Es ist gut und richtig, dass insbesondere die Jüngeren nicht mehr alles mit sich machen lassen. Viel zu lang wurde Arbeit geradezu als religiöses Ritual zelebriert, ganz im Sinn des Calvinismus, den dieser konservative alte Mann offenbar wiederzubeleben versucht. Damit der Laden läuft, ist die derzeit gängige Arbeitszeit mehr als ausreichend. Eher als an eine Ausweitung wäre an eine Reduktion zu denken, wie es übrigens auch im Sinn eines Großteils der Arbeitnehmer wäre. Aber man will offenbar ganz in kirchlicher Tradition eine demütige Haltung als Weg zur Erlösung verordnen. Ansprüche an den Arbeitgeber stellen - wie kann man nur? Pfui, was für eine Niedertracht, den Eigennutz im Auge zu behalten! Das steht nur denen zu, die in der geeigneten Position dazu sind. Quod licet jovi, non licet bovi. Also seht nur zu, dass ihr sie nicht verärgert und schön nach ihrer Pfeife tanzt, dann überlassen sie ganz bestimmt in grenzenlose Kulanz das Himmelreich den Armen im Geiste.
Na bravo, da ist sie wieder, die calvinistische Arbeitsmoral. Hauptsache machen, machen, machen, ohne Sinn und Verstand. Und vor allem kommt es natürlich darauf an, einen guten Eindruck zu machen, eine aufgesetzte Rolle zu spielen und sich ungemein wichtig vorzukommen. Denn, so denken wohl viele: Woher soll man eigentlich wissen, ob man wirklich arbeitet, wenn keiner dabei zusieht? Sein heißt gesehen werden! Das könnte im Homeoffice schwierig werden, auch wenn man da vielleicht zügig vorankommt und die anstehenden Aufgaben passabel erledigt. Aber wen interessiert das schon? Seien wir doch ehrlich: es geht nicht um irgendwelche Arbeitsergebnisse, es geht um narzisstische Befriedigung. Und genau das scheint auch die Motivation dafür zu sein, dass sich dieser konservative Politiker sich auf dem Kirchentag als Moralapostel wichtig macht und die calvinistische Arbeitsmoral predigt.
Die Probezeit soll dazu dienen, herauszufinden, ob beide Seiten des Vertragsverhältnisses zueinander passen. Ein konstruktives Eingehen aufeinander darf man da erwarten, aber das gilt für beide Seiten. Unterwürfigkeit ist kein integraler Bestandteil eines Arbeitsvertrages. Daher kann mein Rat nur lauten, die Gegenseite frühzeitig an die eigenen Präferenzen zu gewöhnen, und wenn eben zwischendurch immer mal wieder ein wenig Urlaub dazugehört, ist es besser, wenn dies frühzeitig als Gewohnheitsrecht anerkannt wird. Ansonsten kommt noch jemand nach der Probezeit auf die Idee, zu sagen: "Während der letzten sechs Monate ging es doch auch ohne Urlaub." Rechtlich ist die Sache übrigens klar: Es besteht ein anteiliger Urlaubsanspruch, also pro Monat 1/12 der Gesamtanzahl der Urlaubstage im Jahr. Das ist eine sinnvolle Regelung, und ob die Orientierung an ganz klar definierten Rechten "gern gesehen" ist und einen "guten Eindruck" macht, ist ein Relikt aus früheren Zeiten, als die Autoritätsgläubigkeit noch mehr zählte als der bewusst eingesetzte Verstand. Um Inhalte und Arbeitsergebnisse sollte es gehen, nicht um irgendwelche schauspielerischen Leistungen, sofern man die Probezeit nicht gerade beim Theater absolviert.
Meiner Erfahrung nach ist es Verhandlungssache. Es spielen laut Gesetz schließlich auch Gesichtspunkte eine Rolle, die in der Person des Arbeitnehmers liegen. Nur Urlaub am Stück nehmen zu können, führt beispielsweise bei Menschen, die eine Fernbeziehung führen, gerne die ein oder andere sportliche oder kulturelle oder politische Veranstaltung besuchen bzw. auf solchem Gebiet selbst aktiv sind - und ja, das ist voll und ganz legitim und bedarf nicht der Zustimmung des Arbeitgebers - zu erheblichem Organisationsstress, wenn dafür ausschließlich das Wochenende zur Verfügung steht. Inwiefern dies dann der Erholung zuträglich ist, ist mir schleierhaft. Im Übrigen halte ich das Argument der besseren Erholung bei längerer Urlaubsdauer und dafür seltenerem Urlaub generell für fragwürdig. Es scheint mir da vielmehr der Gesichtspunkt der einfacheren verwaltungstechnischen Handhabung eine Rolle zu spielen. Außerdem gibt es immer wieder Kollegen, die mit kindischem Neid reagieren, wenn jemand gerade in Urlaub geht, während sie arbeiten. Man möchte Unruhe im Betrieb vermeiden - nur: wer in einem solchen Fall für die Unruhe verantwortlich ist, das ist eine andere Frage. Wir leben in einer Zeit, in der es doch möglich sein sollte zu akzeptieren, dass verschiedene Lebensentwürfe bestehen. Ob wir diesem Anspruch gerecht werden, zeigt die gelebte Praxis.
