.). Sonst würde es keinen Sinn machen, wenn Tabari etwa Varianten anführt, was nicht gerade für einen angeblichen authentischen Vers spricht. Die drei Versionen, die ich bei ihm gefunden habe, sind (Transkriptionen und Übersetzungen, welche bei anderen natürlich abweichen können, sind von mir):

تلك الغرانيق العلا وإن شافعتهن لترتجى

Tilka l-ġarānīqu l-ʿulā, wa-inna šafāʿatahunna la-turtaǧā („Das sind die erhabenen Kraniche [oder Schwäne], und auf ihre Fürbitte darf man hoffen.“)

تلك الغرانيق العلا وإن شفاعتهن لترجى

Tilka l-ġarānīqu l-ʿulā, wa-inna šafāʿatahunna la-tarǧā („Das sind die erhabenen Kraniche [oder Schwäne], und ihre Fürbitte erfüllt Hoffnung.“)

أنها الغرانيق العلا وأن شفاعتهن ترتضى

Annahā l-ġarānīqu l-ʿulā wa-anna šafāʿatahunna turtaḍā („Das sind [oder: Es sind] die erhabenen Kraniche [oder Schwäne], und ihre Fürbitte befriedigt.“)

Weiter oben gibt's noch andere Varianten.

Bei allen Tabari'schen Varianten ist zudem auch die Schreibweise von "al-ʿulā" defektiv, da es grammatisch eigentlich korrekterweise العلى heißen müsste statt العلا . (Ist schon eigenartig, dass unterschiedliche Varianten denselben Defekt haben) ... Das mal nur nebenbei, da ich aus dem bisher von Dir gesagtem vermute, dass Du mit arabischer Grammatik bzw. Sprache nicht so vertraut bist, was aber nun einmal nicht ohne Bedeutung ist für eine ernsthafte Textstudie. Ich maße mir aber nicht an, darin ein Meister zu sein, aber ich kann mit arabischen Texten etwas anfangen, zumal dies den nicht zu verkennenden Vorteil bringt, gelegentlich bei Zweifeln aufs Original zurückgreifen zu können.

Zu Ibn Ishaq habe ich die früher von Dir angeführte Stelle, in der auch der Begriff gharaniq steht, im arabischen Text bisher nicht gefunden, d.h. nicht nach Online-Suche darin. Ich hoffe, du kannst mir noch die genaue Quelle für das deutsche Zitat liefern, d.h. nicht nur den Buchtitel sondern auch bei Übersetzungen den Autor derselben und den Verlag und evtl. die Seite. Bei der deutschen Übersetzung von Weil oder der (verkürzten) von Roter bin ich erfolglos auf Suche gegangen. Vielleicht hast Du eine andere Übersetzung im Blick?

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mulan  03.08.2020, 00:53
@mulan

Nachtrag: Was Buchari angeht, so gehöre ich einer Rechtsschule an, die auch ihn und Sahih Muslim nicht als absolut und durchgängig sahih ansehen. Es gibt keine einzige absolut zuverlässige Sahih-Sammlung. Auch Sahih al-Buchari enthält Hadithe, die fraglich sind. (Das ist aber ein anderes Thema). ... Jeder Hadith ist einzeln zu betrachten.

