Ich bin absolut kein Fan von den Grünen oder Habeck, muss beide hier aber in Schutz nehmen.
Ursprünglich wurde der Atomausstieg 1998 im Koalitionsvertrag von Rot/Grün vereinbart, 2000 wurde ein Vertrag mit den Betreibern geschlossen und dessen Eckpunkte 2002 ins Gesetz geschrieben.
2009 entschloss sich Schwarz/Gelb unter Merkel nicht, den Ausstieg grundsätzlich zurückzunehmen. Der Neubau und Wiederaufbereitung blieben verboten, nur die Laufzeiten bestehender Anlagen wurden verlängert.
2011 kam es zu dem Unfall in Fukushima. Tote durch Strahlung gab es nicht (oder genau einen, kann man sich drüber streiten). Auch ist nicht zu erwarten, dass die Zahl der Krebsfälle dadurch steigen wird. Erdbeben und Tsunami töteten über 20.000 Menschen. Die deutsche Reaktorsicherheitskommission, in der Atomkraftbefürworter und Gegner saßen, kam zu dem Schluss, das Unfallgeschehen sei auf deutsche Anlagen nicht übertragbar.
Trotzdem entschied sich die Regierung - mit Zustimmung der Opposition -, die Laufzeitverlängerung zurückzunehmen und ein fixes Abschaltdatum festzulegen.
Danach war das Thema in Deutschland politisch tot. Union und FDP waren insgeheim nicht froh über das Ergebnis, wollten es aber nicht mehr ändern. Für Versorgungssicherheit gab es ja Nord Stream und die Braunkohle. Bei der Umweltbewegung war Kernenergie sowieso immer ein rotes Tuch (was nüchtern betrachtet nicht ganz logisch ist). Die Grünen waren eh immer dagegen, die SPD seit den 90ern auch.
Auch der Koalitionsvertrag der Ampel sah den Atomausstieg vor. Im Wahlkampf kam das Thema nicht vor.
Mit der Energiekrise, die überwiegend durch den russischen Überfall auf die Ukraine verursacht wurde, kam das Thema wieder auf die Tagesordnung.
Bei den klassischen Befürworterparteien fehlte es inzwischen an kompetenten Ansprechpartnern. Die Gegner ließen das Übliche hören. Von Seiten der Betreiber war zumindest kein Rückenwind für den Vorschlag zu erwarten (verständlich, da reale Chance gering in Grünen in der Regierung, dazu hätte der Ausstiegsvertrag nebst Entschädigungen neu verhandelt werden müssen, die Rückbauplanung wäre durcheinandergekommen, EnBW gehört sowieso dem grün regierten Land BW).
Eine gewisse Schuld ist Habeck durchaus anzulasten. Seine Partei hätte ihn aber einfach gefressen, wenn er sich groß anders verhalten hätte. Steffi Lemke hatte als Ministerin für nukleare Sicherheit auch mitzureden.
So verstromt Deutschland weiter Braunkohle und subventioniert Strom mit Staatsschulden. Die CO2-Intensität pro kWh ist dabei auf dem Niveau der USA, bei deutlich höheren Preisen.
Immerhin geht die Generation, die in Brokdorf am Zaun mit dem Wasserwerfer geduscht wurde, bald in den Ruhestand. Dann können wir von vorne anfangen.