Ist das Mittelalter die Geschichts-Epoche, die von allen Epochen am Meisten verklärt wird, auf Mittelalter-Märkten und in kitschigen Büchern?

9 Antworten

Naja, vom Mittelalter gibt es am meisten Verklärungspotential... Ich war mal auf einem Mittelaltermarkt, der hat angeboten, dass man sich mal in einen Schandbalken/Pranger stecken lassen könne, natürlich nur zum Spass.

Es gab genug, die das mal ausprobieren wollten, tut ja nicht weh...

Und dann, wenn man feststeckte, hat der Typ mal erzählt, worum es bei der Sache wirklich ging: Der Pranger hatte gar nichts mit Bestrafung zu tun. Es ging darum, der Masse einen Sündenbock hinzustellen, an dem sie ihr Mütchen kühlen konnte.

Die Leute wurden also mit Dreck beworfen, verprügelt und nicht selten auch geschändet.

Ich glaube, gerade, weil das Mittelalter so grausam war, versuchen wir, damit klarzukommen, indem wir es romantisieren. Irgendwo steckt auch eine Faszination darin, dass Menschen damals Dinge für normal hielten, die für uns heute brutal, pervers, absurd und teilweise wirklich verstörend sind.

Hexenverbrennungen sind direkt romantisch, wenn man glaubt, es handle sich um die Verfolgung unliebsamer Frauen durch die allmächtige, männergeprägte Kirche.

Das ist aber völliger Quatsch. Die Hexenprozesse wurden von der weltlichen Macht geführt. Schadzauber galt als Tatsache, die gerichtlich verfolgt werden konnte.

Solcher Schadzauber wurde auch nicht nur von Frauen vermutet: Männer, Kinder, ja sogar Nutztiere wurden der Hexerei angeklagt und in der Regel zum Tode verurteilt (oft unter Anwendung eines sogenannten Gottesbeweis - dieser führte im Endeffekt meist zum Tode, egal, ob der Betreffende dabei für schuldig befunden wurde oder nicht).

AmEnde besteht die Faszination wohl auch darin, dass das zum Glück alles vorbei ist - aber auch das Gruseln darüber, dass das alles nicht allzu lange her ist und unsere Vorfahren betraf...

Woher ich das weiß:Hobby
ArnoldBentheim  25.04.2024, 20:27
... hat der Typ mal erzählt, worum es bei der Sache wirklich ging: Der Pranger hatte gar nichts mit Bestrafung zu tun. Es ging darum, der Masse einen Sündenbock hinzustellen, an dem sie ihr Mütchen kühlen konnte.

Glaube nicht alles, was dir ein solcher "Typ" erzählt. Natürlich war der Pranger auch eine Bestrafung, eine sog. Ehren- oder Schandstrafe, die den Delinquenten der Lächerlichkeit der Öffentlichkeit preisgab.

Hexenverbrennungen sind direkt romantisch, wenn man glaubt, es handle sich um die Verfolgung unliebsamer Frauen durch die allmächtige, männergeprägte Kirche.

Hexenverbrennungen fanden insbesondere in der Frühen Neuzeit statt!

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Parralelwelt 
Fragesteller
 25.04.2024, 20:35
@ArnoldBentheim

Genau Letzteres ist richtig! Aber 95% der Menschen auf der Straße würden antworten dass im Mittelalter die meisten "Hexen"-Verbrennungen stattfanden

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LastDayofEden  25.04.2024, 21:53
@ArnoldBentheim

Stimmt auch wieder die Hexenverfolgungen fingen im Mittelalter statt, nahmen aber in der Neuzeit massiv zu.

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ArnoldBentheim  26.04.2024, 09:10
@Parralelwelt

Das Mittelalter war nicht so dunkel, schlecht und düster, wie die Mehrheit der Menschen glauben. Es hat ja nicht nur wichtige Errungenschaften und Überlieferungen der Antike bewahrt, sondern diese auch weiterentwickelt, neu gedacht. Ohne Mittelalter keine Frühe Neuzeit, ohne Mittelalter kein Humanismus, keine Aufklärung, keine Demokratie ...

