Artkonzepte und artbildung?

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In Aufgabe 2 geht es v. a. darum, die verschiedenen Artkonzepte auf den Menschen zu übertragen. Der Mensch ist also eine Art (nämlich Homo sapiens), weil ...

... er nach dem biologischen Artkonzept eine Fortpflanzungsgemeinschaft bildet. Alle Menschen (egal, woher sie kommen, welche Hautfarbe oder welche Größe sie haben) können sich untereinander uneingeschränkt erfolgreich miteinander forpflanzen - sieht man einmal von dem Männlein-Weiblein-Ding ab. ;-)

... er nach dem typologischen (ich kenne es als morphologisches) Artkonzept eine Gemeinschaft von Individuen bildet, die gleiche morphologische und anatomische Merkmale haben (z. B. Reduktion des Fells, aufrechter Gang, Fähigkeit zu sprechen).

... er nach dem phylogentischen Artkonzept eine in sich geschlossene Abstammungsgemeinschaft bildet, d. h. alle Menschen haben eine gemeinsame Abstammungslinie, also einen gemeinsamen Vorfahren. Gekennzeichnet sind phylogenetische Linien durch sie (und nur sie!) kennzeichnende Merkmale, so genannte abgeleitete Merkmale oder Apomorphien. Diese können sowohl morphologische Merkmale (aufrechter Gang) sein als auch genetische Merkmale (Übereinstimmung in den Gensequenzen: die DNA zweier beliebiger Menschen auf der Erde ist zu 99.9 % identisch).

Die Schwierigkeiten, die dabei auftreten können, sind die selben, die die jeweiligen Konzepte generell haben.
Um zu sehen, ob der Mensch eine biologische Art ist, wären Kreuzungsexperimente notwendig. Der endgültige Beweis könnte dabei nur erbracht werden, wenn wirklich alle 8 Mrd. Menschen miteinander gekreuzt würden und das ist logistisch nicht machbar. Das morphologische Artkonzept versagt oft, wenn es eine große phänotypische Bandbreite gibt, das ist beim Menschen ja der Fall. Genau aus diesem Grund kann der Mensch auch nicht in verschiedene "Rassen" eingeteilt werden, weil es keine klar abgrenzbaren Merkmale (z. B. die Hautfarbe) dafür gibt. Alle Merkmale sind in Wahrheit zwischen den Populationen fließend. Und beim phylogenetischen Artkonzept ist ein großes Problem, dass jede Betrachtung auch ein Stück weit willkürlich und subjektiv erfolgt. Manche legen mehr Wert auf gemeinsame Merkmale (so genannte Lumper), während andere v. a. die Unterschiede betonen (solche Taxonomen werden Splitter genannt). Würde man das phylogentische Artkonzept auf die Spitze treiben und nur mit der notwendigen geringen Auflösung suchen, fänden sich bei jedem einzelnen Menschen in seiner DNA nur ihm eigenee Merkmale (zur Erinnerung: 0.01 % der DNA sind ja verschieden, das klingt nach nicht viel, macht aber immer noch etliche tausend Basenpaare am Gesamtgenom aus), da ja jedes Individuum genetisch einzigartig ist. Konsequent angewendet hieße das nichts anderes als dass nach dem phylogenetischen Artkonzept jedes einzelne Individuum eine eigene Abstammungslinie repräsentiert, die sich von anderen unterscheidet und damit als eigenständige Art gewertet werden müsste.

Bei Aufgabe 3 weiß ich nicht, was mit einem "Basiskonzept" gemeint sein soll. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es sich z. B. auf das Konzept der Artbildung durch Isolation beziehen könnte. Zwei Populationen gelten dann als getrennte Arten, wenn sie in ihrer Fortpflanzung isoliert sind, also eben keine gemeinsame Fortpflanzungsgemeinschaft mehr bilden, sondern nur noch Individuen der Population A sich mit anderen Individuen der Population A fortpflanzen und Individuen von B sich nur mit anderen Individuen von B paaren können.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
Anonymm321 
Fragesteller
 14.02.2021, 19:31

Also erstmal wirklich vielen dank für die ausführliche Beantwortung der Frage. Ich dachte zuerst wir sollen den menschen bei aufgäbe 2 einem der 3 Artkonzepte zuordnen jedoch sollen wir die Artkonzepte nochmal am Beispiel des Menschen erklären, wenn ich es richtig verstanden habe (?). und zu 3. die Baiskonzepte sind folgende:

Struktur und Funktion

Kompartimentierung

Steuerung und Regelung

Stoff- und Energieumwandlung

Information und Kommunikation

Reproduktion

Variabilität und Angepasstheit

Geschichte und Verwandtschaft

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Darwinist  15.02.2021, 12:19
@Anonymm321

Na ja, dann ist es doch logisch. Da das biologische Artkonzept ja auf der Grundkage "Fortpflanzung" basiert, ist das Basiskonzept "Reproduktion", genauer: sexuelle Reproduktion.

Was sich nicht sexuell vermehrt (z. B. Bakterien) kann ja keine Fortpflanzungsgemeinschaft bilden und damit auch nicht das biologische Artkonzept angewendet werden.

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