Mir fällt noch ein zusätzliches Pro-Argument ein. Nämlich dieses hier:
- Wer Gedichte auswendig lernt und aufsagt ("rezitiert"), kann damit sehr gut seine Stimm-Modulation trainieren.
Stimm-Modulation bedeutet:
Die Stimme wird mal lauter, mal leiser, mal höher, mal tiefer. Es gibt "Hebungen" und "Senkungen" der Stimme - und an geeigneten Stellen auch ganz kurze Pausen, die eine Aussage unterstreichen und/oder für Spannung sorgen. Auch gewinnt die Sprache einen rhythmischen Klang, weil je jedes Gedicht ein Versmaß ("Metrum") hat.
Letztendlich trainiert man also Stimmlage, Lautstärke und Sprechtempo. Je variationsreicher man diese drei Dinge im Alltag einzusetzt, desto lebendiger und interessanter wirkt das, was man sagt. Das kann später im Leben oft hilfreich sein - zum Beispiel bei Vorstellungsgesprächen. Wer zu schnell oder zu monoton spricht ("leiert"), punktet natürlich viel weniger als jemand, der über eine angenehme, "modulationsfähige" Stimme verfügt.
Ich selbst gehe noch zur Schule, bin aber gelegentlich als Synchronsprecherin tätig, indem ich bei ausländischen Kinofilmen, für die eine deutsche Synchronfassung produziert wird, gleichaltrigen englischen und französischen Schauspielerinnen die deutsche Stimme "leihe". https://www.gutefrage.net/frage/wie-viel-verdient-ein-synchronsprecher-?foundIn=list-answers-by-user#answer-282527470
Dass ich derartige Aufträge bisher fünf Mal bekommen habe, liegt daran, dass ich eine modulationsfähige Stimme habe. Und dass sie modulationsfähig ist, habe ich systematisch trainiert - unter anderem durch das Rezitieren von Gedichten, die ich in der Schule auswendig lernen musste. Vor zwei Jahren war ich sauer über diese Auswendiglernerei. Heute bin ich froh darüber ;)