Als Radfahrer von Hund(en) gejagt - wie richtig reagieren?
Ich fahre sehr viel mit dem Fahrrad und ab und zu passiert es, dass ich von Hunden "gejagt" werde. Folgende Situationen sind mir in Erinnerung:
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Ich bin an einem Reiterhof mit offenem Tor vorbei gefahren. Zwei große Hunde (Dobermann und noch ein Hund gleicher Größe) befinden sich im Hof, sehen mich springen auf und rennen mir bellend hinterher, bzw. direkt neben mir her. Das ging einige hundert Meter, dann haben sie aufgegeben.
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Ich kam am Rand einer Siedlung zwischen den Häusern heraus auf einen offenen Feldweg. Zwei größere Hunde (beide größer als Schäferhund), die mit ihren "Frauchen" in ca. 200 Metern Entfernung, also relativ weit entfernt, auf einem Querweg waren, sahen mich und rasten quer über das Feld zu mir, um dann bellend direkt dicht neben mir her zu rennen. Die "Frauchen" riefen aus der Ferne panisch "Halt, stehenbleiben" hinterher, wobei ich nicht weiß, ob sie mich oder ihre Hunde meinten. Ergebnis wie oben.
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Ich fuhr einen Waldweg und sah in einem Querweg in einiger Entfernung einen Mann mit frei laufendem Hund. (etwas kleiner als Schäferhund). Ich fuhr weiter, am Querweg vorbei. Plötzlich, vielleicht schon 100 oder 200 Meter weiter, bemerkte ich direkt neben mir diesen Hund rennend und schon schnappte er mir auch nach dem Bein/Fuß. Der kam wohl ohne zu Bellen hinter mir her gerannt. Vom "Herrchen" weit und breit nichts zu sehen.
In den ersten beiden Fällen bin ich einfach nur so schnell wie möglich weiter gefahren, bis die Hunde ihre Jagd aufgegeben hatten. Im letzten Fall, da der Hund mir bereits in den Fuß gebissen hatte, habe ich ihm im Fahren vor die Schnauze getreten und "Hau ab" gebrüllt. Darauf hat der sofort von mir abgelassen und ist umgedreht.
Frage nur an die Hundehalter (= hoffentlich Fachleute):
Wie soll man als Radfahrer in diesen Fällen richtig reagieren? Stehen bleiben? (Da hätte ich z.B. bei den großen Hunden viel zu viel Angst gehabt) Schnell weiter fahren und die Hunde ignorieren? (Hat bei in den ersten beiden Fällen funktioniert, aber tut es das immer?) Nach ihnen Treten, wie es bei dem Kleineren im letzten Fall funktioniert hat? (Habe ich wie gesagt nur gemacht, weil er schon gebissen hat!)
Ich bitte um sachliche und hilfreiche Antworten und keine Diskussion "böse Radfahrer - böse Hundehalter". Wer hier was falsch macht, und wer "schlimmer" ist, darum geht es mir hier nicht, sondern wirklich nur darum wie ich mich als Radfahrer in diesen Situationen richtig verhalte.
Trotzdem eines noch dazu:
Ich bin beim direkten Vorbeifahren an Hunden immer sehr vorsichtig und da gibt es auch sehr selten Probleme. Wenn dann mit sehr kleinen, kläffenden Hunden vor meinem Rad, wo ich mehr Angst habe, die zu überfahren, als um mich.
In den genannten Fällen waren die Hunde aber immer ziemlich weit entfernt, haben mich also aus der Ferne gesehen und dann die "Jagd eröffnet". Dagegen kann man als Radfahrer ja erst mal gar nichts machen. Was aber, wenn es dann passiert, dass die auf einen losrennen?
7 Antworten
Die "Frauchen" riefen aus der Ferne panisch "Halt, stehenbleiben" hinterher, wobei ich nicht weiß, ob sie mich oder ihre Hunde meinten.
:) Vermutlich meinte sie euch drei zusammen.
Tatsächlich ist es das vernünftigste Verhalten, in so einer Situation anzuhalten und vom Rad zu steigen; idealerweise auf der vom Hund abgewandten Seite, so dass du das Fahrrad zwischen dich und den Hund bringst.
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Wie soll man als Radfahrer in diesen Fällen richtig reagieren?Wir lassen mal das fast schon allumfassende Versagen des Halters und die rechtlichen Aspekte außen vor.
Das Problem ist in diesem Fall der Jagdinstinkt des Hundes. Wenn er dich erst mal als potenzielle Beute betrachtet, bleibst du interessant, solange du "zu flüchten versuchst". Das können, je nach Kondition des Hundes, durchaus einige Kilometer werden. Und das kann durchaus auch dazu führen, dass der Hund dich zu stoppen versucht (s. Punkt 3), wenn er dich partout nicht stellen kann.
Wenn du deeskalieren willst, halte an und steige ab, BEVOR der Hund bei dir ist. Wenn du es darauf ankommen lassen willst, warte halt ab, wie der Hund sich verhält.
Tipp: Wenn du schon ein bisschen Erfahrung mit Hunden gesammelt hast, wirst du ziemlich schnell schon auf Distanz erkennen, ob sie "angriffslustig" oder nur "hatzlustig" sind.