Und seine Überlieferungen zu dieser Sache, besagen eigentlich doch nur, dass der Prophet nach der Rezitation der Sura sich niederwarf und darin ihm dann alle Anwesenden folgten, selbst die Muschrikin (Götzenanbeter) und auch die Jinn (denn auch unter diesen gibt es Muslime). Einer von ihnen begnügte sich damit, an seine Stirn Erde oder Stein zu halten. Nach Buchari wurde er später im Status eines Kafir (denn er hat ja als Muschrik nun von der Offenbarung erfahren und diese dann offenbar abgelehnt, nachdem er heuchlerisch und zudem faul mitgemacht hatte) getötet, vermutlich in einem Kampf. ... Wenn man genau hinschaut, fußt die Geschichte drumherum eher auf Mutmaßungen. Und wenn man sich vorstellt, dass der inzwischen schon einflussreiche Prophet bei bestimmten Leuten auf Einladung zu Besuch war, die was von ihm wollten, ihn zu korrumpieren trachteten (was hatte man alles ihm in Aussicht gestellt, worauf er aber zu ihrem Leidwesen nicht eingegangen ist), kann ich mir lebhaft vorstellen, dass sie, als der Prophet sich niederwarf, es ihm gleich taten, um ihm zu Gefallen zu sein. Vielleicht hofften sie, mit ihrer Geste etwas zu erreichen. Wie schon gesagt, einer von ihnen war nicht so sehr bemüht, derart zu heucheln, zu schauspielern, dass er sich mit dem Halten von Erde oder Stein an die Stirn begnügte. ... Für mich sieht das jedenfalls wie eine gut vorstellbare Show aus, mit der die Götzenanbeter sich anbiedern wollten. ... Stell dir einfach mal die Situation vor: Man sitzt im Raum in der Runde und der Prophet rezitiert die Sura (Wurde sie offenbart oder bestand sie bereits? Denn es steht dort ja "rezitierte" [qara'a قرأ ]). In der Rezitation, bei der alle zuhörten, mit welchen Gefühlen auch immer, aber schwiegen, wo nur seine Stimme schon eine gewisse Zeit zu hören war, hält er plötzlich inne und begibt sich aus seiner sitzenden Position in die Sajda (Niederwerfung). Vielleicht waren die Anwesenden Götzenanbeter (die ja was Essentielles wollten) perplex oder überrascht, so dass sie sich veranlasst sahen, es ihm gleichzutun. Vorstellen könnte ich mir diese Situation recht gut. ... Was auch immer geschehen ist, am Ende steht nicht die erlaubte Anbetung von Allat, Manat oder Uzza. Am Ende kommt heraus, dass diese nur nutzlose Statuen sind, nur Namen.

Auch die Gelehrten, welche diese Geschichte kolportierten, weisen letzten Ende darauf hin, dass es nicht gesichtert ist bzw. sein kann. Da es aber in jener Zeit wohl genau wie heute Gerüchte, Fakenews oder sonstige umlaufende Geschichten unter den Leuten gab, haben sich dieser Sache wohl auch die Gelehrten angenommen. Und am Beispiel Tabari, der aber auch umstritten auch wegen seiner Methoden war, sieht man, welcher Art diese Auseinandersetzung war.

Da es Grundprinzip ist, dass eine Überlieferung zu verwerfen ist, jedenfalls nicht als zuverlässig (sahih oder dem nahe kommend), wenn sie auch nur im Ansatz dem Quran widerspricht, gilt das sicher auch für derartige Überlieferungen.

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Sturmtaucher2  03.08.2020, 15:25
@mulan

Ja, das kenne ich bereits von anderen Überlieferern.

Ishaq z.B. hat paarmal nahezu identische Hadithe. Einer davon ist sahih, der/die anderen dann daif.

Und dass Muslime völlig unterschiedliche Ansichten über authentisch und unauthentisch haben (was sich grade bei moderneren Gelehrten auch gerne mal ändert im Vergleich zu klassischen Gelehrten) ist mir ebenfalls bekannt. Ich habe irgendwie im Hinterkopf, dass du Schiit bist, da ist es mit Bukhari und Muslim ja eh nicht weit her. Daher kann ich nur mit der "offiziellen" Einstufung argumentieren.

Selbst bei Hadithen wie dem Hijab-Hadith. Der ist als Sahih eingestuft, obwohl Dawuud selbst darauf hinweist, dass die Überliefererkette unterbrochen ist.

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Auch Tabari erwähnt diese Geschichte. Darin ist von Kranichen (Gharāniq) die Rede, welche man um Hilfe anbeten solle. ... Er führt allerdings mehrere Varianten auf, was das Ganze auch schon mehr zweifelhaft macht. Und der Begriff Kraniche kommt im Quran auch nicht vor. Tabari weist auch auf den Sprachstil hin, der nicht typisch ist für Quran. ... Das Ganze würde ich mal als mittelalterliche Fakenews bezeichnen. Salman Rushdi hatte sich seinerzeit u.a. auf Tabari berufen. Tabari war ein großer Historiker - er hat aber auch ich selten schwache und zweifelhafte Überlieferungen mit aufgenommen, um sie wie hierzu, zu widerlegen.

