Gründe für ein humanistisches Gymnasium? Vorteile des Erlernens von Latein und Altgriechisch?

6 Antworten

Willy hat nicht nur ausführlich den Nutzen des humanistischen Gymnasiums dargelegt, sondern ist sogar durch seine Persönlichkeit ein Beleg für den Nutzen der Beschäftigung mit der Geisteswelt der Antike: Er kann hier den Mathematikschülern genauso helfen, wie den Latein- und Griechischschülern.

So, wie ein Schüler anhand der Mathematik und der Naturwissenschaften logisches und präzises Denken erlernen kann, so kann er das auch stattdessen anhand von Latein und Griechisch. Wer ein schriftliches Abitur in den Fächern Latein und Griechisch geschrieben hat, kann zwar nicht alles andere, er kann aber alles andere lernen.

Aber es gibt dabei auch spezielle Dinge, bei denen Du durch Latein und Griechisch einen spezifischen Vorteil hast - sofern ein Interesse vorhanden ist: Nach ein paar Jahren Lateinunterricht kannst Du innerhalb von 20 Minuten Italienisch lernen - schriftlich und mündlich! (Das ist aber nur der Anfang vom Italienischen :-)
Gleiches gilt für Spanisch, das allerdings etwas schwerer ist.

Du kannst auch leicht Neugriechisch lernen, wenn Du dich nicht von Griechen einschüchtern lässt (Die behaupten nämlich irrigerweise, das ginge nicht) Die neugriechische Aussprache ist überhaupt kein Problem. Ich könnte dir die Apologie des Sokrates komplett in zeitgenössischer Aussprache vorlesen (Ein Grieche würde es allerdings so wenig verstehen, wie wir einen Althochdeutschen Text.)

Doch das ist recht nebensächlich. Entscheidend ist das Erlernen des logischen Denkens, und das, was Willy ausführt. Wobei ich dir sogar sagen kann, worin sich die damaligen Menschen von uns heutigen unterschieden: Sie hatten keinen Rhesusfaktor. Das ist alles.

Ich war auch auf einem human. Gymnasium und musste mich mit Latein abquälen. Hat es mir jemals irgend etwas genützt? Leider nein! Es ist wirklich das Überflüssigste was es gibt, und alle Argumente dafür, die so von Latein-Befürwortern vorgebracht werden, sind nur Scheinargumente.

Viele "Philologen" verteidigen das fast schon mit ihrem Blut (findet man immer wieder). Ich persönlich finde, diese alten Sprachen gehören eher an eine Universität, als in die Mittelstufe einer Schule.

Latein sollten und Altgriechisch sollten aber ggf. in der Oberstufe auf entsprechend spezialisierten Gymnasien für interessierte Schüler als neubeginnende 2. Fremdsprach wählbar sein.

Die Zeiten des Mittelalters mit Lateingelehrten sind nun mal vorbei. Irgendwie hängt manchen Gymis noch so ein alter Standesdünkel an (z.B. dem Internat in Kloster Maulbronn). Fehlen oft nur noch zwei Weihrauchfässchen zur offiziellen Selbstvernebelung. LOL !

Hallo,

wer das Leben eines Menschen nur noch auf Geldverdienen und Arterhaltung reduziert, wird niemals verstehen, wozu man 'tote' Sprachen lernen muß, deren Kenntnisse sich nicht ohne Weiteres in klingende Münze und Karriere umsetzen lassen. Es gibt aber eben noch mehr, was das Menschsein ausmacht. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit der Geschichte, dem Sinn des Lebens, der über das rein Materielle hinausgeht, das Interesse an Kunst und Kultur, an Religion und Philosophie, am Guten und Schönen.

Die Auseinandersetzung mit diesen alten Sprachen, die die Geschichte Europas und seiner Nachbarstaaten entscheidend geprägt haben (jedenfalls die Menschen, die in diesen Sprachen redeten, dachten und schrieben), ist auch eine Auseinandersetzung mit Menschen, die manches anders gesehen und gedacht haben als wir, die uns aber in vieler Hinsicht ähnlich waren. Auch sie trieben Sorgen um ihre Existenz um, hatten Streit mit ihren Ehepartnern, versöhnten sich wieder, verstanden die Jugend nicht, die alles so anders machte, litten unter ungerechten Verhältnissen und kämpften dagegen oder arrangierten sich, hatten Verdauungsprobleme, wurden von schlimmen Krankheiten heimgesucht und suchten Hilfe bei Ärzten und Göttern; sie weinten und lachten, gerieten in Zorn und beruhigten sich wieder.

Manche von ihnen konnten all dies in wunderschöne Worte fassen, die wir nur würdigen können, wenn wir ihre Sprache lernen. Wir können so in ihre Welt eintauchen, über unseren eigenen Horizont hinausblicken, Respekt lernen vor dem, was diese Menschen geschaffen haben (schließlich haben sie nicht nur Kriege geführt) und - ein frommer Wunsch - aus ihren Fehlern lernen (klappt leider selten).

Ganz nebenbei lernst Du durch das Übersetzen aus diesen alten und so formenreichen Sprachen in unsere, Dich auch im Deutschen gepflegt auszudrücken und Deinen Wortschatz zu erweitern.

Auch Jugendlichen schadet es nicht, durch das Übersetzen von Liebesgedichten auf einmal in der Lage zu sein, ihre Gefühle reicher ausdrücken zu können als mit Boah, geil! und ähnlichen Interjektionen, die allerdings den Vorteil haben, auch bei über 2 Promille noch unfallfrei über die Lippen zu kommen.

Mich haben die neun Jahre auf einem humanistischen Gymnasium auf jeden Fall davor bewahrt, nun, da ich pensioniert bin, den ganzen Tag in die Glotze zu starren und mich zu Tode zu langweilen. Ich habe hier Zugang zu einer reichen (nicht im finanziellen Sinne) Welt gefunden, die meinen Geist auf anspruchsvolle und nie langweilig werdende Art beschäftigt.

Es gibt übrigens noch viele unübersetzte Quellen - vor allem auf Altgriechisch - und die Menschen, die sie noch übersetzen können, werden weniger.

Etwas zu können, was viele andere nicht mehr können, hat durchaus einen Wert, meinst Du nicht?

Alles Gute,

Willy

Es gibt hier auf Gute Frage eine Unmenge an Fragen und Antworten, die sich mit den Vor-und Nachteilen von Latein und Altgriechisch beschäftigen. Aber eine kleine Anmerkung habe ich nun doch: Man braucht für jede Sprache eine gewisse Begabung, allein schon, wenn es darum geht, von zwanzig Bedeutungen die richtige auszuwählen oder hintergründige Gedanken zu verstehen und angemessen wiederzugeben.