JAGD-MODUS:
Du erkennst es an ihrer Körperhaltung; und ganz besonders am Kopf und am Hintern beim Laufen: Ist der Kopf beim Laufen "flach" ausgerichtet, also weit nach vorn gestreckt und nach der Ankunft bei dir hoch aufgerichtet und fest auf dich fixiert; bewegt sich der Hintern nicht "locker aus der Hüfte", sondern wirkt steif und ist, gerade bei großen Hunden, der Schwanz waagerecht, bedeutet das ziemlich sicher, dass er im Angriffsmodus ist; mindestens aber ernsthaft vorhat, dich zu stellen. ("Stellen" bedeutet, dass er dich einfach nur "festhalten" will, bis die Entscheidung kommt, was man mit dir machen wird. Stellende Hunde beißen nicht; jedenfalls nicht ernsthaft.)
In diesem Fall würde ich UNBEDINGT ANHALTEN, um ernsthaftere Probleme (auch das Stürzen vom rollenden Fahrrad ist zweifellos schmerzhaft) zu vermeiden. Ganz zu schweigen von der dann schwierigen Situation, dass du unten liegst und herumzappelst.
Denn diese Hunde sind meist bereit, dich auch "mit Festhalten" zu stellen, wenn es sein muss. Sie beißen also nicht zu, um dir weh zu tun oder dich zu verletzen; sondern sie beißen zu, um dich am weiteren Weglaufen/Wegfahren zu hindern.
HATZ-MODUS:
Will er hingegen nur hetzen, und das merkst du am nur wenig angespannten, ja, fast schon freudig wirkenden Verhalten des Hundes, während er hinter dir herrennt, kannst du in den meisten Fällen einfach so schnell du kannst weiterfahren. Solche Hunde bleiben auf Abstand und geben irgendwann auf.
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IN KEINEM FALL solltest du dem Hund aggressiv gegenübertreten. Er ist im Jagdmodus. Das bedeutet, dass er dich als "akzeptable Beute" betrachtet. Begegnest du ihm aggressiv, wird er das als Angst-Aggression einstufen.
Und Angst-Aggression ist wegen ihrer Unberechenbarkeit die "schlimmste" aller Aggressionen. Deshalb muss er, solange er im Jagdfieber ist, schon zum Selbstschutz zusehen, dass er dich schleunigst klein kriegt. Und ja, dann wird er auch ernsthaft beißen. Aus seiner(!) Sicht aber nicht als "Angriff", sondern als "präventive Notwehr".
Idealerweise steigst du also vom Rad und ignorierst den Hund komplett. Nicht anschauen; nicht einmal in seine Richtung schauen. Und möglichst entspannt (ja, ja, ich weiß) wirken. Sei still und atme ganz konzentriert so ruhig und tief, wie du nur irgend kannst, ein und aus. Atme tief ein, zähle bis fünf, atme dann aus, zähle wieder bis fünf; und so weiter. Konzentriere dich bewusst auf deine Atmung. Bewege dich möglichst gar nicht, und wenn dann nur sparsam und langsam. Beginnt er, um dein Rad herumzulaufen, drehst du dich mitsamt dem Rad einfach mit, so dass es immer zwischen dir und dem Hund bleibt.
Je nachdem, wie sehr sich der Hund vorher aufgeregt hat (s. Jagdmodus) und wie seine hoffentlich wenigstens ansatzweise Erziehung gestaltet wurde, wird er schnell - also normalerweise innerhalb von fünf Minuten; meistens sehr viel schneller - das Interesse an dir verlieren und sich trollen.
Und je lauter er kläfft, desto mehr kannst du dich entspannen: Diese Hunde wollen nur "vorstehen": Sie zeigen durch das Gekläffe nur an, wo ihre Kumpels hinkommen sollen, um den Rest zu erledigen. Ihre scheinbare Aggressivität gegen dich soll dich nur einschüchtern und am erneuten Weglaufen hindern.
keine Diskussion "böse Radfahrer - böse Hundehalter". Wer hier was falsch macht, und wer "schlimmer" ist, darum geht es mir hier nicht
Gestatte mir trotzdem ein paar Worte dazu: Hunde, die Radfahrern, Joggern, Autos, etc. pp. hinterherlaufen sind der perfekte Indikator für ein erzieherisches Totalversagen des Halters.
Wahlweise sind sie von der Rasse (s. Jagd-Instinkte) schlicht überfordert; was schon schlimm genug wäre. Doch noch schlimmer - und leider auch häufiger - ist die völlige Unfähigkeit des Hundehalters, selbst elementarste Grundlagen vermitteln zu können.
Natürlich kann es immer mal passieren, dass ein Hund "durchzugehen" droht. Doch ihn RECHTZEITIG ABRUFEN zu können, ist deshalb die wesentlichste Lehre, die man seinem Hund erteilen kann. Zum Schutz Dritter. Aber auch zum eigenen Schutz; denn so ein "durchgehender" Hund achtet auf nichts mehr: Nicht auf Straßen, nicht auf Landmaschinen; ihn interessiert nur noch die potenzielle Beute.