Absolut widerlich, was in dieser Gesellschaft abläuft! Arbeit! Arbeit! Arbeit! Wobei es meistens nicht einmal so sehr auf das Ergebnis ankommt, sondern darum, einen "guten Eindruck" zu machen, damit sich das Ego der Chefs (meistens übrigens nazisstische Persönlichkeiten, so wie Trump) geschmeichelt fühlt. Es sind nicht kreative und in gesundem Ausmaß leistungsbereite Leute, die in dieser Arbeits(un)kultur gut wegkommen, sondern konformistische Jasager. Umgekehrt gilt: Je mehr Leute bei solchen Blödsinn nicht mitmachen, umso weniger Akzeptanz werden soche Verhaltensweisen finden. Man muss da wirklich mal so böse sein und ganz bewusst die ein oder andere narzisstische Kränkung zufügen. Und übrigens, liebe Leser dieses Kommentars: Die Angst vor fehlender Anerkennung, womöglich auch Arbeitslosigkeit ist es, die dazu antreibt, es Chef und Kollegen rechtmachen zu wollen. Also überlegt euch mal, ob es nicht zu eurem Nutzen ist, wenn Antidiskriminierungsgesetze eingeführt werden ("Oh was für ein Eingriff in die wirtschaftsliberale Freiheit!") und wenn Arbeitslose mehr Geld bekommen. Ich jedenfalls wäre lieber bereit, für doppelt so viele Leistungsempfänger aufzukommen, als den selbsternannten Göttern namens Arbeitgebern auch nur einen Urlausbtag zum Opfer zu bringen.
Hallo,
ich kann deine Sichtweise gut nachvollziehen und kenne das Problem selbst. Dass die anderen "Ratgeber" dir die Kapitulation nahelegen, zeigt nur, wie es tatsächlich um die Akzeptanz gegenüber der als Schlagwort allgegenwärtigen Diversität steht: Es ist nicht weit her damit.
Wenn man sich überlegt, welche Argumente für bzw. gegen eine offene Bürotür sprechen, überwiegen eindeutig die letzteren. Nehmen wir einmal an, es ginge darum, die Mitarbeiter zu kontrollieren, ob sie nur ja brav an ihrem Schreibtisch sitzen und unentwegt auf den Bildschirm starren. Dann mag diese Strategie aufgehen, aber ob bei der ständigen Ablenkung wirklich ein besseres Ergebnis herauskommt, ist äußerst fraglich. Auch ist für mich nicht erkennbar, welchen positiven Einfluss die offene Bürotür auf das Arbeitsklima haben sollte, wie oft behauptet wird. Gerade in der Pandemie haben wir doch alle gelernt, dass man seine Verbundenheit auch dadurch ausdrücken kann, sich gegenseitig nicht zu sehr ins Gehege zu kommen. Freilich muss man zugestehen, dass die offene Bürotür auch ihre Vorzüge haben kann - für Leute, denen an Selbstdisziplin fehlt ebenso wie für solche, die auf ständige Interaktion ausgerichtet sind und sich gerne gewissermaßen im Schaufenster ausstellen. Das sollte dann aber eine Frage der persönlichen Neigung sein und nicht zu einem Dogma werden, das nicht mehr hinterfragt werden darf. Davon wiederum profitieren diejenigen Leute, die größten Wert auf Konformität legen und ihr Fähnchen nach jedem Wind richten (vielleicht liegt darin die symbolische Bedeutung der offenen Tür). Es dürfte auch vielen schwerfallen, sich einzugestehen, dass durchaus Alternativen zur Anpassung um jeden Preis gibt und man es sich selbst zuzuschreiben hat, wenn man den Mut dafür nicht aufbringt.
Wie wäre nun aber mit der konkreten Situation umzugehen? Ich halte es für sinnvoll, nicht nachzugeben, sondern anderen durchaus "zuzumuten", persönliche Bedürfnissen akzeptieren zu lernen, die sie vielleicht selbst nicht haben oder bei sich nicht zulassen können. Mit Beharrlichkeit lässt sich da oft mehr erreichen, als man zunächst vermutet. Wenn es allerdings nicht nur zu subtiler Missbilligung, sondern zu offenen Auseinandersetzungen kommt, würde ich diese auf der argumentativen Ebene austragen und mich nicht auf eventuelle Anfeindungen einlassen. Auf diesem Gebiet haben nämlich Leute, die sich für vermeintlich unhinterfragbare "ungeschriebene Gesetze" stark machen, im Allgemeinen schlechte Karten. Falls sich keine einvernehmliche Lösung finden lässt, halte ich es für ratsam, die Chefin hinzuzuziehen und die eigene Arbeitsleistung in die Waagschale zu legen, die durch die aufgezwungene "Kultur der offenen Tür" beeinträchtigt wird. Ich halte es für unwahrscheinlich, dass mit allem Nachdruck auf der Erfüllung dieser "Gepflogenheit" bestanden wird. Das würde eine Überhöhung der äußeren Form gegenüber dem Inhalt der Arbeit bedeuten, und man dürfte sich durchaus fragen, ob dafür nicht "Pappkameraden" die bessere Besetzung wären.
Wie auch immer, man kann nur daraus lernen und sich vornehmen, in Zukunft vor Antritt einer Stelle zur Sprache zu bringen, was man selbst möchte. In einer Zeit, in der man doch hoffentlich davon ausgehen kann, dass preußischer Untertanengeist, höfische Etikette und archaischer Gruppenzwang der Vergangenheit angehören, sollte das doch möglich sein.
Viele Grüße und gutes Gelingen.