So viel Ehrung wie ihm zuteil wird, hat er definitiv nicht verdient, weil seine meisten Verehrer sich allein auf die positiven Seiten seiner Persönlichkeit konzentrieren, die negativen hingegen weitgehend ausblenden.
So war Luther nicht nur ein Verfechter (Verteidiger, Befürworter) der Hexenprozesse, sondern sein Einfluss auf die Antijudaisten und Antisemiten war erschreckend groß und wirkte noch bis weit ins 20. Jh. hinein nach.
Luther mal aus einer ungewohnten Perspektive:
http://www.hagalil.com/2010/03/luther-graetz/
Mehrere hochrangige NS-Verbrecher haben sich bekanntlich bei ihren Prozessen, nicht nur beim Nürnberger Tribunal, auch danach noch, auf Luther herausgeredet, als geistiges Vorbild. Zum Beispiel der Herausgeber des Antijudenmagazins DER STÜRMER, Julius Streicher, einer der Hauptkriegsverbrecher des Dritten Reiches.
Luther hatte nicht mehr und nicht weniger als die Verbrennung und Vertreibung der Juden gefordert. Millionenfach kamen Deutsche in den 500 Jahren nach ihm diesen Forderungen nach, vor allem, aber nicht nur, die sog. "Nazis".
Zum zweiten Teil der Frage: Ja, auch ohne Luther hätte sich die Kirche irgendwie weiterentwickelt, denn Luther war nicht der einzige Reformator, es gab auch noch Jan Hus, Zwingli, Calvin, Melanchthon, Müntzer, Bugenhagen...
Früher oder später hätten die deutschen Christen den Entwicklungen und Neuerungen des Auslands folgen müssen, zu einer bitter nötigen Reformation wäre es in Deutschland irgendwann auch ohne ML gekommen. Jedoch hätte die EKD (bzw. schon deren Vorgänger) dann ein bedeutendes Flaggschiff weniger in ihrem Arsenal; man hätte möglicherweise den Mythos Müntzer etwas pushen müssen, um mit ihm eine ähnliche Integrationswirkung zu erzielen. (Denn die Leute brauchen doch irgendwelche Leitfiguren, irgendwelche Ersatzväter, 'Heilige', die alles richten können müssen...)