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Eisenkrieger  27.04.2024, 08:04
Viel Blödsinn....

... wurde dir erzählt!

  • Im Mittelalter gab es überhaupt keine Pranger, wie du sie beschreibst. Die es gab sahen völlig anders aus, eher eine Säule mit Ketten. Man war also nicht fixiert, sondern gefesselt. Besonders oft wurde er auch nicht genutzt. Aber in einer Zeit, in der es keine Gefängnisse gab brauchte es eben eine Bestrafung zwischen Geldbuße und Körperstrafen.Wenn auch viel seltener als heute: auch damals gab es Kriminalität.
  • Niemand wurde daran geschändet. Es war zwar einerseits eine Ehrstrafe, diente zur Abschreckung, war aber auch andererseits eine Art Bekanntmachung in einer Zeit ohne Fotografie: Dieser Mann betrügt seine Kunden. Der Pranger war kein Folterunstrument!
  • 100 Millionen Tote durch den Kommunismus, 120 Millionen Tote in Kriegen seit 1914, 6 Millionen im Holocaust, Völkermord, ethnische Säuberungen, Gulags und KZ aber das Mittelalter war so brutal, ne? Nein, das Mittelalter war keine besonders gewalttätige Zeit, weniger als andere Epochen.
  • Die Kirche hat sich das ganze Mittelalter, fast 1000 Jahre, gegen den Hexenglauben engagiert und ihn als Aberglaube bezeichnet.
  • Es gab im Mittelalter keine Hexenverfolgung! Dies änderte dich (regional begrenzt) nur in den letzten 50 Jahren des MA (50 von 1000) und längst nicht überall. Hexenverfolgung und Verbrennungen sind ein Phänomen der Neuzeit!
  • Als das MA vorbei war, wurde es für die Menschen nicht besser, sondern schlechter.
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LastDayofEden  27.04.2024, 08:31
@Eisenkrieger

Viel Falschinformation und Punkte neben dem Thema:

- Pranger waren ab dem 13. Jh. üblich; die von mir berichtete Form hiess "Block": https://de.m.wikipedia.org/wiki/Pranger

- Der Holocaus wird nicht romantisiert, somit ist deine Bemerkung komplett am Thema vorbei und sehr geschmacklos

- Der Kampf der Kirche gegen die Hexenverfolgung tut hier nichts zur Sache, deshalb habe ich ihn auch nicht erwähnt

- Die Hexenverfolgung fing im Mittelalter an und erreicht in der Neuzeit ihren Höhepunkt; besonders in der Schweiz sind Fälle schon im 14. Jh. bekannt geworden

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LastDayofEden  27.04.2024, 08:45
@Eisenkrieger

Und zu deiner Anmerkung, niemand sei am Pranger geschändet worden: Der Pranger galt als Ehrstrafe. Er wurde also zur Schau gestellt und dem Spott der Bevölkerung ausgesetzt. Er galt als entehrt.

Wenn du schaust, was heute mit Leuten passiert, die in der Öffentlichkeit als ehrlos gebrandmarkt werden, welche Hetzjagden entstehen, Cybermobbing, Morddrohungen und öffentliche Angriffe aller Art bis zu einem Punkt, dass Leute Personenschutz brauchen...

... glaubst du ernsthaft, dass das im Mittelalter besser war? Die Leute waren nicht besser, sondern genau so schlimm, und nutzten es aus, sich an jemandem, der öffentlich als ehrlos ausgestellt wurden, abzureagieren, in welcher Art auch immer.

Zu denken, die Leute seien nett zu den Angeprangerten gewesen, wirkt doch reichlich realitätsfremd.

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Eisenkrieger  27.04.2024, 08:56
@LastDayofEden Ich liebe es...

