Also, dass eine Mutter sich Gedanken um ihr Kind macht ist ja erstmal wünschenswert. Das wars aber leider auch schon, was mir an Positivem dazu einfällt, entschuldige bitte. Ich versuche eigentlich immer, beide Seiten zu verstehen, aber hier fällt mir, so leid es mir tut, nix mehr ein.
Deine Schwester ist erwachsen. Sie kann also machen, was sie will.
Zudem ist es traurig genug, wenn deine Schwester in ihrer Schulzeit keine oder nur wenige Freunde hatte. Wobei auch da die Frage ist, inwieweit sie das vllt wollte oder aber einer anbiedernden Oberflächlichkeit vorgezogen hat. Denn in die Disco gehen ist ja (Gott sei Dank!) nicht die einzig mögliche Freizeitbeschäftigung für junge Leute.
Wenn deine Schwester jetzt eine Freundin gefunden hat, dann ist dass ein Grund sich für sie zu freuen. Alter spielt schon bei Partnerschaften kaum eine Rolle, bei Freundschaft ist das Wohl erst Recht kein Problem. Die Frage, ob man sich mit einem Menschen gut versteht, bemisst sich ja nicht an Kriterien wie Alter, Herkunft, Einkommen, Religionszugehörigkeit oder sowas. Es geht darum, ob man sich gut unterhalten kann, ähnliche Interessen oder einen ähnlichen Geschmack hat, miteinander Spaß hat, auch mal über Unangenehmes sprechen kann, ehrlich miteinander umgeht, einander vertrauen kann und hilft, etc. Wer das jetzt im Einzelnen für deine Schwester ist, ist ja ihre Sache. Dafür muss sie sich ja nicht rechtfertigen und sie hat auch keine Informationspflicht gegenüber deiner Mutter. Das wäre noch nicht mal so, wenn sie noch minderjährig wäre, aber da sie auch noch erwachsen ist, erst recht nicht!
Beispiel aus meinem Leben: Ich bin knapp 26, mein Lebensgefährte wird diesen Sommer 40, einer meiner besten Freunde ist 47, ein anderer 30, eine Freundin ist grade 23 geworden (und Mutter einer Dreijährigen), meine Schwester ist 22, ihr langjähriger Freund ein Jahr jünger (ist ja auch relativ "unüblich") und unser Freundeskreis ist ein super Trupp, wir haben viel Spaß und sind immer für die anderen da.
Zudem habe ich viele Bekannte, die ihr Leben so planen, wie es ihnen gefällt, und sich dabei nicht besonders um gesellschaftliche Dogmen kümmern (müssen). Ein bekannter zum Beispiel hat mit Mitte fünfzig seinen Beruf als Informatiker aufgegeben und studiert jetzt Sozialpädagogik.
Also kann ich deiner Schwester nur raten, als Reaktion auf das Verhalten deiner Mutter simpelst mit den Schultern zu zucken und sich nicht weiter aufzuregen oder unter Druck setzen zu lassen. Meiner Ansicht nach wäre das verschwendete Lebenszeit und Energie, die sie besser in eine schöne Zeit mit ihren Freunden investiert.
Deiner Mutter würde ich raten, mal in sich zu gehen und sich zu fragen, wieso sie so reagiert. Wie viele und welche Freunde hat sie selbst? Wie oft sieht sie sie und wie gestaltet sie ihre Freizeit? Haben ihre Eltern ihr auch Vorschriften bezüglich ihrer Freunde und Bekannten gemacht und wie hat sie darauf reagiert, wie war das für sie? Wieso ist sie sich so sicher, dass ihre Sicht der Dinge die richtige ist? Dass sie so genau weiß, was "normal" ist und was nicht?
Dann würde ich empfehlen, dass sich die Freundin deiner Schwester nebst Mann und Kind mal bei eurer Mutter vorstellt. Dann kann eure Mutter sich ja mal überlegen, ob sie diesen Leuten auch sagen möchte, was sie von ihnen hält und wie sie gefälligst zu leben haben. Denn ich bin ehrlich, wenn deine Schwester meine Freundin wäre, würde ich deine Mutter besuchen und sie mal fragen, was da los ist und wie sie dazu kommt. Nicht irgendwie bös oder unhöflich, sondern ganz offen und freundlich vorbeikommen und fragen: "Frau Soundso, ihre Tochter und wir sind befreundet, und ich wollte mich mal vorstellen. Denn ich höre Sie halten das für falsch. Wie kommt das? Worüber machen Sie sich Sorgen?"
Für dich ist denke ich wichtig, dass du letztlich kaum Einfluss auf die Situation nehmen kannst. Das ist schlimm, weil man hilf- und machtlos ist, aber natürlich mit drunter leidet. Mach dir also bewusst, dass du weder Schuld trägst noch verantwortlich dafür bist. Und denk daran, dass auch du das Recht hast, so zu leben wie du willst, so zu sein wie du willst, und dein Weg nur deiner ist, und keiner dir vorschreiben kann, wie du den zu gehen hast.
Ich hoffe das war hilfreich und wünsche dir, deiner Schwester und deiner Mutter, dass ihr einen gemeinsamen Konsens findet und Verständnis, Vertrauen und Respekt füreinander aufbringt. Alles, alles Gute!