Damit verhalten sie sich grob fahrlässig; und wäre ich an deiner Stelle, hätte der Halter des Hundes aus Fall 3 sich auf eine gewaschene Rechnung von mir freuen können, bei der ich alles tun würde, um sie möglichst massiv in die Höhe zu treiben. (Und damit Hundehalter ein Gefühl für die Größenordnung bekommen: Es würde dann ein deutlich vierstelliger Betrag unter dem Strich stehen; und dafür würde keine Versicherung aufkommen.)
Was meine Erfahrung mit Hunden betrifft: Ich hatte noch nie selbst einen. Mein Bruder hat aber einen altdeutschen Schäferhund, das ist auch ein sehr großes Tier (deutlich größer als ein normaler Schäferhund - ich glaube um die 40 kg schwer) und ab und zu etwas stürmisch-verspielt. Den kenne ich ganz gut. Und einige Freunde von uns haben auch Hunde, mit denen ich deshalb sporadisch zu tun habe. Angst vor Hunden habe ich normalerweise überhaupt nicht. Anders sieht es aber eben aus, wenn man auf dem Rad von wildfremden Hunden, und dann auch noch großen, gejagt wird.
Ob ich im "Ernstfall" erkenne, ob ein Hund im Jagd-Modus oder Hatz-Modus ist, weiß ich nicht - ich hoffe es kommt so schnell keine neue Situation, wo ich das ausprobieren muss. ;-)
Auch wenn es schwer umsetzbar ist und man in solchen Momenten gerne flüchten würde. Alles was sich schnell bewegt ist interessant für Hunde und fördert den Jagt- und auch Spieltrieb eines Hundes, auch wenn es schwer ist, anhalten und ruhig stehen bleiben, dann verlieren die Hunde schnell das Interesse. Nach dem Hund treten macht einen Hund nur noch aggressiver und wenn es ein großer, kräftiger Hund ist, kann er dich auch zu Fall bringen, wobei du dich verletzen könntest.
Aus Erfahrung als Radfahrer und als Hundehalter. Wenn Hunde in der Nähe sind, langsam und vorsichtig vorbeifahren. Kommt der Hund näher, absteigen und das Fahrrad schieben - den Hund auf keinen Fall ansehen!
Ich habe schon einen gemütlichen Neufundländer erlebt, der einem jungen Mann ins Gesicht gesprungen ist, weil der ihn angestarrt hat!
Du hast in jedemFall das Recht, dich selbst mit den dir zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen.
Die wenigsten Hunde stellen wirklich eine Gefahr für dich als Radfahrer da. Die erliegen einfach nur ihrem Jagdinstinkt. Solltest du dich jedoch in deiner Unversehrtheit bedroht fühlen, z.B. eben, indem der Hund nach dir schnappt, ist ein Tritt durchaus gerechtfertigt.
Du solltest jedoch versuchen, keine größeren Verletzungen beim Hund wie etwa Knochenbrüche o.ä. zu verursachen. Notwehr sollte immer nur so weit gehen, wie es zum Schutz der eigenen Unversehrtheit unbedingt notwendig ist.
Eine andere Möglichkeit wäre es, ein Tierabwehrspray griffbereit zu haben. Das schadet dem Hund nicht langfristig, hält ihn jedoch zuverlässig auf Abstand.
Anhalten. Alles, was sich bewegt, ist "Beute".
Und wer als Besitzer seine Hunde nicht angeleint hat, macht sich im Fall der Fälle strafbar. Hat dich also ein freilaufender Hund gebissen, ist das eine Anzeige wert. Nach dem Hund treten macht ihn aber nur noch angriffslustiger.
Das Treten war ja spontan, ohne groß zu überlegen, weil ich wie gesagt schon gebissen wurde. Und hat in diesem Fall funktioniert.
Deshalb frage ich ja, um in Zukunft alles richtig zu machen.
Was würde denn Deiner Einschätzung nach passieren, wenn ich in den Fällen 1. und 2. einfach angehalten hätte? Wären die Hunde dann weg gelaufen, oder vor mir stehen geblieben? Ich hätte bei diesen großen Hunden wirklich Angst gehabt, einfach anzuhalten, zumal das jedesmal auch noch gleich zwei waren. Im letzten Fall nicht, aber da war meine Reaktion einfach völlig spontan und unüberlegt und das Problem dann schon erledigt, bevor ich überhaupt einen zweiten Gedanken fassen konnte.
Hunde sollten so erzogen worden sein, dass sie nicht zubeißen. Sollte also bedeuten, wenn du stehenbleibst, sollten dich die Hunde auch nicht angreifen, sondern nur beobachten. Wird es ihnen zu langweilig, werden sie sich "neue Beute" suchen.
Am besten stellst du dich zu deinem Schutz immer hinter das Rad und versuchst, beruhigend auf die Hunde einzureden. Möglichst jede Hektik vermeiden.
Allerdings solltest du den Hundebesitzern auch sagen, dass sie ihre Tiere anzuleinen haben, wo sich offenes Gelände befindet.
Vielen Dank für die sehr ausführliche Antwort!