.... wenn sie von Falschinformationen reden 🤣

Es ist wirklich geil! Du unterstellt mir Falschbehauptungen, haust einen Wikilink rein und das erste Quellenbild dort zeigt genau das, was ich beschrieben hatte: einen Pranger in Form einer Säule mit Ketten!

Gold, LastdayofEden, pures Gold! 👍🏻

Aber trotzdem gut, dass du zumindest etwas gelesen hast.

Aber es wird noch skurriler:

Der Holocaus wird nicht romantisiert, somit ist deine Bemerkung komplett am Thema vorbei und sehr geschmacklos

Das, mein zu schnell lesender Freund, hatte ich auch nicht behauptet. Ich hatte die unfassbare Brutalität unserer Epoche im Verhältnis zu deiner Behauptung gestellt, das Mittelalter sei so brutal gewesen. Damit habe ich dich vergeblich eingeladen deine Behauptung nochmal zu überdenken ob nicht die unsrige vielleicht ein kleines bisschen brutaler gewesen sein könnte. Ja? Fein!

Der Kampf der Kirche gegen die Hexenverfolgung tut hier nichts zur Sache,

Tut hier nichts zur Sache? Aha. Aber du hast doch lautstark von der mächtigen und "männergeprägten" Kirche gefaselt. Du musst dich schon entscheiden. Ist die Kirche jetzt Thema zur Sache oder nicht?

deshalb habe ich ihn auch nicht erwähnt

Du hast es nicht erwähnt, weil du es schlichtweg nicht gewusst hast. Ganz einfach.

Die Hexenverfolgung fing im Mittelalter an und erreicht

Genau das hatte ich auch erklärt, hättest du nur gelesen. Die Hexenverfolgung, von der du ja die ganze Zeit plapperst, begann allmählich in einigen Regionen in den letzten 50 Jahren des Mittelalters mit dem Buch Hexenhammer, Malleus maleficarum, welches erst 1486 veröffentlicht wurde.

besonders in der Schweiz sind Fälle schon im 14. Jh. bekannt geworden

Nein. Nicht "besonders in der Schweiz" sind Fälle bekannt geworden ( was ja bedeutet, dass es woanders welche gab und dort besonders viele), sondern dort gab es, in Luzern eine Erwähnung von Hexerei als erstmalige Verwendung des Begriffs und entsprechende Sanktion.

Das ist ja aber gerade kein Beginn von irgendwas, weil es es bei sehr, sehr wenigen Einzelfäklen blieb, die im Übrigen auch kritisch gesehen wurden und eben keine Nachahmer fanden.

Danke für deine Mitarbeit!

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LastDayofEden  27.04.2024, 09:05
@Eisenkrieger

"Gold, LastdayofEden, pures Gold! 👍🏻".

Da du dir nicht einmal die Mühe gemacht hast, so weit runterzuscrollen, bis der von mir erwähnte "Block" kam (mit Abbildung und Beschreibung), habe ich auch darauf verzichtet, den Rest deines Beitrages zu reden, da ich annehme, dass es auf dem gleichen Niveau von Ignoranz und Überheblichkeit so weitergeht.

Dass du das diskutierte Thema und die Frage dazu, gar nicht verstanden hast, hast du ja schon bewiesen.

Somit ist die Diskussion hier von meiner Seite beendet.

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Eisenkrieger  27.04.2024, 09:19
@LastDayofEden Nein

Da hattest du ja noch etwas nachgeschoben. Dann man ran an die Buletten!

Schon wieder tust du so, als hätte ich etwas falsches geschrieben um es dann zu bestätigen.

Und zu deiner Anmerkung, niemand sei am Pranger geschändet worden: Der Pranger galt als Ehrstrafe. Er wurde also zur Schau gestellt und dem Spott der Bevölkerung ausgesetzt. Er galt als entehrt.

Ja. Ehrstrafe, das hatte ich ausdrücklich geschrieben! Liest du überhaupt Antworten oder was ist da los?