Ich glaube, auch Rudi Paret hat an der entsprechenden Quranstelle einen ähnlichen Kommentar dazu gegeben.


mulan  02.08.2020, 19:35

Ich habe hier Varianten der "satanischen Verse" gefunden, welche ich mit Umschrift und Übersetzungen ergänzt habe:

http://www.islameyat.com/post_details.php?id=1705&cat=28&scat=29&

تلك الغرانيق العُلى ، وإن شفاعتهن لَتُرتَجَى

Tilka l-ġarānīqu l-ʿulā, wa-inna šafāʿatahunna la-turtaǧā
(„Das sind die erhabenen Kraniche [oder Schwäne], und auf ihre Fürbitte darf man hoffen.“)

تلك الغرانيق العلا، وإن شفاعتهن لترتجى

Tilka l-ġarānīqu l-ʿulā, wa-inna šafāʿatahunna la-turtaǧā
(„Das sind die erhabenen Kraniche [oder Schwäne], und auf ihre Fürbitte darf man hoffen.“)

تلك هى الغرانيق العلى وان شفاعتهم لترتجى

Tilka hiya l-ġarānīqu l-ʿulā wa-inna šafāʿatahum la-turtaǧā
(„Das sind die erhabenen Kraniche [oder Schwäne] und auf ihre Fürbitte darf man hoffen.“)

تلك الغرانيق العلى , وشفاعتهن ترجى , مثلهن لا ينسى

Tilka l-ġarānīqu l-ʿulā, wa šafāʿatahunna turtaǧā, miṯluhunna lā yansā
(„Das sind die erhabenen Kraniche [oder Schwäne], und ihre Fürbitte erhoffe, solcherlei sind unvergesslich.“)

إن تلك الغرانيق العلى , منها الشفاعة ترتجى

Inna tilka l-ġarānīqu l-ʿulā, minhā š-šafāʿat turtaǧā
(„Siehe, das sind die erhabenen Kraniche [oder Schwäne], ihre Fürbitte erhoffe.“)

تلك الغرانيق العلى , منها الشفاعة ترتجى

Tilka l-ġarānīqu l-ʿulā, minhā š-šafāʿat turtaǧā
(„Das sind die erhabenen Kraniche [oder Schwäne], ihre Fürbitte erhoffe.“)

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Das ist Blödsinn. Die Geschichte der "satanischen Verse", von der du hier redest, wird von den allermeisten islamischen Gelehrten (Ibn Chuzayma, Qadi Ibn Arabi, Qadi Iyad, Ar-Razi, Ibn Kathir etc.) als unauthentisch angesehen. Selbst wenn man diese irrsinnige Geschichte als wahr ansehen würde: die Verse, die dazu aufgerufen haben sollen, diese "Göttinnen" anzurufen, waren nie Teil des Korans, sondern der Satan soll versucht haben, sie in den Koran einzubringen und scheiterte damit. Allahu alam


BerwinEnzemann 
Fragesteller
 27.07.2020, 16:00

Das ist mir durchaus bekannt. Was mich interessiert ist, ob es denn überhaupt irgend einen Hinweis gibt, dass es diese Verse tatsächlich gab, oder ob das wirklich nur eine Legende ohne jede belastbare historische Quelle ist.

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HugoDeutsch  27.07.2020, 16:01
@BerwinEnzemann

Es gibt Überlieferungen nach denen sich das zugetragen haben soll. Sie haben nur keine authentische Überlieferungskette.

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BerwinEnzemann 
Fragesteller
 27.07.2020, 16:04
@HugoDeutsch

Die Geschichte mit den Einflüsterungen des Satans halte ich selbstverständlich nicht für authentisch. Denkbarer wären eher politische Hintergründe.

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Komisch, wenn ich das lese, steht da nichts davon, dass die Muslime diese anbeten sollen. Da steht nur, dass die Vorfahren das taten, obwohl diese nichts sind als Namen (und von Menschen gefertigte Statuen, die nichts bewirken) sind, und dass es eben nicht ratsam und sinnvoll ist, diese anzubeten. Lies diese Verse am besten nochmal, diesmal aber sorgfältiger.

Und wenn sie getilgt worden sein sollen, wieso zitierst du sie dann von dort, von wo sie getilgt worden sein sollen? Hast du da was falsch verstanden?


BerwinEnzemann 
Fragesteller
 27.07.2020, 15:58

Mir fällt auf, ich habe die Frage falsch formuliert. Also nicht die Verse 19 bis 25 wurden getilgt, sondern da sollen ursprünglich noch andere Verse in dieser Sure gewesen sein. Aber ich weiß eben nicht, ob das historisch gesichert ist. Hier ist der Wikipedia-Artikel dazu, wenn das für das Verständnis hilft:

https://de.wikipedia.org/wiki/Satanische_Verse

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