Papst Franziskus war im Vergleich zu früheren Päpsten eher ein unauffälliger, aber sympathischer Papst. Man könnte sagen, er hat sich als weltoffener Brückenbauer präsentiert, der versucht hat, die katholische Kirche ein Stück weit zu modernisieren, ohne dabei das Fundament völlig infrage zu stellen. Er wirkte freundlich, nahbar, weniger dogmatisch als viele seiner Vorgänger. Was ihn sympathisch machte, war wohl seine Art, sich einfach und menschlich zu zeigen. Er lebte bescheidener, verzichtete auf Prunk, fuhr einen alten Fiat statt in gepanzerten Luxuslimousinen und sprach oft direkt zu den Menschen. Er war kein Mann des Goldes, sondern des Gesprächs
Er hat sich offen gezeigt für viele gesellschaftliche Themen, die früher in der katholischen Kirche tabu waren oder streng verurteilt wurden. Er sprach über Homosexualität mit dem berühmten Wer bin ich, um zu urteilen und öffnete damit einen Raum für Toleranz, ohne dogmatische Veränderungen einzuleiten. Er thematisierte Umweltfragen, soziale Ungerechtigkeit, Armut, Migration und sprach sich gegen den globalen Kapitalismus aus. Das alles wären noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbare Positionen für ein Kirchenoberhaupt gewesen. Auch der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, mit Frauen in kirchlichen Ämtern oder interreligiösen Dialogen zeigte bei ihm mehr Offenheit, auch wenn es keine radikalen Reformen gab
Vergleicht man das mit früheren Päpsten, wird der Unterschied deutlich. In früheren Jahrhunderten war der Papst eine zentrale weltliche Machtfigur. Seine Aussagen hatten politischen Einfluss, seine Meinung war fast Gesetz. Der Papst war damals nicht nur geistliches Oberhaupt, sondern auch weltlicher Herrscher über ein großes Territorium, den Kirchenstaat, mit eigenem Heer, Burgen, Ländereien und diplomatischen Allianzen. In der Kartografie des Mittelalters war das ein eigener Machtbereich. Der Papst konnte Exkommunikation aussprechen, Kriege segnen oder verurteilen. Ein päpstliches Wort konnte Könige stürzen oder Allianzen zerbrechen. Heute hat der Papst diese politische Macht nicht mehr. Der Vatikan ist ein Kleinstaat, die Schweizergarde ist eine symbolische Schutztruppe, aber keine Armee im eigentlichen Sinn
Wenn man weiter zurückgeht, trifft man auf Persönlichkeiten wie Papst Urban II., der im elften Jahrhundert zum Ersten Kreuzzug aufrief und damit religiös motivierte Gewalt gegen Muslime legitimierte. Auch Papst Innozenz III. war ein Machtpolitiker, der die Kirche über weltliche Fürsten stellen wollte. Papst Pius IX. weigerte sich bis ins neunzehnte Jahrhundert, moderne Entwicklungen wie Pressefreiheit oder Demokratie zu akzeptieren. Später dann Papst Pius XII., der während des Zweiten Weltkriegs gegenüber dem NS-Regime auffallend schweigsam blieb, was bis heute umstritten ist. Benedikt XVI., der Vorgänger von Franziskus, war theologisch stark, aber wirkte oft steif und wenig volksnah. Franziskus hingegen trat nie als Richter auf, sondern als Seelsorger
Natürlich muss man ehrlich sein. Die katholische Kirche kommt aus einer langen theologischen Tradition, deren Wurzeln oft Jahrhunderte alt sind. Viele Strukturen und Denkweisen stammen aus einer Zeit, in der Kirche und Macht eng verbunden waren. Auch heute ist nicht alles reformiert, vieles bleibt konservativ. Aber verglichen mit dem, was einmal war, zeigt sich die Kirche heute offener und dialogbereiter
Was man bei all dem nicht vergessen darf, ist die dunkle Seite der Kirchengeschichte. Die katholische Kirche war in zahlreiche Verbrechen verwickelt, von der Unterstützung der Inquisition über die Legitimierung von Kolonialismus bis hin zur Vertuschung von Missbrauchsfällen in der Neuzeit. Vieles davon ist heute aufgearbeitet, aber längst nicht abgeschlossen. Auch Franziskus musste sich diesen Skandalen stellen, gerade beim Thema Kindesmissbrauch durch Priester. Er hat zumindest den Versuch unternommen, das Schweigen zu brechen, auch wenn der Apparat der Kirche weiterhin träge bleibt
Insgesamt war Papst Franziskus ein Papst der kleinen Schritte. Kein Revolutionär, aber auch kein Hüter alter Härte. Er versuchte, die alten Wunden der katholischen Kirche zu glätten, Brücken zu bauen und Menschlichkeit in den Vordergrund zu stellen. Für viele Gläubige, aber auch für Außenstehende, war das ein wichtiges Zeichen in einer Zeit, in der viele den Bezug zur Kirche längst verloren hatten