Eine Ehrstrafe bedeutet nicht, dass man vergewaltigt wird und auch nicht, dass man für immer entehrt bleibt. Nochmal: es ist eine gefängnislose Zeit und der Pranger war eben ein juristisches Instrument von vielen und eben unterhalb von Körperstrafen.

Schlag dir mal die Filmbilder von Gemüse werfenden Schaulustigen an und die komische Fantasie, man hätte die Person vergewaltigt. Das ist keine Realität sondern ein völlig überzeichnetes und modernes Bild!

Die Leute waren nicht besser, sondern genau so schlimm, und nutzten es aus, sich an jemandem, der öffentlich als ehrlos ausgestellt wurden, abzureagieren, in welcher Art auch immer.

Oder sie waren genauso gut. Aber egal, das Bild, was du dir vom Pranger malst ist geprägt durch die Popkultur, durch Filme, TV-Dokus und Trotteln, die auf Mittelaltermärkten Blödsinn erzählen, weil die selbst keine Ahnung haben.

Es gibt keine historischen Belege für diese alberne Fantasie!

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Ich sehe es nicht so. Für mich ist es eher die Zeit der Römer.

Wobei egal ob Mittealter oder Römer, wer sich mit der Geschichte näher befasst, der sieht die dunklen Seiten der jeweiligen Epoche.

Der sieht im Mittelalter Höllenangst, Kälte in den Häusern und Herzen, Hungersnöte, drakonische Strafen....

Eisenkrieger  27.04.2024, 08:10

Die Höllenangst vermag ich ja nachzuvollziehen. Aber wie du auf "Kälte im Herzen" kommst oder nur auf Kälte in den Häusern ist mir ein Rätsel. Auch sind Hungersnöte im Mittelalter seltener und lokaler begrenzt, weit weniger verheerend als noch im 19. und 20. Jahrhundert!

Diakonische Strafen, hm ja aus unserer jetzigen Europasicht. Gehe mal nach Afrika, Asien.... oder nur 150 Jahre zurück.

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Bodesurry  27.04.2024, 08:37
@Eisenkrieger

Hand abhacken, rädern, ersäufen, hängen, auf alle möglichen Arten foltern...

Klar war es so wohl in den Häusern als auch in den Burgen extrem kalt. Manchmal ein Raum, der ein bisschen geheizt werden konnte.

Aber stellen Sie sich vor, wie es war, im Mittelalter im Winter zu leben. Häuser aus Stein oder Holz ohne Isolierung, nur wenige Stoffe, aus denen man warme Kleidung herstellen konnte, und tagelange, harte Arbeit im Freien. Das klingt nicht nur äußerst unangenehm, sondern ist auch wirklich gefährlich!
https://de.starsinsider.com/lifestyle/527626/wie-ueberlebten-menschen-den-winter-im-mittelalter
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ich glaub nicht dass das am mittelalter selbst liegt, denn an der tatsächlichen geschichte haben die wenigsten interesse.

eher liegts am fantasy-genre denk ich. und das bedient sich eben stark im mittelalter.
spiegelt sich dann auch wieder in den märkten, wo allerhand pseudo-historisches zeug zelebriert wird. :D

aber ja, vermutlich wird die epoche mit am meisten verklärt.
(und natürlich sämtliche jahrzehnte des letzten jahrhunderts, von unserem boomern die uns ständig erzählen wie toll doch "früher" alles war.)

Der Effekt des "früher war alles besser" wird in Zusammenhang mit jeder Epoche benutzt. Schau doch hier: da lassen sich Jugendliche darüber aus, wie das Leben wohl vor Urzeiten, also um 2000, gewesen sein mag... und dass 2010 sowieso alles noch viel besser war.

Ich denke auch, dass sich viele ein romantisch verklärtes Bild vom christlichen Zeitalter machen, das wohl stark vom Hollywood Kitsch geprägt ist. Die Realität sah wohl etwas anders aus.